Heimaufsicht eingeschaltet Pflegeheim in Riesa zahlt keine Löhne: Mitarbeiter wehren sich erfolgreich
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17. November 2023, 17:59 Uhr
Das Pflegeheim Primavita in Riesa zahlt seinen Mitarbeitendenen offenbar über ein halbes Jahr lang keine Löhne. Der Geschäftsführer vertröstet sie immer wieder. Jetzt haben mehrere Beschäftigte geklagt und Recht bekommen. Auch die Heimaufsicht ist eingeschaltet, weil die Versorgungssicherheit der Bewohner gefährdet sein könnte.
- Das Arbeitsgericht Dresden hat den Betreiber eines Pflegeheims in Riesa zur Zahlung ausstehender Gehälter verurteilt.
- Die Heimaufsicht sorgt sich um die Versorgungssicherheit der Bewohner, weil Mitarbeiter drohen, ihre Jobs zu kündigen.
- Der Geschäftsführer will die ausstehenden Gehälter im November auszahlen.
Der Pflegeheim-Unternehmer Lars K. aus Chemnitz, der in Riesa das Pflegeheim Primavita betreibt, muss drei Mitarbeitenden die ausstehenden Löhne für mehrere Monate zahlen. Das hat das Arbeitsgericht Dresden am Mittwoch entschieden. In einem Fall sind das fast 20.000 Euro, in einem anderen 12.500 Euro. Einem dritten Mitarbeiter, der das Unternehmen schon einmal auf Zahlung verklagt hat, wurden rund 3.000 Euro zugesprochen. Der Riesaer Anwalt Thomas Pollmächer, der die Klagenden vertritt, sagte MDR SACHSEN, so einen krassen Fall habe er seit den 1990er-Jahren nicht erlebt.
Heimleiter: Prekäre Lage bei den Beschäftigten
Geschäftsführer Lars K., der das Pflegeheim betreibt, hatte die mehr als 20 Mitarbeitenden mehrere Monate lang hingehalten und nach MDR-Informationen seit fast sieben Monaten keine Gehälter mehr gezahlt. Dass das für die Beschäftigten eine enorme Belastung ist, zeigt eine interne Kommunikation zwischen dem Geschäftsführer und dem Heimleiter Michael K. vom 13. November, die MDR SACHSEN vorliegt.
Darin spricht der Heimleiter, der ansonsten jeden Kommentar ablehnt, von einem großen Schaden für die Beschäftigten. Diese wollten wissen, wann ihre Gehälter auf ihren Konten eingehen. Einige seien bereits von Kontosperrung betroffen, weil sie ihren Dispo-Kredit zu lange überzogen hätten. Auch familiär gebe es bei einigen Mitarbeitern Probleme, da Familienangehörige nicht verstehen könnten, wieso die Angestellten weiter zum Arbeitgeber halten. Auch von der Absage familiärer Termine aufgrund fehlenden Geldes ist die Rede.
Geschäftsführer Lars K. wollte sich auf Anfrage von MDR SACHSEN zum jetzigen Zeitpunkt nicht äußern, bis zum 21. November sei er "unabkömmlich", teilte er mit und ließ wissen: "Vorab kann ich Ihnen jedoch schon mitteilen, dass sich der Sachverhalt nicht so darstellt, wie von Ihnen mitgeteilt. Auch wird kein Mitarbeiter das Unternehmen verlassen."
Mitarbeiter wollen den Dienst zum Wochenende quittieren
Nach MDR-Informationen hatten drei Mitarbeitende des Pflegeheims angekündigt, das Unternehmen zu verlassen, wenn ihr Gehalt nicht bis zum 18. November gezahlt wird. Das hat die Heimaufsicht auf den Plan gerufen. Am Dienstag (14.11.) hat die Behörde das Heim in Riesa besucht, wie der zuständige Referent Thomas Leibiger vom Kommunalen Sozialverband Sachsen (KSV) sagte. Mitarbeiter des Heims hätten dabei die Vorwürfe bestätigt. "Die Heimaufsicht hat jetzt vor allem die Versorgungssicherheit der etwa 30 Bewohnerinnen und Bewohner im Blick".
Bei dem Besuch in dem Pflegeheim sei auch eine erfahrene Pflegerin dabei gewesen. "Es wurden keine gravierenden Mängel in dem Heim festgestellt. Den Bewohnern geht es augenscheinlich gut", so Leibiger. Der Heimleiter wolle durch eine Dienstplanänderung die Versorgung sichern, falls einzelne Beschäftigte, wie angekündigt, den Dienst quittieren sollten.
Es wurden keine gravierenden Mängel in dem Heim festgestellt. Den Bewohnern geht es augenscheinlich gut.
Steht das Heim vor der Insolvenz?
Ob sich das Pflegeheim noch wirtschaftlich trägt, ist fraglich. Das legt ein Schreiben des Geschäftsführers Lars K. von Ende Juni 2023 an die Mitarbeiter zumindest nahe. Darin verspricht K., dass die Gehaltszahlungen ab September wieder erfolgen würden. Und weiter: "Nach reiflicher Überlegung habe ich mich dazu entschlossen, dass ich die Einrichtung nicht schließen werde, sondern das Haus mit Ihnen gemeinsam voranbringen möchte." Das Versprechen hat der Geschäftsführer bis heute nicht eingelöst, die Beschäftigten warten weiter auf ihr Geld.
Auch die Heimaufsicht will in Erfahrung bringen, ob sich das Heim noch trägt und hat entsprechende Unterlagen von Primavita angefordert. Doch wie kann es überhaupt dazu kommen, dass ein Unternehmen mehr als ein halbes Jahr lang keine Löhne zahlt und keine Behörde schreitet ein? Der Riesaer Anwalt Thomas Pollmächer hat eine Erklärung: Die Sozialbeiträge für die Beschäftigten seien immer bezahlt worden. Ansonsten wären die Kassen schon längst eingeschritten - wegen möglicher Insolvenzverschleppung oder anderer Delikte.
Geschäftsführer verspricht erneut Zahlung der ausstehenden Gehälter
Am Donnerstag hat sich Geschäftsführer K. in einem Brief erneut an die Beschäftigten gewandt und versprochen, dass sämtliche offenen Lohn- und Gehaltszahlungen bis zum 27.11. auf ihren Konten eingehen würden. Die Beschäftigten des Pflegeheims haben am Freitag nach MDR-Informationen entschieden, auf dieses Angebot einzugehen und bis dahin weiterzuarbeiten. Auch die drei Mitarbeitenden, die ursrpünglich zum 18.11. den Dienst einstellen wollten, schlossen sich dem Angebot an. Sollten die Gelder aber bis dahin nicht auf den Mitarbeiter-Konten eingehen, wollen alle Beschäftigten geschlossen die Arbeit niederlegen.
Für diesen Fall wolle die Heimaufssicht einen Notfallplan vorbereiten, um die 30 Bewohner des Heims möglichst lückenlos in anderen Pflegeinrichtungen unterzubringen, sagte Thomas Leibiger vom Kommunalen Sozialverband Sachsen MDR Sachsen.
MDR (kbe)