Gastronomie Dringend empfohlen: Platzreservierung in Sachsens Gaststätten
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24. März 2024, 06:00 Uhr
In Sachsen haben in den vergangenen Jahren 1.500 Gastronomen aufgegeben. Besonders gravierend ist das Kneipensterben auf dem Lande. Doch auch in den Städten bekommen die Gäste die Folgen von Corona und Inflation noch zu spüren. Viele Restaurants haben kürzer und seltener geöffnet, in Spitzenzeiten - wie etwa Ostern - werden die Plätze schnell knapp.
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- Viele Gastronomen in Sachsen reagieren mit verkürzten Öffnungszeiten auf steigende Kosten.
- In Restaurants mit vielen Stammgästen sind Platzreservierungen abends und an Wochenenden inzwischen obligatorisch.
- Zu Ostern werden die freien Plätze in einigen sächsischen Restaurants knapp.
Die sächsischen Gastronomen blicken zuversichtlich auf das Osterwochenende. Der sächsische Geschäftsführer des Branchenverbands Dehoga, Axel Klein, rechnet mit vollen Gaststätten und guten Umsätzen für die Unternehmer. Zugleich betont er auf Nachfrage von MDR SACHSEN aber auch, dass eine Platzreservierung dringend empfohlen werde - in allen Kategorien, in der Stadt und auf dem Land.
Die Zahl von Lokalitäten hat sich in den vergangenen Jahren spürbar verkleinert. Seit Beginn der Corona-Pandemie 2020 haben 1.500 Kneiper aufgegeben und ihre Gaststätten zugesperrt. Noch immer würden Unternehmer angesichts steigender Kosten aufgeben, sagt Klein. Das Geschäft rechne sich für viele nicht mehr. Mit 7.540 Restaurants, Pensionen und Hotels sei die Bewirtungsdichte im Freistaat niedriger als in anderen Bundesländern.
Gasthöfe geschlossen - Öffnungszeiten verkürzt
Das bekommen die Gäste zu spüren, wenn sie ohne Reservierung abends oder an Wochenenden mit knurrendem Magen wieder abziehen müssen - auch jenseits von Feiertagen. Dass der spontane Hunger häufig nur noch am Schnellimbiss oder im Späti getilgt werden kann, ist laut Klein eine Folge der angespannten Lage in der Gastronomiebranche.
Explodierende Kosten für Energie, Zutaten und Personal hätten dazu geführt, dass Gastronomen ihre Öffnungszeiten verkürzten und beispielsweise keinen Mittagstisch mehr anböten oder mehr Ruhetage einlegten - auch, damit sich die verbliebene Belegschaft erholen kann und dem Unternehmen treu bleibt.
Jetzt konzentrierten sich die Gäste auf weniger Plätze und verkürzte Öffungszeiten. Das gelte, so Klein, auf dem Lande ebenso wie in der Stadt. Wobei das Sterben der Dorfgasthöfe gravierender ausfalle, weil dort kaum Nachfolger das Risiko eines Neustarts eingingen.
Apropos Risiko: Um kurzfristigen Absagen und damit verbundenen Umsatzausfällen entgegenzuwirken, verlangen immer mehr Gastronomen bei Nichterscheinen eine Stornogebühr. Ihr Argument: Leere Plätze könnten spontan nicht mehr besetzt werden. Verbandschef Klein bestätigt diese Praxis, will sich aber nicht auf eine Summe festlegen, die Gastronomen bei Stornierungen üblicherweise kassieren. "Wir wollen ja, dass die Gäste kommen." Wenn doch etwas dazwischen komme, sollten sie wenigstens frühzeitig absagen.
Abends stehen Chancen auf freie Plätze schlecht
Im Restaurant Spizz in Dresden-Striesen haben Gäste Karfreitag und Karsamstag noch gute Karten auf freie Plätze, sagt Inhaber Robby Scheere. Am Sonntag und Montag hat das Restaurant allerdings Ruhetag - auch zu Ostern. Scheere erklärt, dass der Trend zu Reservierung sich durchgesetzt habe. Insbesondere abends - ganz besonders freitags und sonnabends - sei das Restaurant mit seinen 40 Sitzplätzen üblicherweise ausgebucht. Absagen seien übrigens sehr selten, sagt Scheere und verzichtet deshalb auch auf Stornogebühren.
Etwa ein Drittel des Umsatzes werde mit dem Mittagsgeschäft generiert, wo auch Laufkundschaft spontan ins Spizz käme. Grundsätzlich trage sich das Restaurant aber zu 95 Prozent über Stammkunden. Diese Gäste würden sich weiterhin einen schönen Abend gönnen und hätten ihr Konsumverhalten auch kaum geändert, freut sich Scheere.
Jahresstart mit weniger Restaurantbesuchern als üblich
Dennoch hat der Gastronom zu Jahresbeginn weniger Gäste in seinem Restaurant gezählt - und das liege nicht an der im Januar und Februar traditionell schwächeren Nachfrage. "Ich führe Statistik und haben gute Vergleiche zu Vorjahren", sagt Robby Scheere. Die Mehrwertsteueranhebung kann zumindest im Spizz auch nicht der Grund für die Zurückhaltung gewesen sein, denn die Preise auf den Speise- und Getränkekarten seien nicht sofort zum Jahreswechsel erhöht worden.
Doch auch Scheere wird steigende Kosten auch an seine Gäste weitergeben. Es bleibe spannend, wie sich das Jahr betriebswirtschaftlich entwickelt, sagt der Restaurantbetreiber. Es seien keine Zeiten zum Zurücklehnen. Zumindest auf sein Team könne er setzen. Und auch auf Stellenausschreibungen würden sich wieder geeignete Bewerber melden, während es in den zurückliegenden Monaten oftmals gar keine Rückmeldung von Arbeitssuchenden gegeben hätte.
In der Spitzengastronomie ist Reservierung obligatorisch
Olav Seidel vom Gasthof Bärwalde im Landkreis Meißen hat sich nach eigenen Angaben der gehobenen Gastronomie mit frischen Zutaten verschrieben, die extra für die Menüs und nicht auf Vorrat eingekauft werden. Reservierungen seien eigentlich obligatorisch, so Seidel. Dabei kann der Gastronom auf 70 bis 75 Prozent Stammgäste zählen, wie er sagt. Spontane Laufkundschaft verirre sich auch nur dann nach Bärwalde, wenn die Ausflugsrestaurants in Moritzburg etwa bei schönem Wetter überlaufen seien. Sind noch Plätze frei, würden natürlich auch spontane Gäste bedient.
"Wir müssen mit den Gäste kommunizieren und ihnen die Produkte erklären und erläutern, warum bei hohem Anspruch an die Küche eine gewisse Planungen für den Gastronomen unumgänglich ist", sagt Seidel. Er koche persönlich für jeden Gast und nehme sich eben auch entsprechende Zeit, damit der Gast ein entspanntes kulinarisches Erlebnis genießen könne.
Gäste planen seit Corona unverbindlicher
Seidel bewirtet nur durchschnittlich 15 bis 20 Gäste pro Tag mit meist mehreren Gängen und es gibt nur einen Durchgang - das bedeutet, die Tische werden nicht mehrfach am Abend oder Sonntagmittag besetzt. Die Gäste verweilen für einen ganzen Genussabend im Gasthof.
Dass seit der Corona-Zeit die Menschen etwas unverbindlicher und spontaner seien, hat auch der Familienbetrieb in Bärwalde beobachtet. Dennoch seien kurzfristige Absagen dort nur sehr selten. Seidel stapelt in seinem gastronomischen Anspruch alles andere als tief: Er orientiert nach eigenen Angaben seine kulinarische Ausrichtung an den großen Gerichten der französischen Belle Époque. Der Koch aus Sachsen sieht sich in der Tradition des Meisterkochs Auguste Escoffier (1846 - 1935).
Nicht alle Gastronomen wollten sich auf Anfrage äußern. So hat beispielsweise der "Blaue Engel" in Aue-Bad Schlema mit Verweis auf Terminprobleme darum gebeten, andere Restaurants zu fragen. Im benachbarten Hartenstein hat das Romantikhotel Waldidyll sein Restaurant nach 25 Jahren komplett geschlossen und bietet nach Angaben auf der Homepage mit verkleinerter Mannschaft seit diesem Jahr nur noch Frühstück für seine Übernachtungsgäste an. Es wird auf Restaurants in der Umgebung verwiesen.
Ostern im Ratskeller Schneeberg lange ausgebucht
Dazu gehört beispielsweise der Ratskeller von Schneeberg. Inhaber Peter Ulbrich sagt aber ganz klar, wer Ostern kommen will, hat schon Pech. Mehr als eine Woche vorher ist das Restaurant im Herzen der Bergstadt längst ausgebucht. "Es ist immer ratsam zu reservieren, auch abends sind wir manchmal ausgebucht", sagt Ulbrich. Viele der Gäste kämen regelmäßig - auch aus Zwickau, Chemnitz oder Touristen von auswärts.
Einen Einbruch bei der Nachfrage gebe es im Ratskeller von Schneeberg nicht. Allerdings bedeuten volle Gasträume mit 90 besetzten Plätzen nicht automatisch, dass das Unternehmensergebnis auch betriebswirtschaftlich stimmt, betont Ulbrich. Dem Umsatz stehen steigende Kosten gegenüber. So verteuere sich der Einkauf etwa für Getränke alle halben Jahre. Er sei deshalb auf das Ergebnis in diesem Jahr gespannt. Die Preise auf der Speisekarte habe der Gastwirt bislang nur "moderat angehoben" und nicht die gesamte Mehrwertsteuererhöhung an die Gäste weitergegeben.
Ratskeller gönnt Belegschaft Ruhetag und einen freien Sonntag
Seit der Corona-Pandemie hat das Traditionslokal allerdings seine Öffnungszeiten geändert. Donnerstags sei nun immer Ruhetag und jeden letzten Sonntag im Monat sei auch geschlossen. Man habe sich für das Personal zu dem Schritt entschlossen, viele Mitarbeiterinnen seien Mütter und könnten mit festen freien Tagen nun besser planen.
Viele ausländische Mitarbeiter helfen beim Bewirten
Dass Gastronomie überhaupt noch funktioniert, sei auch den ausländischen Mitarbeitenden zu verdanken, so Dehoga-Landeschef Klein. Etwa 30 Prozent der Belegschaft käme inzwischen aus dem Ausland. Die Dehoga setzt vor allem auf Ausbildung von jungen Leuten und wirbt dafür unter anderem auch in Fernost. Hierbei beklagt Klein einen hohen bürokratischen Aufwand. Weil es im Ausland kaum eine vergleichbare duale Ausbildung gebe, könnten Fachkräfte von außerhalb der EU nicht dauerhaft nach Deutschland kommen und hier arbeiten. Ihre Abschlüsse würden nicht anerkannt - egal, wie gastfreundlich sie sind.
Man könne auch nicht für die Saison einfach Fachkräfte aus Indonesien oder Malaysia anheuern, wie es beispielsweise Kreuzfahrtunternehmen tun, deren Schiffe unter fremder Flagge fahren und die damit nicht dem europäischen beziehungsweise deutschen Arbeitsrecht unterliegen, hieß es.
Generell seien sächsische Gastronomen in der Regel einen Tag in der Woche nur mit Büroarbeit und Dokumentationen beschäftigt, so der Dehoga-Chef, der sich vor allem eins wünscht: mehr Wertschätzung für die Dienstleister, die dann arbeiteten, wenn sich ihre Gäste entspannen und frei haben - abends, am Wochenende und an Feiertagen.
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Der Nachmittag | 22. März 2024 | 17:40 Uhr
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