Soziale Medien Dresdner Influencerin macht Diabetes-Betroffenen Mut

21. November 2022, 18:19 Uhr

Mehrmals täglich spritzt sich Lyn Künstner Insulin – ihr Körper kann das lebenswichtige Hormon nicht selbst prozuzieren. Die Lebensfreude lässt sich die 31-Jährige davon nicht nehmen. Als Diabetes-Influencerin will sie im Internet über ihre Krankheit aufklären, Ängste nehmen und mit Vorurteilen aufräumen. Im Gespräch mit MDR SACHSEN erzählt Lyn Künstner, warum ihr das wichtig ist, wieso sie auch Fotos von sich mit süßen Waffeln postet und worauf sie beim Autofahren besonders achten muss.

Was genau machen Sie als "Diabetes-Influencerin"?

Ich bin auf der Online-Plattform Instagram aktiv unter dem Namen "lyn_k44". Dort setze ich mich auch für das Thema Diabetes ein. Ich versuche mich stark zu machen gegen Vorurteile gegen diese Krankheit, beziehungsweise Studien zum Thema Diabetes zu unterstützen, wie zum Beispiel am Studieninstitut in der Uniklinik in Dresden. Und ich versuche, diese Studien auch nach außen hin stärker zu verbreiten und die Menschen dazu zu animieren, auch dort quasi Unterstützung zu leisten.

Welche Vorurteile meinen Sie denn konkret?

Ich möchte, dass die Leute wissen: die Erkrankung Diabetes Typ 1 hat nichts damit zu tun, dass man zu viele Süßigkeiten gegessen hat oder zu dick ist. Mir ist auch ein Anliegen, zu verbreiten, dass die Krankheit nicht so schlimm ist und dass Betroffene die akzeptieren und nicht verstecken sollten. Ich poste auch Fotos von mir mit Süßigkeiten oder Waffeln. Denn solche Sachen DARF ich ja essen. Das war ja früher ganz anders. Aber, dass jemand sagt: "Mit deiner Krankheit geht das nicht", das ist uralt und so nicht mehr richtig.

Posten Sie auf Ihrem Instagramkanal auch, wenn es Ihnen mal nicht so gut geht?

Ja. Wenn es mir mal einen Tag schlecht geht oder irgendwas nicht so gut gelaufen ist, diskutiere ich da auch öffentlich darüber. Die Community kann da mit einsteigen und die Meinung zu sagen. Ich poste zum Beispiel auch Bilder, wo auch mal mein Sensor oder meine Insulinpumpe zu sehen ist. Mir geht es darum, mich nicht zu verstecken, sondern diese Krankheit öffentlich zu machen. Es ist ja nichts, wofür man sich schämen müsste.

Was wissen Sie über Ihre Fangemeinschaft?

Es gibt mittlerweile viele Leute, die Typ-1-Diabetes haben und die mir jetzt folgen. Im Durchschnitt sind die so zwischen 25 und 35 Jahre alt.

Wann und wie haben Sie von Ihrer Erkrankung erfahren und wie war das für Sie?

Ich war damals gerade 18 Jahre alt geworden. Das kam sehr schleichend. Ich erinnere mich noch, dass ich kurz vorher eine schwere Grippe hatte und danach nicht richtig gesund wurde. Ich war lange sehr müde und träge. Dann kamen die ersten Symptome, zum Beipspiel: schlimmer Durst. Also wirklich so, dass man in ein Geschäft hineinkam, nichts zu essen haben wollte, sondern einfach nur auf die Regale zugerannt ist, wo die Getränke standen, sich dort wirklich eine große Flasche genommen und draußen fast die ganze Flasche ausgetrunken hat. Und danach hatte ich immer noch Durst. Ich habe acht bis zehn Liter am Tag getrunken. Irgendwann bin ich zum Arzt gegangen. Der hat nicht lange gezögert, mir direkt in den Finger gestochen und meinen Blutzucker gemessen. Da hatte ich einen utopisch hohen Wert. Damit war dann sozusagen die Katze aus dem Sack.

Wie schränkt Diabetes Sie im Alltag ein?

Man kann gut damit leben. Die Technik ist gut geworden mittlerweile. Man muss sich zum Beispiel gar nicht mehr in den Finger stechen. Stattdessen trage ich einen Sensor am Oberarm. Der misst automatisch den Blutzucker. Das ist also schon viel einfacher geworden. Aber natürlich, muss ich auch viele Sachen beachten. Gerade beim Thema "Unterzuckerung". Wenn man zum Beispiel ins Auto steigt und losfahren möchte, ist immer die letzte Sache, bevor ich den Motor anstelle: Blutzucker kontrollieren! Ist er zu niedrig, darf ich ja nicht losfahren und kein Fahrzeug führen. Wer so einen Unfall baut, ist immer schuld. Egal, was passiert ist. Das sind so die Einschränkungen im Alltag. Man hat natürlich immer entweder den Insulin-Pen dabei oder die Insulinpumpe und muss sich natürlich auch unterwegs überall spritzen und überall korrigieren. Egal, wo man ist. Ich selber sehe das gar nicht mehr so als Einschränkung. Aber es gibt sicherlich Leute, die verstecken das vielleicht noch immer.

Wenn ich ins Auto steige, ist immer die letzte Sache, bevor ich den Motor anstelle: Blutzucker kontrollieren! Ist er zu niedrig, darf ich nicht losfahren. Wer so einen Unfall baut, ist immer schuld. Egal, was passiert ist.

Lyn Küstner Diabetes-Influencerin

Welche Tipps geben Sie Betroffenen, die ganz frisch eine Diabetes-Typ-1-Diagnose erhalten haben?

Also, auf gar keinen Fall den Kopf in den Sand stecken (lacht). Damit kommt man nicht weiter. Es gibt ja wirklich schlimmere Krankheiten als Diabetes. Es ist eine Krankheit, die gut erforscht und gut behandelbar ist – wenn man selbst mitspielt. Es hilft nichts, sich zu verstecken. Es ist ganz wichtig, jedem Bescheid zu geben: Freunden, Familie und auch bei der Arbeit. Es kann nämlich vorkommen, dass man bei einer extremen Unterzuckerung doch mal umfällt. Wenn derjenige, der dir gegenübersteht, nicht Bescheid weiß, ist das für die Person natürlich noch schlimmer als für einen selbst. Derjenige steht dann nämlich komplett ratlos da. Die wichtigste Sache ist: Reden, reden, reden.

Diabetes Typ 1 viel seltener als Typ 2 In Deutschland sind etwa 6,7 Millionen Menschen von Diabetes betroffen. Täglich kommen ungefähr 1.000 Neuerkrankungen hinzu. Circa 90 bis 95 Prozent davon sind an Typ-2-Diabetes erkrankt.

Typ-1-Diabetes wird durch einen absoluten Mangel des Hormons Insulin verursacht. Die Zellen in der Bauchspeicheldrüse, die das Hormon produzieren sollten, versagen. Typ-1-Diabetes beginnt meist im Kindes- und Jugendalter. Die Erkrankung ist bislang nicht heilbar. Patientinnen und Patienten müssen ihr ganzes Leben lang Insulin spritzen. Bundesgesundheitsministerium

MDR (kav/leo)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | MDR SACHSEN | 21. November 2022 | 10:45 Uhr

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