Nach schwerem Unfall Betreiber der Bobbahn in Altenberg reagieren auf Kritik an Sicherheitsbedingungen
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11. März 2024, 11:49 Uhr
Der schwere Bobunfall eines Schweizer Teams im WM-Training im Altenberger Eiskanal Mitte Februar hat Kritik zu den Sicherheitsvorkehrungen hervorgerufen. Nun hat sich der Bahnbetreiber erstmals zu den Vorwürfen geäußert.
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- Der Betreiber der Bobbahn in Altenberg spricht von einer Verkettung unglücklicher Umstände.
- Sachsens Innen- und Sportministerium hat den hohen Wert der Sicherheit für die Sportlerinnen und Sportler betont, sieht sich aber nicht zuständig.
- Nach dem schweren Unfall eines Schweizer Viererbobs in Altenberg hatten Fahrer und Schweizer Bobverband Kritik an der Sicherheit der Bahn in Altenberg geäußert.
Nach dem schweren Unfall eines Schweizer Viererbobs hat sich der Bahnbetreiber Wintersport Altenberg GmbH erstmals geäußert. Man sei von der Heftigkeit der Verletzungen sehr betroffen, heißt es in einem Statement an MDR SACHSEN.
Der Unfall sei eine Verkettung von unglücklichen Umständen gewesen, die seit Bestehen der Rennschlitten- und Bobbahn (RSBB) noch nie vorgekommen seien. Der Weltbobsportverband IBSF habe die Bahn abgenommen. Und man habe nach dessen Regularien gehandelt, hieß es. Man wünsche allen Verletzten weiterhin gute Genesung.
100-prozentige Sicherheit gibt es nicht
Es gebe leider keine hundertprozentige Sicherheit, so der Betreiber weiter. "Hier wird es leider immer wieder zu Stürzen kommen." Der Betreiber verwies darauf, dass man in den letzten Jahren bereits einige Verbesserungen für die Sicherheit der Athleten vorgenommen habe, darunter geführte Zwangseinfahrten in den Kurven elf und dreizehn.
Auf Unfälle habe man durch eine Herabsenkung der Abweiser in Kurve neun reagiert. Zudem sei am Altenberger Eiskanal eines der weltbesten Rettungssysteme installiert worden.
Eine hundertprozentige Sicherheit wird es leider nicht geben. Hier wird es leider immer wieder zu Stürzen kommen.
Der Vorsitzende des deutschen Bob- und Schlittenverbandes (BSD), Thomas Schwab, räumte im Gespräch mit MDR SACHSEN ein, dass es immer wieder Fälle von zurückrutschenden Bobs gegeben hat. Doch sei dabei nichts passiert. Nach den Unfällen in Altenberg, wo ein steiler Auslauf zurückrutschende Bobs beschleunige, wolle der Verband im Sommer ein Sicherheitssystem finden. Denkbar seien der Einsatz einer Stahlstange mit Haken oder von Sicherheitsnetzen, um zurückrutschende Schlitten abzubremsen.
Bobsport: Die gefährlichsten Rennschlitten- und Bobbahnen
Bobfahren ist seit 1924 eine olympische Disziplin. Bis zum Jahr 2023 wurden mehr als 40 tödliche Unfälle von Athletinnen und Athleten registriert. Das sind die gefährlichsten Bahnen nach der Anzahl der tödlichen Unfälle.
Oberhof: sieben Tote (1933, 1951, 1959, 1974, 1981), 2023 mit Luftreifen
St. Moritz: fünf Tote (1939, 1956, 1960, 1961, 1986)
Garmisch-Partenkirchen: vier Tote (1934, 1938, 1951, 1953)
Cortina d'Ampezzo: vier Tote (1955, 1966, 1969, 1981)
Igls: vier Tote (1935, 1964, 1980, 1982)
Königsee: drei Tote (1963, 1970, 2004)
Cervinia: drei Tote (1967, 1970, 1971)
Altenberg: zwei Tote (1989, 1990)
dpa
Innenministerium: Sicherheit der Athleten hat große Bedeutung
Das für den Sport im Freistaat zuständige sächsische Innenministerium (SMI) hat sich auf Anfrage von MDR SACHSEN auch zu den Vorwürfen geäußert. Die Sicherheit der Athletinnen und Athleten habe für die Behörde große Bedeutung, sagte eine Sprecherin des SMI.
Das Thema müsse aber vordergründig zwischen Bahneigentümer und den Nutzern, also hauptsächlich den nationalen und internationalen Verbänden, besprochen werden. Eigentümer der Bahn sei zudem der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge.
Schweizer Bobverband fordert konkrete Maßnahmen für mehr Sicherheit
Der Schweizer Bobverband Swiss Sliding hatte bereits nach dem Unfall vom Weltverband IBSF die Gründung einer Sicherheitskommission und die Einsetzung eines Sicherheits-Delegierten gefordert. "Es reicht uns nicht, wenn man uns beteuert, dass man sich darum kümmert", sagte Sepp Kubli, der Präsident von Swiss Sliding. Kubli schlug mit dem ehemaligen Weltklasse-Piloten, Materialexperten und TV-Experten Christian Reich eine in allen Bereichen kompetente Person vor.
Der Schweizer Bob-Pilot Michael Vogt, der eine schwere Gehirnerschütterung davontrug, ist der Ansicht, der Unfall hätte durch die Betreiber der Bahn verhindert werden können. Er habe das Gefühl, dass so etwas nicht passieren dürfe, dass ein Schlitten in der Bahn zurückrutscht, sagte Michael Vogt dem Schweizer Fernsehsender SRF.
Dies sei in der Vergangenheit in Altenberg auch schon geschehen, dennoch habe man nichts unternommen. Er wolle jedoch keine Schuldzuweisungen machen. Vogt musste dem Bericht zufolge wegen der Unfallfolgen mehrere Wettkämpfe absagen.
Ich habe das Gefühl, dass so etwas nicht passieren darf, dass ein Schlitten in der Bahn zurückrutscht. In Altenberg ist das in der Vergangenheit auch schon geschehen.
Was war passiert?
Anschieber Sandro Michel war am 13. Februar beim Auftakttraining im Viererbob für den Weltcup in Altenberg gestürzt. Dabei hatte er sich schwere Verletzungen im Brustkorb und Beckenbereich zugezogen. Nachdem er aus dem Schlitten herausgeschleudert worden war, wurde er von dem mit Crewmitgliedern besetzten, über 500 Kilo schweren Gefährt mit voller Wucht getroffen. Auch Johannes Lochner aus Berchtesgaden war im Viererbob in derselben Kurve gestürzt und wurde medizinisch untersucht.
Dank an Helfer und Familie
Der Bahnarzt sowie die per Hubschrauber herbeigeeilten Notärzte retteten Michel nicht nur das Bein, sondern vor allem das Leben. Sein Pilot Vogt wurde ebenfalls verletzt und musste ebenfalls die WM in Winterberg absagen. Aus einer Klinik in der Scweiz dankte Michel in einem Post unter anderen den "professionell und schnell vor Ort handelnden Nothelfern", den Ärzten, dem Schweizer Bobverband und seinem Team. Nach drei Operationen an der Uniklinik Dresden wurde er vor etwa einer Woche heimgeflogen, wie sein Verband mitteilte.
Wie geht es an der Bobbahn in Altenberg weiter?
Laut sächsischem Innenministerium wird zwischen Bund, Land und Bahneigentümer grundsätzlich gemeinsam entschieden, welche Maßnahmen umgesetzt werden. Auch in der Vergangenheit sei ein Augenmerk auf die Sicherheit gerichtet worden, etwa beim Umbau von Kurven. Sachsens Regierung hatte im Jahr 2022 beschlossen, die Sanierung des Eiskanals mit 2,61 Millionen Euro zu fördern. Damit sollte er zur Rennrodel-WM 2024 weiterhin internationalen Standards entsprechen.
Der Bahnbetreiber sagte MDR SACHSEN, man tausche sich jetzt zu Sicherheitsfragen intensiviert mit dem Weltbobsportverband IBSF aus. Auch müsse eine Diskussion über die Unfallursachen geführt werden. Hierzu gehörten die Ausbildung der Athleten, die Kufenbreite für eine bessere Lenkbarkeit oder die Haltesysteme in den Bobs, welche ein Herausfallen der Anschieber verhindern sollen.
MDR (wim/kav)/dpa
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 01. März 2024 | 19:00 Uhr