Rettungsschwimmer Hartenstein
Marvin Rothe ist Rettungsschwimmer und hält sich natürlich auch selbst mit Schwimmen fit. Bildrechte: MDR/Lars Müller

Porträt Rettungsschwimmer aus Leidenschaft: Marvin Rothe hilft im Freibad und am Strand

30. Juli 2024, 05:00 Uhr

Für diesen Sommertag sind 30 Grad Celsius angesagt. Über dem Freizeit- und Erlebnisbad Hartenstein im Landkreis Zwickau liegt noch angenehm kühle Morgenluft, als Marvin Rothe kurz vor 9 Uhr am Kassenhäuschen vorbeiläuft. Der 16-Jährige aus der nahen Ortschaft Zschocken kommt aber nicht zum Baden. Er hat Dienst. Als Rettungsschwimmer wird er die nächsten Stunden Schwimmmeister Robert Müller unterstützen. Der Jugendliche war aber auch schon am Meer im Einsatz.

Marvin Rothe aus Zschocken bei Hartenstein ist Rettungsschwimmer aus Leidenschaft und inzwischen im Besitz des Deutschen Rettungsschwimmer-Abzeichens in Gold, wie er sagt. Dabei gehört er eher zu den Spätberufenen bei den Rettungsschwimmern. Erst vor zwei Jahren ist er zur Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) in Zwickau gestoßen und hat von Anfang an viel Spaß am Training, das – wie er zugibt – auch ziemlich fordernd ist. Fitness, Kraft, Ausdauer, Willen und ein gutes Lungenvolumen fürs Tauchen sind Voraussetzung, um die Rettungsschwimmerausbildung erfolgreich zu meistern.

All das bringt der Gymnasiast vom Sandberg-Gymnasium in Wilkau-Haßlau mit. Er komme aus einer sportlichen Familie, sagt er und zwinkert seiner Mutter Susann Rothe zu, die Marvin an diesem Morgen mit dem Auto zum "Dienst" gefahren hat. Sie ist sichtlich stolz auf ihren Sohn und berichtet, dass inzwischen auch die sechs Jahre alte Tochter Melisa bei der DLRG trainiere.

Rettungsschwimmer Hartenstein
Der 16 Jahre alte Marvin Rothe weiß sich als Rettungsschwimmer im Freibad Respekt zu verschaffen. Sicherheit hat oberste Priorität, sagt er. Manche Jugendliche würden schon hin und wieder die Grenzen der Badeordnung austesten. Bildrechte: MDR/Lars Müller

Bis zur ersten Stufe des Rettungsschwimmerabzeichens braucht Marvins Schwester aber noch Geduld. Marvin erzählt: "Ich habe mich schon im Fußball, beim Breaken und im Leistungsschwimmen ausprobiert." Im Schulsport mag er besonders Leichtathletik. So richtig angekommen fühle er sich aber bei den Rettungsschwimmern. Einmal in der Woche geht es zum Training in die Schwimmhalle nach Zwickau. Die Eltern fördern das sportliche Engagement ihrer Kinder und halten als Taxi her, denn mit den Bussen geht im ländlichen Raum abends schnell nichts mehr.

Berufung: Anderen helfen, wenn nötig

Rettungsschwimmer im Hartensteiner Freibad ist Marvin Rothe schon seit vergangenem Sommer. Es ist mehr Ehrenamt und Berufung als Ferienjob, der Lohn gleiche eher einer Aufwandsentschädigung. "Mir macht es Spaß, wenn ich Leuten helfen kann", sagt der Jugendliche, während die ersten Badegäste eintreffen und ihre Bahnen im noch menschenleeren Schwimmerbecken ziehen oder den ersten Sprung – eine satte Arschbombe - vom Drei-Meter-Brett wagen.

Marvin Rothe hat das Schwimmer-, das Plansch- und das Springerbecken mit den zwei Sprungbrettern genau im Blick, während sein Schichtleiter Robert Müller einen kleinen Badegast mit einem Eisbeutel versorgt. Der Steppke ist kurz vorm Bad gestolpert und hat sich eine Beule geholt. Es seien vor allem die kleinen Dinge, um die sich Bademeister und Rettungsschwimmer meistens kümmern müssten, sagt Marvin Rothe – allen voran Insektenstiche.

Rettungsschwimmer Hartenstein
Vor dem Dienst legt Marvin Rothe auch gerne mal eine lockereTrainingseinheit ein. Als Badaufsicht muss er dann wieder am Beckenrand schwitzen. Bildrechte: MDR/Lars Müller

Schwimmmeister warnt vor Routine bei der Badaufsicht

Schwimmmeister Robert Müller, der  auch Ausbilder ist, hat in seiner Berufskarriere aber auch schon echte Ernstfälle erlebt und beispielsweise ein Kind gerettet, das nicht schwimmen konnte und dennoch im tiefen Wasser badete und eines, das im eigentlich gefahrlosen Planschbecken einen epileptischen Anfall – den ersten in seinem Leben und ausgerechnet im Schwimmbad – erlitten hat. Alles sei glimpflich abgegangen, dennoch habe der Schreck einige Zeit tief gesessen. "Es darf sich niemals Routine einstellen", sagt Robert Müller. Für einen Laien klingt es ziemlich schwierig, in sengender Sonne das Gewimmel im glitzernden Wasser der Schwimmbecken unter Kontrolle zu halten.

Rettungsschwimmer Hartenstein
Rettungsschwimmer Marvin Rothe und Schwimmmeister Robert Müller haben gemeinsam Aufsicht im Schwimmbad Hartenstein. Bildrechte: MDR/Lars Müller

Unsichere Badegäste besonders im Blick

Marvin Rothe sagt, dass er schon einen Blick dafür habe, wenn Badegäste eher unsichere Schwimmer seien. Sie behalte er besonders im Auge. Auch auf Kinder mit Schwimmflügeln oder anderen Auftriebshilfen schaue er ganz genau, selbst wenn diese nur im Nichtschwimmerbecken baden dürfen. Was Schwimmmeister und Rettungsschwimmer immer im Hinterkopf behalten – Badeunfälle passieren meist leise. Dass in Not Geratene laut rufen und mit den Armen vorm Untergehen wedeln, sei eher die Ausnahme. Um immer schnell helfen zu können, postieren sich die Rettungsschwimmer unter Sonnenschirmen direkt am Rand der Becken.

Traumjob: Baywatch an der Ostsee

Marvin Rothe und sein Kumpel Carl haben sich in diesem Jahr einen Traum in den Sommerferien erfüllt: Sie waren als Rettungsschwimmer zwei Wochen am Ostseestrand im Seebad Zempin bei Zinnowitz auf der Insel Usedom im Einsatz. Das sei schon etwas anderes als im Waldbad am Rande des Erzgebirges, sagt Marvin Rothe auf Nachfrage. Der weite Strand, das scheinbar unendliche Meer, die im Wasser schaukelnden Bojen zur Begrenzung des Badebereichs sowie Wind und Wellen verlangten von den jungen Rettungsschwimmern einiges ab.

Rettungsschwimmer Hartenstein
Baywatch Zempin Beach: Zwei Wochen war Marvin Rothe in den Sommerferien als Rettungsschwimmer an der Ostsee. Bildrechte: Privat

Die beiden Sachsen hatten typisches Ostsee-Wetter – eine Woche mit Regenschauern, Seenebel und nur wenigen Menschen, die sich ins immerhin knapp 20 Grad warme Wasser wagten, und dann noch eine Woche Traumwetter mit viel Sonne und Getümmel am Stand. Marvin Rothe möchte keine der beiden Wochen missen und schwärmt von der Gemeinschaft der Rettungsschwimmer, die alljährlich im Sommer überwiegend ehrenamtlich aus allen Teilen der Bundesrepublik an die Ostsee kommen und in ihrer Freizeit dort den Badebetrieb absichern. Im nächsten Jahr will er mit seinem Kumpel unbedingt wieder an die Küste.

Rettungsschwimmer Hartenstein
Der Job an der Ostseeküste unterscheidet sich von der Badaufsicht in Hartenstein. Bildrechte: Privat

Gymnasiast bleibt seinem Heimatbad treu

In diesem Jahr hat sich der Gymnasiast noch für einige Schichten in seinem Heimatbad in Hartenstein eingetragen. Hier schätzt er die entspannte Atmosphäre und die fairen Eintrittspreise, sagt er. So könnten Jugendliche, Senioren und Familien mit Kindern alle gemeinsam die Einrichtung nutzen. Hält der Sommer durch, ist das Bad bis Mitte September offen, verspricht Schwimmmeister Robert Müller. Marvin Rothe übrigens traut sich auch ins kalte Wasser: Einmal in jedem Winter ist er beim Eisbaden mit seinem Kameradinnen und Kameraden der DLRG am Start, sagt er.

DLRG: Mehr als 1.300 Rettungsschwimmabzeichen 2023 in Sachsen abgelegt

Im vergangenen Jahr wurden bei der DLRG in Sachsen insgesamt 1.321 Rettungsschwimmabzeichen abgelegt, wie der Verband auf Anfrage von MDR SACHSEN mitteilt. Die Abzeichen seien in allen drei Kategorien (381 Bronze, 861 Silber, 79 Gold) abgelegt worden. Am Stützpunkt von Marvin Rothe in Zwickau schafften 117 Rettungsschwimmerinnen und -schwimmer erfolgreich die Prüfung. Maßgeblich für den Einsatz als Rettungsschwimmer ist das Silber-Abzeichen, das zur Badeaufsicht berechtigt.

Bei der DLRG lernen nach Angaben eines Sprechers bundesweit jedes Jahr mehr als 100.000 Kinder das Schwimmen. "Mit fünf Jahren sind die meisten Kinder soweit, um mit der Anfängerschwimmausbildung zu starten." Mit zehn Jahren könnten Kinder das Abzeichen Juniorretter ablegen, hieß es. Dieses markiere den Einstieg in die Ausbildung zum Rettungsschwimmer.

DLRG-Rettungsschwimmer unterstützen Schwimmmeister

Bezogen auf das hauptamtliche Personal schätzt der Bundesverband der Schwimmmeister, dass bundesweit rund 2.500 Fachkräfte fehlen. Hinzu kämen fehlende Hilfskräfte für die reine Badeaufsicht, hieß es. Unterstützung gibt es deshalb von ehrenamtlichen Rettungschwimmern, die oft an wechselnden Tagen in ihrer Freizeit Dienste besetzen.

Die DLRG Sachsen zählte den Angaben zufolge 2023 rund 640 Rettungsschwimmer (2022: 535), die in 40 Schwimmbädern und an 18 Seen im Einsatz waren. Daneben nahmen auch Rettungsschwimmer aus Sachsen am Zentralen Wasserrettungsdienst an der Küste der DLRG teil. Dort wachen die Mitglieder des Verbandes von Anfang Mai bis Ende September an über 100 Badestellen an Nord- und Ostsee.

Mehr zum Thema

Bei einer Übung ruft eine Person im Wasser um Hilfe. 2 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Mehr aus Zwickau, Altenburg und Greiz

Mehr aus Sachsen