Dirk-Martin Christian, Präsident des Sächsischen Verfassungsschutzes, mit Mikrofon in einem Sessel bei einer Gesprächsrunde.
Fand sich am Freitagabend in Meerane in einer ungewöhnlichen Rolle wieder: der Präsident des sächsischen Verfassungsschutzes, Dirk-Martin Christian, beim Fragenbeantworten in der Turnhalle. Bildrechte: MDR/Thomas Friedrich

Nach Verwüstungen in Turnhalle Premiere: Verfassungsschutz-Chef stellt sich Fragen in Meerane

01. März 2025, 15:09 Uhr

Nicht nur in Meerane kommt es immer wieder zu rechtsextremistischen Schmierereien, zu Zerstörungen und Gewalt. Die Stadt hatte im Dezember gleich zwei solcher Vorfälle zu beklagen, bei denen eine Turnhalle beschädigt und mit Nazi-Symbolen verunstaltet wurde. Genau dort war der oberste sächsische Verfassungsschützer Dirk-Martin Christian zu Gast. Für ihn war die Publikumsrunde eine Premiere, denn sonst arbeiten die Verfassungsschützer auftragsgemäß eher im Verborgenen.

Zwei Monate nachdem unbekannte Täter die "Karl -Heinz Freiberger Turnhalle" in Meerane zwei Mal verwüstet und mit fremdenfeindlichen Symbolen beschmiert hatten, war am Freitag genau dort der Präsident des sächsischen Verfassungsschutzes zu Gast.

Dirk-Martin Christian, seit 2020 an der Spitze der Behörde, war bereits vor den Verwüstungen in Meerane zu einer Gesprächsrunde unter dem Titel "DIE DA OBEN kommen" eingeladen worden. Aufgrund der Ereignisse im Dezember war jedoch der Treffpunkt nun in die wieder hergerichtete Turnhalle verlegt worden.

Bürgermeister Schmeißer: Die Stadtgesellschaft ist erschüttert

Der Bürgermeister der Stadt Meerane, Jörg Schmeißer (CDU), hatte Christian nach Meerane eingeladen. Er wolle mit der Veranstaltung die Diskussion um demokratische Werte fortführen. "Es gab extremistische Bewegungen nach der Wende, auch 2015, als die große Flüchtlingswelle kam. Jetzt ging es aus heiterem Himmel im Herbst wieder los." Neben den Vorfällen in der Turnhalle seien auch das Rathaus, eine Ampel und Fahrzeuge mit fremdenfeindlichen Symbolen beschmiert worden.

Jörg Schmeißer, der Bürgermeister von Meerane.
Jörg Schmeißer, der Bürgermeister von Meerane, sieht, dass die Bürgerinnen und Bürger extremistische Bestrebungen verurteilen. Bildrechte: MDR/Thomas Friedrich

"Deswegen haben wir auch aufgerufen unter 'Meerane sagt nein zum Extremismus', und deswegen findet die Veranstaltung hier auch statt." Die Stadtgesellschaft sei erschüttert und fordere keine Toleranz gegenüber solchen Taten. "Alle vertreten die Meinung, dass so etwas nicht wieder passieren darf und wir als Gesellschaft alles dafür tun müssen, dass so etwas in Zukunft unterbleibt."

Vortrag über Gefährdung der Demokratie

Zum Auftakt sprach Dirk-Martin Christian über den Schutz der Demokratie, der im Gegensatz zur Weimarer Republik im Grundgesetz verankert ist. Er verwies darauf, das es von der "Machtübernahme" der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 nur acht Wochen gedauert habe, bis die demokratischen Institutionen aufgelöst worden seien.

Dirk-Martin Christian, Präsident des Sächsischen Verfassungsschutzes, mit Mikrofon in einem Sessel bei einer Gesprächsrunde.
Bei seinem Vortrag über die Demokratie schlug Christian (li.) weite geschichtliche Bögen und kam immer wieder aufs Heute zurück. Bildrechte: MDR/Thomas Friedrich

"Auch heute gibt es wieder Tendenzen zur Auflösung der Demokratie", sagte Christian. Gerade die Sozialen Medien würden von Extremisten dazu genutzt, um Desinformationen zu verbreiten und damit Gewöhnungseffekte zu erzielen. "Soziale Medien sind der Volksempfänger des 21. Jahrhunderts."

Soziale Medien sind der Volksempfänger des 21. Jahrhunderts.

Dirk-Martin Christian Präsident des sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz

Anschließend beantwortete der Verfassungsschützer Fragen aus dem Publikum. Warum es dem Verfassungsschutz nicht gelungen sei, extremistische Parteien zu verbieten, lautete eine davon. "Wir sind nicht für Verbote zuständig", klärte Christian auf. Seine Behörde sammele Erkenntnisse und gebe sie an die Öffentlichkeit. Es sei an jedem Einzelnen, sich für die Erhaltung der Demokratie einzusetzen. "Wir müssen mehr miteinander reden - auch über unsere Demokratie", sagte der Verfassungsschützer.

Wir müssen mehr miteinander reden - auch über unsere Demokratie.

Dirk-Martin Christian Präsident des sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz

Jungen Menschen engagieren sich in Meerane

Juliane Richter, die Koordinatorin der Partnerschaft für Demokratie in Meerane, engagiert sich in Meerane bei verschiedenen Demokratieprojekten. "Es ist sehr gut, wenn der Chef des Verfassungsschutzes sich an den Brennpunkt solcher Ereignisse begibt", findet sie.

Juliane Richter, Koordinatorin der "Partnerschaft für Demokratie" Meerane.
Juliane Richter, Koordinatorin der "Partnerschaft für Demokratie" Meerane findet, dass die Stadt sich gegen Rechtsextremismus zur Wehr setzt. Bildrechte: MDR/Thomas Friedrich

"In unserer Arbeit versuchen wir, politische Bildung mit kulturellen Angeboten zu verknüpfen, weil so die Veranstaltungen besser angenommen werden." So sei es leichter, die Menschen für solche Themen zu sensibilisieren. "In diesem Jahr erinnern wir an das Ende des Zweiten Weltkrieges vor 80 Jahren. Im vergangenen Jahr stand das Grundgesetz im Mittelpunkt."

Verfassungsschutz-Chef: In Meerane ließ man sich ausreden

"Es gehört nicht zu meinem Aufgabenportfolio, solche öffentlichen Auftritte zu bestreiten. Ich bin aber gern gekommen, weil mich das Thema interessiert: Ist unsere Demokratie gefährdet und was können wir tun als Bürger." Das Gesprächsformat sei sehr gut gewesen, man habe sich ausreden lassen und es habe sehr qualifizierte Fragen gegeben. "Ich habe an der Aufmerksamkeit der Zuhörer ablesen können, dass das Thema die Leute wirklich interessiert."

Demokratie lebe von der Vielfalt der Meinungen, davon, dass man sich respektiere und im Zweifelsfall Konflikte friedlich löse, sagte Christian abschließend.

Der Präsident des sächsischen Verfassungsschutzes, Dirk-Martin Christian (li), im Gespräch mit dem Meeraner Bürgermeister Jörg Schmeißer.
Dirk-Martin Christian, Präsident des Sächsischen Verfassungsschutzes, sprach am Rande der Veranstaltung auch mit dem Meeraner Bürgermeister Jörg Schmeißer. Bildrechte: MDR/Thomas Friedrich

MDR (tfr)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | SACHSENSPIEGEL | 01. März 2025 | 19:00 Uhr

Mehr aus Zwickau, Altenburg und Greiz

Roboter-Avatar auf einem Schultisch - ein elektronisches Gerät aus weißem Kunststoff mit glatter Oberfläche; es besteht aus 2 Teilen, von denen eines an einen Oberkörper, das andere entfernt an eine Kopfform erinnert. Leuchtdioden sollen Augen simulieren. 1 min
Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk
1 min 28.02.2025 | 19:00 Uhr

Das Gymnasium Zeulenroda hat einen Roboter-Avatar übergeben bekommen. Der Roboter überträgt Bild und Ton auf Tablets langzeiterkrankter Schüler, damit diese von zu Hause aus am Unterricht teilnehmen können.

MDR THÜRINGEN JOURNAL Fr 28.02.2025 19:00Uhr 00:29 min

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

Mehr aus Sachsen