Kulturhauptstadt Garage als Kulturort: "Wollbine" bringt Handarbeitsfans zusammen
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19. Juli 2024, 15:51 Uhr
Handarbeiten macht man meistens allein Zuhause auf der Couch. Doch in einer Gemeinschaft bereitet es gleich viel mehr Freude und man kann sich gegenseitig unterstützen. Aus diesem Grund hat eine Chemnitzerin ihre Garage zur "Wollgarage" umfunktioniert und lädt einmal im Monat Gleichgesinnte ein. Und damit ist sie nun auch Teil der Kulturhauptstadt 2025.
Zum dritten Mal treffen sich am Donnerstagnachmittag Wollbegeisterte in der Wollgarage im Chemnitzer Stadtteil Borna. Sie wollen hier zusammen filzen, häkeln, stricken, sich unterhalten, helfen und gegenseitig inspirieren. Dieses Mal haben sich sieben Frauen eingefunden, manche sind zum ersten Mal dabei, manche schon die "alten Hasen". Alle haben ihre eigenen Projekte und Materialien mitgebracht und wollen in geselliger Runde daran arbeiten.
Von der Filzwerkstatt im Haus zur Wollgarage
Angefangen hat alles mit der Filzwerkstatt von Sabine Hochmuth, genannt Wollbine, die sie sich 2006 in ihrem Haus eingerichtet hat. "Diese ist über die Jahre immer mehr gewachsen und zu einem richtigen Wollparadies für mich geworden", erzählt sie. Während der Corona-Pandemie sei dann ihr Mieter ausgezogen und die Garage auf dem Hof war auf einmal frei für eine andere Nutzung. Kurzerhand ließ Wollbine Fenster einbauen und nutzte die Garage für ihre Filzkurse. "Filzen im Freien ist immer sehr schwierig, weil die Wolle wegfliegt", sagt sie. Aber mit der Garage gab es einen offenen Raum und Abstand, aber genug Schutz vor Wind, um mit der Wolle zu arbeiten.
Stricken lernen im Pflegeheim
Gabi Elhadoui ist bereits zum dritten Mal in der Wollgarage und sprüht vor Begeisterung. Sie häkelt mit Leidenschaft und lässt sich durch die Gemeinschaft zu immer neuen Projekten inspirieren. Schon in der Schule hat sie Handarbeitstechniken gelernt, diese aber durch das Familienleben schleifen lassen. "Bei meinem Job im Pflegeheim sollte dann mit den alten Leuten gestrickt werden", erzählt sie. Da habe sie sich spontan freiwillig gemeldet. "Und dann haben mir die alten Leute das Stricken beigebracht." Danach hat sie ihre Häkelkenntnisse aus der Kindheit wieder aufgefrischt und seitdem nicht mehr aufgehört. "Jetzt kann ich kaum irgendwo vorbeigehen, ohne Wolle mitzunehmen", erzählt sie lachend. Die anderen Frauen nicken wissend, sie kennen das Phänomen.
Wollgarage als Teil der Kulturhauptstadt
Dieses Mal ist auch Agnieszka Kubicka-Dzieduszycka, Kuratorin des Kulturhauptstadtprojekts #3000Garagen, beim Treffen der Frauen dabei. Denn Hochmuths Wollgarage ist inzwischen ein offizieller Ort des Projekts. Als sie von dem Garagenprojekt der Kulturhauptstadt hörte, war ihr gleich klar, dass sie ein Teil davon sein will. "Im Stadtteil Borna ist es kulturell sehr klein", sagt Hochmuth. "Ich möchte gern Nachbarn einladen und teilen, was ich kann." Neben Filzen kann die Chemnitzerin auch ein bisschen häkeln und hat eine Leidenschaft fürs Sticken.
Als Beitrag zum Kulturhauptstadtjahr ist ein Wollprojekt mit der finnischen Künstlerin Kati Hyyppa geplant, erzählt Kubicka-Dzieduszycka. "Aus den verschiedenen Handarbeitstechniken und den Dingen, die hier in der Wollgarage hergestellt werden, soll dann ein gemeinsames Kunstwerk entstehen", sagt sie. "Der Ansatz ist zu zeigen, was in so einer kleinen Garage gedeihen und dann in die Welt gehen kann." Wie genau das Kunstwerk aussehen soll, verrät sie allerdings noch nicht. "Ursprünglich wollten wir im Januar zur Eröffnung starten, aber im Winter ist einfach keine Garagensaison." Deswegen gebe es schon jetzt an jedem dritten Donnerstag im Monat den Treff in der Wollgarage.
Einladung an alle Wollliebhaber
Eingeladen ist jeder, der Lust hat sich mit Wolle zu beschäftigen. Egal, welche Handarbeit und egal, welcher Kenntnisstand. "Es ist aber kein Kurs", stellt Hochmuth klar. Auch wenn sie gern helfe, solle es ein Geben und Nehmen bleiben. Verena Hopfer hat sich von Elhadouis Begeisterung anstecken lassen und ist zum ersten Mal dabei. "Ich kann weder häkeln noch stricken, aber ich finde es so entspannend mit hier zu sein", sagt sie. Früher hat sie Trockenfilzen gemacht und lässt sich nun vielleicht dazu inspirieren, wieder damit anzufangen.
Projekt Schaffell-Filzen
Filzen ist auch die große Leidenschaft von Claudia Fengler und gemeinsam mit Sabine Hochmuth wagt sie sich an diesem Nachmittag an ein neues Projekt. Sie haben sich jeweils die Wolle eines kompletten Schafs gekauft. Um daraus ein Schaffell ohne Leder zu kreieren, wollen sie einen Untergrund schaffen und die Wollocken vom Schaf einfilzen. "Dann braucht das Schaf nicht zu sterben und wir haben trotzdem das kuschelige Schaffell", sagt Fengler. Damit nichts schiefgeht, probieren sie das Projekt erst einmal im hier aus.
Interessiert beobachten die anderen Frauen das ehrgeizige Projekt. "Das ist auch so schön hier", sagt Elhadoui. "Man lernt immer etwas Neues und geht immer mit neuen Ideen nach Hause."
Projekt #3000Garagen
Das Projekt #3000Garagen versteht Garagenhöfe nicht nur als Abstellplätze für Autos, sondern als Gemeinschaftsorte, Kreativlabore, Freiräume, Kulturgut und Räume für Stadtentwicklung. Gemeinsam mit Chemnitzerinnen und Chemnitzern will das die persönlichen und kollektiven Geschichten sichtbar machen, die es rund um die Garagen und die Menschen gibt, die sie nutzen.
In allen Stadtteilen der Stadt Chemnitz zusammen befinden sich schätzungsweise 30.000 Garagen.
Quelle: Kulturhauptstadt Europas Chemnitz 2025 gGmbH
MDR (ali)