2. Chemnitzer Wollfest Häkeln, stricken, spinnen: Wollfans treffen sich in Chemnitz
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30. Juli 2023, 16:18 Uhr
Woll-Lust wohin das Auge blickt: Beim zweiten Chemnitzer Wollfest kommen alle Handarbeitsfans auf ihre Kosten. Ob spinnen, häkeln, stricken, weben - hier ist nicht nur für jeden Garnliebhaber etwas dabei. Doch auch Menschen mit wenig Nadel-Leidenschaft wurden gut unterhalten. Unter anderem von flauschigen Gästen.
Kurz nach 11 Uhr am Sonntag gibt es nahe dem Freizeitzentrum Glösa in Chemnitz kaum noch eine Parkmöglichkeit. Grund dafür ist das zweite Chemnitzer Wollfest, das auf dem Sportplatz stattfindet. Rund 30 Stände sind aufgebaut und bieten Wolle in allen Farben und Formen und vieles mehr – darunter auch erstmal skurril Wirkendes.
Entstanden ist die Idee zum Fest, weil das Leipziger Wollfest aufgrund von Corona viermal in Folge ausfiel, erzählt Mitorganisatorin Nici Hempel. "Wir waren einfach unterwollt", sagt sie. Wolle und alles was damit zu tun hat, ist ihr Hobby, das sie mit Leidenschaft ausübt. Egal ob spinnen, stricken, häkeln, weben - Nici Hempel liebt alles daran. "Es macht sehr schnell süchtig und tut unglaublich gut", sagt sie. Außerdem habe sie so immer schöne selbstgemachte Geschenke.
Socken aus Hundewolle stricken
Fred und Jeannine Ficker sind mit ihrem Hund Leo als Gäste auf dem Fest unterwegs. "Ich will gar nicht unbedingt was kaufen, aber ich tausche mich gern aus, vor allem über das Spinnen", erzählt Jeannine Ficker. Sie hat nämlich eine ganz besondere Wollquelle: Hund Leo. Der Leonberger wiegt 80 Kilogramm und ist ziemlich groß. "Im Winter hat er ungefähr doppelt so viel Fell wie jetzt", erzählt Ficker. Die Unterwolle, die sie ihm auskämmt, sammelt sie und verspinnt sie dann zu Wolle.
Anschließend strickt sie daraus Socken für Freunde und Familie. "Je nachdem wie kalt der Winter ist, entstehen jedes Jahr zwischen sechs und acht Paar Socken aus Leos Fell", sagt sie. Für Nici Hempel ist das nichts Ungewöhnliches. "Ich habe auch schon Wolle aus Hundefell gemacht", verrät sie. "Das ist übrigens die wärmste Wolle, die man bekommen kann." Eine Frau, die zufällig mithört, lacht. "Wenn ich überlege, was ich von meinem Hund jeden Tag so aufsammel', sollte ich das vielleicht auch nicht mehr wegschmeißen", überlegt sie.
Wie spinnt man Wolle?
Spinnen ist ein großes Thema auf dem Wollfest. An mehreren Ständen sind Spinnräder aufgebaut. Auch Nadja Poser erklärt gern, wie die Umwandlung von der Rohwolle in den feinen Faden funktioniert. Angefangen hat sie damit, als ein Kollege von ihr acht Säcke Wolle von seinen Schafen einfach wegschmeißen wollte. "Das erschien mir als Verschwendung", sagt sie. "Doch dann saß ich da und musste mir überlegen, was ich damit mache." So entschied sie sich, spinnen zu lernen.
Das Zeitaufwändigste sei, die Wolle zu waschen und von Schmutz zu säubern. Danach wird sie kardiert. Die Handkarden oder Karden bestehen aus Holz und haben einen nach außen gewölbten Rücken. Sie sehen ein bisschen wie Haarbürsten aus und auch der Vorgang hat etwas vom Kämmen. Die Wolle wird auf eine der Karden gelegt und dann wird mit der anderen darüber gestrichen. Durch diese Bewegung werden die Wollfasern in eine Richtung gelegt und die letzten Schmutzpartikelchen werden dabei auch beseitigt. Anschließend kann die Wolle gesponnen werden.
Poser führt sowohl das Kardieren als auch das Spinnen am Spinnrad auf dem Wollfest vor. "Die Koordination zwischen Hand und Fuß muss man lernen", erzählt Poser, die auch Kurse im Spinnen an der Volkshochschule Radebeul gibt. "Aber nach ein paar Stunden Übung bekommt man schon einen sehr gleichmäßigen Faden."
Mit Alpakas über das Wollfest wandern
Ein großer Anziehungspunkt für die Besucher und Besucherinnen sind die flauschigen Alpakas am Rande des Sportplatzes. Marco Schönherr von "Alpakas im Chemnitztal" bietet nicht nur Kurzwanderungen mit seinen Alpakas auf dem Wollfest an, sondern hat auch Wolle, Mützen, Seife und Bettdecken mitgebracht.
"Wenn wir die Alpakas scheren, bekommen wir drei verschiedene Wollqualitäten", erzählt er. Aus der ersten Wahl entstehen Wollknäule für Handarbeiten, die zweite Wahl wandert als Innenmaterial in Bettdecken und aus der dritten Wahl wird das Lanolin extrahiert, um daraus Seife herzustellen. An jeder Strickmütze am Stand ist der Name des Alpakas befestigt, das die Wolle dafür geliefert hat.
Handarbeiten aus dem 9. Jahrhundert
Zwischen verschiedenen Wollständen hat es sich die "Slawische Sippe Kamjenica" bequem gemacht. Die Gruppe will den Weg vom Schaffell bis zum fertigen Faden und alte Handarbeitstechniken wie Nadelbinden oder Fingerweben zeigen. Nadelbinden ist eine Technik, die mehr mit dem Nähen als mit dem Stricken verwandt ist. Im Prinzip wird einfach nur der Faden mit Hilfe einer Nadel mit sich selbst verschlungen.
Die Sippe beschäftigt sich aber nicht nur mit Wolle, sondern lebt am Wochenende als kleine Dorfgemeinschaft ohne Strom oder fließendes Wasser zusammen. "Wir wollen das authentische Dorfleben im 9. Jahrhundert darstellen", sagt Wappler.
Doppelt so viele Aussteller wie im Vorjahr
Im Vergleich zum ersten Wollfest hat es sich in diesem Jahr verdoppelt. Letztes Jahr waren 15 Aussteller dabei, in diesem Jahr sind es schon über 30. "Die meisten Aussteller sind aus der Gegend aber einer kommt aus Thüringen, eine aus München", sagt Hempel. Nach knapp zwei Stunden haben laut der Organisatoren bereits 350 Menschen das Wollfest besucht. "Wir sind sehr zufrieden", sagt Nici Hempel. "Die Stimmung auf dem Fest ist super."
MDR (ali)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | SACHSENSPIEGEL | 30. Juli 2023 | 19:00 Uhr