Lärmschutz Am Sachsenring scheiden sich die Geister
Hauptinhalt
28. Juli 2024, 07:00 Uhr
Motorrennsport ist nichts für Zartbesaitete: Die Rennen sind laut, lang und auch das Umfeld, die vielen Besucher und Events sind eher etwas für robuste Naturen. Dazu kommt, dass der Rennsport immer mehr Fans anzieht. Ob zu Renntagen oder um selbst einmal über die Piste zu fahren. Für viele Anwohner am Sachsenring ist inzwischen eine Grenze erreicht, die ihren Alltag extrem belastet.
Das Haus von René Holleritt steht etwa 500 Meter entfernt von der Sachsenring-Rennstrecke. "Und das merkt man jeden Tag. Von früh um neun bis abends um sieben dröhnen da drüben die Motoren", sagt der 53-Jährige und zeigt in Richtung der Rennstrecke. "Wenn der Wind ungünstig steht, können wir uns nicht einmal mehr auf der Terrasse unterhalten, so laut ist es."
"Hohenstein-Ernstthal ist ein rechtsfreier Raum"
Die drei Tage MotoGP im Jahr seien nicht das Problem, betont Holleritt. Am meisten raube das Fahrsicherheitszentrum den Anwohnern hier die Nerven. Denn das nutze die gesamte Woche die Rennpiste, bis auf Sonntag. Holleritt ist Mitglied in einer Bürgerinitiative gegen den Rennlärm. Doch bewirkt hat der nun schon mehr als 15 Jahre währende Kampf nichts. Beschwerden und E-Mails würden einfach abgeblockt: "Hohenstein-Ernstthal ist ein rechtsfreier Raum! Im Rathaus haben wir keine Lobby", kritisiert er.
"Lärm hat sich beständig gesteigert"
1999 kaufte Holleritt das Grundstück nördlich des Sachsenrings. Wenig später stand das neu gebaute Haus. Doch mit dem Umbau der Sachsenring-Nordschleife 2001 sei der Lärm immer belastender geworden. "Inzwischen bereue ich, dass wir hier gebaut haben. Aber verkaufen geht ja auch nicht. Wer will schon ein Haus in so einer Lage?"
Anwohner Raimo Weise ist noch näher dran an der Rennstrecke. "Ich wohne seit 1993 in der Ernst-Thälmann-Siedlung. Seither hat sich der Lärm jedes Jahr gesteigert. Teilweise geht das bis abends um 19 Uhr", klagt der Frührentner. Wegen des Rennlärms hat Weise sogar dreifach verglaste Fenster einbauen lassen. Er habe eine Eigentumswohnung. Wegziehen sei also keine Option.
Wer will schon ein Haus in so einer Lage?
"Der Krach vom Zeltplatz ist schlimmer"
Ein paar Meter weiter wohnt Doris Haase. "Ich bin vor einem Jahr hergezogen. Mir gefällt es." Mit dem Rennlärm habe sie kein Problem. "Ich wusste ja, dass der Sachsenring hier ist. Wenn man neben eine Kirche zieht, muss man ja auch mit dem Glockenläuten klarkommen." Es gibt aber etwas, was die gebürtige Schwäbin nervt: "Schlimm war der Lärm vom Zeltplatz auf dem Ankerberg während des MotoGP. Party bis früh um vier und Feuerwerk."
Wenn man neben eine Kirche zieht, muss man ja auch mit dem Glockenläuten klarkommen.
Fahrsicherheitszentrum hält Beschwerden für "substanzlos"
Mit Klagen über den Lärm von der Rennstrecke hat Ruben Zeltner seit Jahren zu tun. Der Chef des Fahrsicherheitszentrums Sachsenring bleibt dennoch entspannt: "Wir haben zwei bis drei Beschwerden im Monat. Doch die sind alle substanzlos. Wir haben noch nie den erlaubten Lärmpegel überschritten. Und wir haben immer die Betriebszeiten eingehalten", so Zeltner. Der Geräuschpegel werde permanent gemessen und protokolliert. Außerdem gebe es für bestimmte Fahrzeuge Zusatzschalldämpfer, damit die Werte auf der Rennstrecke eingehalten werden. "Und es gibt auch Autos und Motorräder, die wir auf der Black-List haben. Die dürfen hier überhaupt nicht fahren, weil sie zu laut sind."
Derzeit, so Zeltner, werde in einem besonders betroffenen Abschnitt der Rennstrecke, eine neue Lärmschutzwand errichtet. Das ist das Ergebnis eines Vergleichs vor Gericht mit dem BUND. Der hatte zu hohe Lärmpegel von Gutachtern nachweisen lassen und öäffentlich kritisiert. Weil der Verband keine Einigung mit dem Fahrtsicherheitszentrum erreichte, kam das Thema vor Gericht.
Wir haben noch nie den erlaubten Lärmpegel überschritten und immer die Betriebszeiten eingehalten.
Ohne Fahrsicherheitszentrum kein Grand Prix
Das Fahrsicherheitszentrum bietet Kurse für Auto- und Motorradfahrer an. Außerdem kann man auf dem Sachsenring als Sportfahrer mit seinem Auto Runden drehen. Laut Zeltner gibt es jährlich etwa 15.000 Buchungen für das Fahrsicherheitstraining und etwa 5.000 Sportfahrer. "Die meisten Leute hier in der Umgebung haben kein Problem mit der Rennstrecke - im Gegenteil sie sind stolz. Es gibt aber ein paar Anwohner, die wollen, dass hier gar nichts mehr fährt", meint Zeltner. Dann sei aber auch der MotoGP Geschichte, denn "ohne uns könnte die Rennstrecke gar nicht erhalten werden."
MDR (mwa)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Chemnitz | 18. Juli 2024 | 09:30 Uhr