Abschiebung "Unmenschlich": Bundestagsabgeordnete gegen Abschiebung vietnamesischer Familie
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24. Mai 2023, 19:07 Uhr
Die mögliche Abschiebung der in Chemnitz lebenden vietnamesischen Familie Pham/Nguyễn hat einige sächsische Bundestagsabgeordnete dazu bewogen, in einem Brief an Sachsens Innenminister Armin Schuster ein Überdenken der Entscheidung zu fordern. Sie wollen erreichen, dass die Familie dauerhaft in Deutschland bleiben kann.
- Der Bundestagsabgeordnete Kassem Taher Saleh will den sächsischen Innenminister Schuster dazu bewegen, der vietnamesischen Familie ein Bleiberecht zuzuerkennen.
- Weitere 15 Abgeordnete verschiedener Parteien unterstützen das Ansinnen.
- Die SPD-Abgeordnete Nadja Sthamer bezeichnet die mögliche Abschiebung als "inhuman" .
Im Fall der drohenden Abschiebung des vietnamesischen Ehepaares Pham Phi Son und Hoa Nguyễn und deren Tochter Emilia hat sich der Dresdner Bundestagsabgeordnete Kassem Taher Saleh (Bündnis 90/Grüne) an den sächsischen Innenminister Armin Schuster (CDU) gewandt. In einem Schreiben fordert er den Innenminister auf, "die Abschiebung der Familie nach allen ihm zustehenden Möglichkeiten abzuwenden und dafür Sorge zu tragen, dass die Familie in Chemnitz/Sachsen bleiben kann."
Kassem Taher Saleh erklärte dazu, dass er Armin Schuster an dessen Worte vom Februar 2023 erinnert, als der in einer Pressemitteilung die Entscheidung der Ausländerbehörde begrüßte, die Familie nicht abzuschieben. "Auch viele Chemnitzerinnen und Chemnitzer setzen sich dafür ein, dass die Familie in Chemnitz bleiben kann. Eine Familie auseinander zu reißen, ein in Deutschland geborenes Kind, das kurz vor der Einschulung steht, in ein ihm völlig unbekanntes Land abzuschieben, ist mehr als unmenschlich."
Der Fall Pham Phi Son
- Pham Phi Son kam 1987 als Vertragsarbeiter in die DDR. Seit dem Jahr 2011 hatte er eine unbefristete Niederlassungserlaubnis.
- Er heiratete 2015 in Vietnam. Seine Frau Hoa Nguyễn lebt seit 2016 in Deutschland, 2017 wird Tochter Emilia hier geboren.
- 2016 überschritt er mit einem neunmonatigen Aufenthalt in Vietnam die Frist für Auslandsaufenthalte. Diese beträgt nur sechs Monate. Er musste sich wegen einer Knieverletzung, die sich aufgrund des Klimas in Vietnam verschlimmert hatte, stationär in einem Krankenhaus behandeln lassen. Daraufhin entzog ihm die Chemnitzer Ausländerbehörde sämtliche Aufenthaltsrechte. Pham klagte dagegen, unterlag aber in einem Prozess.
- Zwei Mal (2018 und 2023) entschied die Härtefallkommission gegen Pham.
- Unterstützung erfährt die Familie seither durch den sächsischen Flüchtlingsrat. Eine Unterstützungs-Petition wurde bisher von mehr als 100.000 Menschen unterzeichnet und machte bundesweit Schlagzeilen.
Weitere 15 Abgeordnete unterstützen das Ansinnen
Neben Kassem Taher Saleh unterschrieben den Brief die sächsischen Bundestagsabgeordneten Paula Piechotta, Merle Spellerberg, Bernhard Herrmann (alle Bündnis 90/Die Grünen), Rasha Nasr, Holger Mann, Kathrin Michel, Carlos Kasper, Franziska Maschek, Fabian Funke und Nadja Sthamer (alle SPD), André Hahn, Caren Lay, Clara Bünger, Sören Pellmann (alle Die Linke).
Nadja Sthamer: "Das ist inhumaner Umgang"
Mitunterzeichnerin Nadja Sthamer, die Mitglied im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe im Bundestag ist, sagte MDR SACHSEN, dass der Fall noch einmal im sehr genau geprüft werden müsse. "Ich kann einfach nicht verstehen, dass es keine Einzelfallentscheidung gegeben hat, die der Familie das Bleiben ermöglichen kann."
Sie glaube, dass öffentlicher Druck noch einmal Schwung in die Sache bringen könnte. "Wir wollen, dass hier noch einmal ehrlich diskutiert wird und eine andere Lösung erreicht wird." Es könne nicht sein, dass in einer solchen Situation eine Familie auseinander gerissen werde. "Das ist auch mit den Kinderrechten nicht zu vereinbaren. Das ist ein inhumaner Umgang, den meine Kolleginnen, Kollegen und ich so nicht akzeptieren können.
Das ist ein inhumaner Umgang, den meine Kolleginnen, Kollegen und ich so nicht akzeptieren können.
Linken-Abgeordnete Nagel setzt sich auch für das Ehepaar ein
Die Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Die Linke) hatte den sächsischen Innenminister ebenfalls zum Handeln aufgerufen. Sie forderte ihn auf, eine Option des Aufenthaltsgesetzes zu nutzen, die es ihm erlaube, Pham Phi Son und seiner Familie eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Dies sei "in begründete Fällen" auch möglich, wenn ein nicht vom Gesetz vorgesehener Aufenthaltszweck vorliege, erklärte sie.
Das Innenministerium teilte auf Anfrage von MDR SACHSEN dazu mit, dass im vorliegenden Fall in einem Widerspruchsverfahren ein Aufenthalt aus humanitären Gründen angestrebt werde, so dass die (von Juliane Nagel geforderte - Anm. d. Red.) Ausnahmeregelung nicht greife.
Allerdings sei das Innenministerium genauso wie die kommunalen Ausländerbehörden an Recht und Gesetz gebunden. Es müsse daher die vom Aufenthaltsgesetz gezogenen Grenzen beachten und könne nicht von rechtlich zutreffenden Entscheidungen anderer Behörden willkürlich abweichen.
MDR (tfr/ali)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regoinalnachrichten aus dem Studio Chemnitz | 24. Mai 2023 | 05:30 Uhr