Trauma Kriegserlebnisse: Kunsttherapie hilft ukrainischen Kindern in Chemnitz

30. Juli 2023, 05:00 Uhr

Kunst kann dabei helfen, Ängste und Schmerzen auszudrücken. Diesen Umstand nutzt Viktoriia Karyzska-Katasonova um ukrainischen Kindern in Chemnitz dabei zu helfen, ihre Erlebnisse im Krieg zu verarbeiten.

Es ist Freitagnachmittag in einem Raum der katholischen Kirche St. Johannes Nepomuk in Chemnitz. Viktoriia Karyzska-Katasonova bereitet alles für ihren Kunstkurs vor. Seit Mai 2022 bietet sie einmal in der Woche ehrenamtlich eine Kunsttherapie für ukrainische Kinder an. "Ich wusste, dass ukrainische Kinder ein posttraumatisches Syndrom haben können und wollte helfen", erzählt die studierte Psychologin. Sie weiß aus eigenem Erleben, was Kinder durchmachen. Im März 2022 wird ihre Wohnung in der Ukraine bombardiert und so flüchtet sie mit ihrer Tochter nach Chemnitz.

Malerei ist ein Instrument, damit die Kinder ihren Schmerz ausdrücken können.

Viktoriia Karyzska-Katasonova

Einmal in der Woche kommen bis zu 15 Kinder in ihren Kurs, um zu malen und zu reden. Sie sind zwischen sechs und zwölf Jahre alt. "Malerei ist ein Instrument, damit die Kinder ihren Schmerz ausdrücken können", sagt Karyzska-Katasonova. Sie will die Kreativität der Kinder entwickeln und dadurch Ängste kanalisieren. Neben ihrem Master in Psychologie hat die Ukrainerin auch einen Bachelor-Abschluss in Kunst.

Schwarze Bilder voller Waffen nach der Flucht

Auch der sieben Jahre alte Sascha wird von seiner Mutter Nastja in den Kurs gebracht. "Das hilft ihm sehr", sagt sie. "Zuerst hat er nur Waffen und alles in schwarz gemalt." Inzwischen seien seine Bilder bunter und vielfältiger geworden. So hat Sascha zum Beispiel ein Porträt seiner Mutter gemalt, mit einem strahlend blauen Hintergrund.

Bei Kriegsbeginn seien sie erst in verschiedene Städte in der Ukraine geflüchtet, erzählt Nastja. "Nach zwei Wochen haben wir aber verstanden, dass der Krieg lange dauern wird." Zuerst fanden sie Zuflucht in Ungarn. Nachdem Nastja ein Jobangebot erhalten hatte, zogen sie schließlich nach Chemnitz. Dort arbeitet die Ukrainerin seit rund einem Jahr als Content Managerin bei einem IT-Unternehmen.

Verdrängte Ängste kommen zurück

Die elf Jahre alte Dascha musste schon zweimal in ihrem Leben vor dem Krieg flüchten: Zuerst 2014 vom Donbas ins Landesinnere und dann 2022 nach Deutschland. Die bunten Blumen, die auf ihrem Bild auf einem Tisch stehen, symbolisieren Hoffnung auf ein Ende des Krieges in der Ukraine, erzählt sie. Hinter dem Fenster auf dem Bild ist nur schwarz zu sehen. "Das ist die Dunkelheit, der Krieg", sagt sie leise. Der zehn Jahre alte Igor hat ein Bild seiner Familie gemalt. "Weil sie mir leid tun", sagt er. Ein Lächeln sucht man auf dem Bild vergeblich.

Viele der Kinder sind bereits seit rund einem Jahr in Deutschland. "Das ist das Problem", sagt Karyzska-Katasonova. "Es wird langsam ruhiger in ihrem Leben und verdrängte Ängste kommen zurück, die nicht verarbeitet wurden." Es gebe sehr viel Nachfrage nach Plätzen in ihrem Kurs. Doch mehr als 15 Kinder kann die Psychologin nicht aufnehmen. "Ich will mir auch für jedes Kind genug Zeit nehmen", sagt sie.

Viel Nachfrage nach Kunsttherapie

Neben Kindern gibt es auch Anfragen von Jugendlichen und Erwachsenen. Doch da sie den Kurs ehrenamtlich anbietet und auch die Materialien durch Spenden oder aus ihrer eigenen Tasche bezahlt werden, kann Karyzska-Katasonova nicht mehr anbieten. Sie selbst bekommt aktuell Sozialhilfe während sie Deutsch lernt. Ob sie danach in ihrem Beruf arbeiten kann, weiß sie noch nicht. Ein Jahr lang konnte sie für ihren Kurs einen Raum kostenfrei in der evangelischen Kirchgemeinde nutzen, aktuell bietet die katholische Kirche ihrem Angebot Obdach.

"Für die Kinder ist es wichtig, dass es dieses Angebot in ihrer Muttersprache gibt", sagt Karyzska-Katasonova. Dadurch könnten sie alles ausdrücken, was ihnen wichtig ist und nicht nur die Dinge, für die sie die deutschen Worte kennen. Trotz allem ist im Kunstkurs am Freitagnachmittag auch Gelächter zu hören. Die Kinder fühlen sich sichtbar wohl und freuen sich darauf, gemeinsam mit ihrer Viktoriia zu malen.

MDR (ali)

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