Junge Gesichter im Kunsthandwerk Ausbildung: Holzspielzeugmacher vermelden Rekord bei Lehrlingen
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20. November 2022, 10:29 Uhr
Die Schule für angehende Holzspielzeugmacher in Seiffen hat so viele Auszubildende wie seit Jahren nicht angenommen. Erstmals wurde eine zweite Klasse eröffnet. Die Gründe dafür liegen nicht nur im gestiegenen Interesse junger Leute, sondern auch im Umdenken der Betriebe. Eine Spurensuche.
- Die Ausbildung zum Holzspielzeugmacher ist in. Ausbildungsbetriebe erleben eine überdurchschnittliche Nachfrage junger Talente.
- An der Holzspielzeugmacher- und Drechslerschule in Seiffen werden Holzspielzeugmacher erstmals zweizügig ausgebildet.
- Der Verband Erzgebirgischer Kunsthandwerker und Spielzeughersteller sieht gute Jobchancen für den Nachwuchs. Die Betriebe müssten sich jetzt neu aufstellen, um künftigen Personalproblemen vorzubeugen.
Manches Glück kommt unverhofft, da kann man nichts Anderes tun, als zuzugreifen. Das hat zumindest die Familie Wagner getan, als in diesem Jahr gleich zwei Bewerbungen auf eine Lehrstelle ins Haus flatterten. Die Wagners sind der Kern der Drechslerei Volkmar Wagner in Riechberg, einem Ortsteil von Hainichen in Mittelsachsen.
Zwei talentierte Frauen klopfen per Bewerbung an Werkstatt-Tür an
"Wir sind ja nicht direkt im Erzgebirge ansässig, da ist es normalerweise nicht so leicht für uns, neue Leute zu finden", sagt Birgit Wagner. Zwar habe der Familienbetrieb mit immerhin 24 Mitarbeitenden auch in der Vergangenheit schon ausgebildet, aber nie mehr als eine angehende Holzspielzeugmacherin oder einen Holzspielzeugmacher auf einmal. Nun bewarben sich in diesem Jahr gleich zwei Frauen. Das Probearbeiten passte bei beiden. "Man merkt das meist gleich am ersten Tag, ob wer geeignet ist oder nicht. Es braucht ein Gespür für das Holz, ein Talent", sagt Birgit Wagner.
Man merkt das meist gleich am ersten Tag, ob wer geeignet ist oder nicht. Es braucht ein Gespür für das Holz, ein Talent.
Da die Geschäfte gerade gut laufen und weder Inflation noch Krise die Auftragsbücher schmälerten, beschlossen sie und ihr Mann, einfach beide zu nehmen. Und so dachten es wohl viele Ausbildende in diesem Jahr.
Schule in Seiffen läuft erstmals zweizügig
29 junge Frauen und Männer lernen derzeit an der Holzspielzeugmacher- und Drechslerschule in Seiffen die theoretischen Grundlagen ihres Handwerksberufes. Ihre Ausbildung verläuft dual, sprich: Sämtliche Azubis benötigen zuerst einen Praxispartner, also einen Handwerksbetrieb. Der schickt sie dann zur Berufsschule in Seiffen, der einzigen ihrer Art.
"Ich denke, dass die Inhaber der Betriebe rings um Seiffen erkannt haben, dass sie in Sachen Nachwuchs etwas tun müssen und daher mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt haben", vermutet Thomas Müller. Er ist der Leiter des Beruflichen Schulzentrums für Wirtschaft, Technik, Sozialwesen und Ernährung des Erzgebirgskreises und somit auch Chef der Seiffener Zweigstelle für Holzspielzeugmacher.
Ich denke, dass die Inhaber der Betriebe rings um Seiffen erkannt haben, dass sie in Sachen Nachwuchs etwas tun müssen und daher mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt haben.
"In den letzten Jahren gab es sowohl einen Anstieg der Ausbildungsbetriebe, aber auch der Bewerber", sagt der Schulleiter. Ihm sei zudem weitergeleitet worden, dass in diesem Jahr auch einfach sehr viele sehr gute Bewerberinnen und Bewerber dabei gewesen seien - auch so erklärt er die hohe Zahl an Schülerinnen und Schülern.
Die schlägt sich in diesem Jahr auch direkt sichtbar im Schulalltag nieder: Erstmals seit Jahren gibt es wieder zwei Berufsschulklassen. "Wir haben glücklicherweise vor Ort die Kapazitäten, auch was das Personal betrifft", sagt er.
Die Berufe des Holzspielzeugmachers und des Drechslers werden in Seiffen übrigens zusammen unterrichtet. Holzspielzeugmachende bekommen ein weites Handwerksspektrum vom Malen, übers Schnitzen hin zum Sägen beigebracht, während Drechsler vor allem die Kunst an der Drehbank zu arbeiten, en détail gelehrt bekommen.
Azubis schätzen die Verbindung von Handwerk und Kreativität
Eine von denen, die derzeit in Seiffen die Grundlagen des Kunsthandwerks lernt, ist Alida Biel. Für ihre Ausbildung zog sie extra von Rheinland-Pfalz in die Region. "Das Handwerk ist sehr vielfältig und künstlerisch. Ich habe ein Praktikum gemacht und mich sofort verliebt. Wir haben gemalt und geleimt und am Ende hatten wir einen verkaufsfertigen Engel in der Hand. Ich dachte mir damals: Das will ich machen", erzählt die 21-Jährige.
Auch ihr Klassenkamerad, der 17-jährige Lukas Schubert, hat den Schritt in die Ausbildung nicht bereut. Er arbeitete schon als Kind gerne mit Holz und macht nun das Hobby zum Beruf. "Für mich macht das Handwerkliche, in das das Kreative spielt, den Beruf aus", sagt er.
Ich habe ein Praktikum gemacht und mich sofort verliebt. Wir haben gemalt und geleimt und am Ende hatten wir einen verkaufsfertigen Engel in der Hand. Ich dachte mir damals: Das will ich machen.
Verband sieht Gründe auch im Marketing
Wenn die hiesigen Betriebe jetzt nicht intensiv ausbilden, dann bekommen sie in den kommenden Jahren große Probleme, weiß Frederic Günther. Er ist Geschäftsführer des Verbands Erzgebirgischer Kunsthandwerker und Spielzeughersteller, einer Interessenvertretung für die Kunsthandwerksbetriebe der Region. Günther unterstützt die Betriebe auch bei der Nachwuchsgewinnung, etwa durch Marketingaktionen und Messeauftritte.
Wie er erklärt, würden so mittlerweile auch immer mehr junge Menschen von außerhalb des Freistaates auf das Holzkunsthandwerk aufmerksam. "Etwa 25 Prozent aller Auszubildenden kommen von außerhalb Sachsens", sagt er - manche aus den alten Bundesländern.
Insgesamt sieht er das Interesse berechtigt, die Jobchancen stehen gut. "Jeder der gut ist, hat die Chance, übernommen zu werden", sagt er. Schließlich würden die meisten Betriebe vor allem nach Bedarf ausbilden, um ihre offenen oder durch Renteneintritt bald frei werdenden Stellen besetzen zu können.
Jeder der gut ist, hat die Chance, übernommen zu werden.
Birgit Wagner kann dem nur zustimmen. Auch sie würde sich freuen, wenn ihre Auszubildenden bleiben. Schließlich gibt es das Holzspielzeug schon sehr lange und wie in der Drechslerei Volkmar Wagner, benötigen viele Betriebe der Region Nachwuchs.
MDR (sho)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Tagesreport aus dem Studio Chemnitz | 15. November 2022 | 16:30 Uhr