Während einer Demonstration wird ein Schild mit der Aufschrift "Robert bleibt!" hochgehalten.
Demonstrantinnen und Demonstranten forderten bei Kundgebungen in Chemnitz und Dresden ein Bleiberecht für Robert A. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Flüchtlingspolitik Vorerst keine Abschiebung von Robert A.

16. Juli 2024, 17:53 Uhr

Die Ausländerbehörde in Chemnitz ist erneut in die Schlagzeilen geraten. Nach der versuchten Abschiebung einer vietnamesischen Familie vor einem Jahr sollte nun ein Mann nach Serbien abgeschoben werden. Das Problem: Robert A. lebt seit 30 Jahren in Chemnitz und ist weder in Serbien geboren noch spricht er die Landessprache. In letzter Minute hat nun das Sächsische Innenministerium die Abschiebung gestoppt.

Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) hat die Abschiebung eines Mannes aus Chemnitz gestoppt. Das Sächsische Innenministerium zitierte am Montagvormittag auf seiner Webseite den Innenminister mit den Worten: "Ich habe angeordnet, den Fall durch die Landesdirektion zu überprüfen." Der Sachverhalt werde in Abstimmung mit der Ausländerbehörde der Stadt Chemnitz untersucht.

Demo gegen Abschiebung von Robert in Chemnitz
Gegen die Abschiebung des staatenlosen Robert A. regt sich Protest. Bildrechte: Harry Härtel

Härtefallkommission soll entscheiden

Die Landesdirektion Sachsen prüft nach Angaben einer Sprecherin, ob an dem Abschiebevorhaben festgehalten wird oder ob die Abschiebung ganz abgesagt wird. Nach Angaben des Sächsischen Flüchtlingsrates wurde am Montagmorgen ein Antrag bei der Härtefallkommission eingereicht.

Armin Schuster (CDU), Innenminister von Sachsen nimmt in der Sächsischen Staatskanzlei an einer Pressekonferenz anlässlich der Vorstellung des Verfassungsschutzbericht 2023 teil.
Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) hat die Abschiebung von Robert A. gestoppt. Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Kahnert

Mann wohnt seit 30 Jahren in Chemnitz

Bei dem Fall geht es um Robert A., einen in den Niederlanden geborenen Mann. Nach Angaben des Flüchtlingsrates Sachsen waren seine Eltern 1993 vor dem Jugoslawien-Krieg geflohen. Robert A. wurde auf der Flucht in den Niederlanden unter anderem Namen geboren und besitzt keine Staatsangehörigkeit. Denn weder Serbien, das Geburtsland seiner Eltern, noch die Niederlande oder Deutschland haben ihn als Bürger ihrer Staaten anerkannt.

Festnahme bei Termin in der Ausländerbehörde

Nach Angaben der Chemnitzer Grünen-Chefin, Coretta Storz, wurde Robert A. am Freitag bei einem Termin in der Ausländerbehörde Chemnitz festgenommen. "Ich hatte ihn zu dem Termin begleitet. Dabei sollte es um die Anpassung seiner Daten gehen. Denn er hatte eine neue Geburtsurkunde aus den Niederlanden zugeschickt bekommen."

Robert ist Chemnitzer. Er ist als Baby nach Chemnitz gekommen, spricht perfekt Deutsch und hat hier die Schule besucht und einen Beruf gelernt.

Coretta Storz Kreis-Chefin Chemnitz von Bündnis 90/Die Grünen

Nach einem kurzen Gespräch mit einem Behördenmitarbeiter sei die Polizei angerückt und habe A. aufgefordert, mitzukommen. Dieser habe sich absolut kooperativ gezeigt. "Ich war überrascht und schockiert von dieser Vorgehensweise", sagte die Kommunalpolitikerin MDR SACHSEN. Später seien A. sogar Handschellen angelegt worden. Storz sagte, die Behörden hätten in Fällen wie diesem einen Ermessensspielraum. Der sei aber nicht genutzt worden.

Demo gegen Abschiebung von Robert in Chemnitz
Coretta Storz, Chefin des Chemnitzer Kreisverbandes von Bündnis90/Die Grünen, gehörte zu den Organisatoren der Demonstration gegen die Abschiebung von Robert A. Bildrechte: Harry Härtel

Demonstration gegen Abschiebung

Am Sonntagabend hatten der Sächsische Flüchtlingsrat und die Chemnitzer Grünen zu einer Demonstration gegen A.s Abschiebung aufgerufen. Etwa 200 Menschen versammelten sich vor der Chemnitzer Ausländerbehörde. Auf Transparenten forderten sie "Robert bleibt!".

Grünen-Politikerin Coretta Storz sagte "Robert ist Chemnitzer. Er ist als Baby nach Chemnitz gekommen, spricht perfekt Deutsch und hat hier die Schule besucht und einen Beruf gelernt." A. habe sich bei den Grünen engagiert und unter anderem beim Europawahlkampf mitgemacht. Die Kundgebungsteilnehmer riefen zu einer weiteren Demonstration in Dresden auf. Dort protestierten am Montagnachmittag nach Reporterangaben etwa 250 Menschen vor dem Sächsischen Innenministerium gegen den Umgang der Behörden mit Robert A.. Die Polizei konnte am Abend noch keine genaue Teilnehmerzahl nennen.

Bruder kritisiert Ausländerbehörde

Elvis Grisevic, der Bruder von Robert A., übte am Rand der Demonstration in Dresden Kritik an der Ausländerbehörde der Stadt Chemnitz. Demnach habe sich Robert A habe lange Zeit bemüht, seinen ausländerrechtlichen Status zu klären, sei aber von der Ausländer-und Staatsangehörigkeitsbehörde nicht beraten worden.

Die Stadt Chemnitz konnte aus Datenschutzgründen keine Antwort zu dem Sachverhalt geben. Dies sei nur möglich, wenn Robert A. die Stadt von ihrer Schweigepflicht entbinde, teilte der Stadtsprecher auf Anfrage von MDR SACHSEN mit.

Coretta Sturz: Er hat ein Recht, hier zu leben

Im Gespräch mit dem MDR verteidigte Coretta Storz ihre Unterstützung für Robert A.. Selbst wenn der staatenlose Chemnitzer mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt geraten sein sollte, rechtfertige das keine Abschiebung nach Serbien. Sie bezog sich dabei auf Medienberichte, wonach Robert A. unter anderem eine Bewährungsstrafe für den Handel mit Drogen erhalten haben soll.

"Ich hätte genauso agiert, hätte ich weitere Kenntnisse gehabt. Es geht darum, dass Robert ein faktischer Inländer ist. Das heißt, er lebt sein ganzes Leben lang hier und hat ein Anrecht darauf, entsprechend dieser Tatsache behandelt zu werden." Die Frage nach seiner Vorgeschichte mit den Straftaten ändere nichts an der Tatsache, dass er ein Recht habe, hier zu leben.

Arbeitsverbot trotz Berufsausbildung in Sachsen

Nachdem A. 2016 seine Berufsausbildung abgeschlossen hatte, bekam er laut Flüchtlingsrat zahlreiche Arbeitsangebote. Doch die Ausländerbehörde der Stadt Chemnitz habe es stets abgelehnt, ihm eine Arbeitserlaubnis auszustellen, da seine Staatsangehörigkeit nicht geklärt sei. Der Sächsische Flüchtlingsrat kritisiert die Behörden. Schon alleine die Tatsache, dass Robert A. sein Leben lang nur geduldet gewesen sei, sei rechtlich problematisch.

Ein junger blonder Mann mit roten Pullover sitzt vor einem Schreibtisch
Dave Schmidtke vom Sächsischen Flüchtlingsrat kritisiert, dass Robert A. abgeschoben werden sollte. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

30 Jahre in Deutschland müssen reichen, um diese unmenschliche Abschiebung zu stoppen und endlich eine aufenthaltsrechtliche Lösung im Fall zu finden.

Dave Schmidtke Sprecher des Sächsischen Flüchtlingsrates

"Wenn Kinder hier aufwachsen und ihre komplette Sozialisation hier stattfindet, dann sind sie auch ohne deutsche Staatsangehörigkeit faktische Inländer. 30 Jahre in Deutschland müssen reichen, um diese unmenschliche Abschiebung zu stoppen und endlich eine aufenthaltsrechtliche Lösung im Fall zu finden", sagte Dave Schmidtke vom Sächsischen Flüchtlingsrat.

MDR (mwa)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Chemnitz | 15. Juli 2024 | 10:30 Uhr

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