Naturschutz Auffangstation Görlitz: Finger weg von jungen Wildtieren!
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11. Juni 2023, 14:45 Uhr
Herzzerreißend niedlich und manchmal vielleicht auch hilflos wirken kleine Igel, Rehkitze, Waschbären oder Vogelküken. Doch die Tierbabys zum Aufpäppeln einfach mit nach Hause nehmen, kann dem Wildtiernachwuchs schaden. Dann lieber einsammeln und direkt zu einer Auffangstation mit dem wilden Winzling? Die Görlitzer Wildtierauffangstation weiß, was besser ist.
- Der Naturschutz-Tierpark Görlitz-Zgorzelec bittet Tierfreunde, vermeintlich verlassene Jungtiere nicht einzusammeln.
- Aufgepäppelt und dann? Wildtiere müssen wieder zurück in die Natur.
- Wenn ein wildes Tierkind hilflos scheint, helfen diese Tipps und Hintergrundwissen.
Das Telefon der Wildtierauffangstation klingelt zum x-ten Mal heute. "Bitte lassen Sie das Rehkitz dort, wo es ist, und entfernen Sie sich. Die Ricke ist in der Nähe und kehrt zu ihrem Kitz zurück, sobald sie sich ungestört fühlt", erklärt Manuela Kleemann, die verantwortliche Mitarbeiterin der Wildtierauffangstation des Görlitzer Tierparks. Solche und ähnliche Anfragen zu vermeintlich hilfsbedürftigen Rehen, Hasen, Waschbären, Füchsen, Vögeln und Co gehen derzeit vermehrt bei Wildtierauffangstation ein, denn Frühlingszeit ist Jungtierzeit. Über Anrufe freuen sich die Mitarbeiter, kann auf diese Weise doch aufklärt werden. Die Freude über kerngesunde Jungtiere, die aus Unwissenheit mitgenommen und in die Wildtierauffangstation gebracht werden, hält sich hingegen in Grenzen.
Um die 250 Tiere würden jährlich in die Auffangstation gebracht, sagt die Kuratorin der Station, Catrin Hammer, MDR SACHSEN. Die meisten Einlieferungen seien jedoch gar nicht notwendig gewesen.
Profi-Job: Wildtiere wieder auswildern
Wer sich unsicher ist, ob ein Tier Hilfe braucht, sollte lieber vorher anrufen und nachfragen. Das sei immer noch besser, als die Tiere einfach nach Hause zu nehmen. "Da kann viel schief gehen", sagt Catrin Hammer. Besser sei es, das Thema Leuten zu überlassen, die sich damit auskennen.
"Woran viele nicht denken, wenn sie auf die Idee kommen, ein junges Wildtier mit nach Hause nehmen: Sie müssen auch wieder ausgewildert werden", so die Tierschützerin. Denn wilde Tiere zuhause zu halten, verstoße gegen das Naturschutzgesetz. Doch bei der Auswilderung muss vieles beachtet werden: "Sonst überleben die Tiere nicht mal die erste Nacht und der ganze Aufwand war umsonst", warnt Catrin Hammer.
Was tun, wenn ein wildes Tierkind hilflos scheint?
Auch wenn ein Eingreifen des Menschen aus ethischer Sicht zwar verständlich ist, ist es meist nicht zum Besten des Tieres. Die beste Betreuung für junge Wildtiere kommt immer noch von den die eigenen Eltern. Aber wie erkennen hilfsbereite Tierfreunde, ob ein Jungtier tatsächlich in Not ist?
"In den meisten Fällen ist das nämlich nicht der Fall", sagt Manuela Kleemann. "Elterntiere halten sich nicht ständig bei ihren Jungen auf. Meist befinden sie sich jedoch in der unmittelbaren Umgebung. Nähert sich ein Mensch, wagen sie sich nicht zu ihrem Nachwuchs." Fühlen sich die Eltern ungestört, kehren sie auch wieder zurück.
Elterntiere halten sich nicht ständig bei ihren Jungen auf. Meist befinden sie sich jedoch in der unmittelbaren Umgebung. Nähert sich ein Mensch, wagen sie sich nicht zu ihrem Nachwuchs.
Wer sichergehen möchte, dass es dem Jungtier tatsächlich gut geht, kann nach einiger Zeit nachschauen, ob es sich noch immer an derselben Stelle befindet.
Fuchs- und Waschbärwelpen unternehmen übrigens schon relativ früh Ausflüge. Auch wenn sie sehr unbeholfen wirken, sind sie nicht verlassen. Die Mutter sammelt sie wieder ein.
Junge Hasen werden im Gegensatz zu Kaninchen nicht in einer Höhle geboren. Sie liegen versteckt in Feldfurchen oder unter niedriger Vegetation. Die Mutter kommt die Jungen nur zwei- bis dreimal täglich säugen. "Das ist auch eine völlig gute Überlebensstrategie", erklärt Catrin Hammer. "Normalerweise liegen die Jungtiere zusammengekuschelt auf dem Feld und bleiben unentdeckt vom Fuchs, da sie noch keinen starken Eigengeruch haben. Bei der Mutter ist das anders. Würde die dabei sitzen, käme der Fuchs sofort."
Besonders tragisch an der gutgemeinten Hilfe von Tierfreunden: Etwa 90 Prozent der Feldhasen, die von Menschenhand aufgepäppelt werden, sterben. "An Stress", wie Catrin Hammer sagt.
Wenn ganz junge Eichhörnchen aus ihrem Kobel fallen, schaffen die Eltern es oft, sie wieder nach oben zu tragen, weiß Catrin Hammer. Auch hier sei es besser, erstmal abzuwarten und die Situation zu beobachten. Anders als bei Feldhasen sei die Überlebensquote von Eichhörnchen jedoch deutlich größer, wenn sie von Menschen versorgt werden.
Rehkitze sind sogenannte Ablieger, die bei Gefahr nicht weglaufen, sondern sich ducken und bewegungslos verharren, bis die Gefahr vorüber ist. Fieptöne sind kein Anzeichen für eine aktuelle Qual des Tieres, sondern der Hilferuf an das Muttertier, da sich das Kitz durch die Anwesenheit von Menschen bedroht fühlt.
Im Wald, in Parks oder im Garten sitzen sie und fliegen nicht weg: junge Vögel, die schon ihr Nest verlassen, bevor sie richtig fliegen können. Das ist normal! Die Elternvögel füttern die auf dem Boden herumhüpfenden und bettelnden Jungen weiter. Gerade die wie Wollknäule anmutenden Eulenjungen, die sogenannten Ästlinge, werden häufig fälschlicherweise als "aus dem Nest gefallen" beurteilt und mitgenommen. Auch hier gilt: unbedingt am Fundort belassen.
Wer hier helfen möchte, sollte Hunde und vor allem Katzen von den Jungvögeln fernhalten.
Kontakt zur Wildtierauffangstation des Görlitzer Tierparks Unter der Nummer 0160 90 95 48 00 können hilfsbereite Tierfreunde, die sich unsicher sind oder um ein gefundenes Wildtier sorgen, anrufen und um Einschätzung der Situation bitten.
MDR (kav)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Dresden | 09. Juni 2023 | 10:30 Uhr