Weihnachtstradition Görlitz hat wieder ein schlesisches Christkindel

10. Dezember 2023, 12:38 Uhr

In Schlesien haben Christkindelmärkte eine lange Tradition. In der DDR geriet der Schlesische Christkindelmarkt zu Görlitz jedoch in Vergessenheit. Stattdessen gab es einen Weihnachtsmarkt, bei dem die Märchen der Gebrüder Grimm in den Mittelpunkt gestellt wurden. 1996 wurde die Tradition wiederbelebt und die Rolle des Christkindels war stets begehrt.

Erst 1996 wurde die Tradition des Schlesischen Christkindelmarktes wieder entdeckt. Seit dieser Zeit verkörpert ein Mädchen das Christkindel. In diesem Jahr aber erlebten die Görlitzer Organisatoren des Weihnachtsmarktes eine unangenehme Überraschung. Zum ersten Mal gab es keine Bewerberinnen als Christkindel. Bis kurz vor Beginn des Christkindelmarktes grübelten die Organisatoren deshalb bereits über einen Plan B.

Christkindel bringt die Geschenke

"Sollte man in Görlitz ganz auf das Christkindel verzichten oder könnte es vielleicht auch ein Knabe sein?" Diese Fragen stellte sich Gerd Weise vom Görlitzer Kulturservice als Cheforganisator mit seinem Team. Laut historischen Quellen muss nämlich das Christkindel in der mitteleuropäischen Weihnachtskultur nicht unbedingt weiblich sein.

Im Erzgebirge und im Vogtland wird das Christkind als "Bornkinnel" bezeichnet. Auf Bildern wird dort das geborene Kindlein als Jesusknabe dargestellt. In der Weihnachtszeit erscheint aber dann das weißgewandete blondgelockte Christkindel an der Seite von Knecht Rupprich und bringt die Geschenke. Ähnlich war und ist es auch in Schlesien.

Blonde Haare stehen für Reinheit

Das Schlesische Christkindel soll nicht nur den gleichnamigen Weihnachtsmarkt, sondern auch die Nächstenliebe präsentieren. Blonde Haare stehen in der Tradition für die Reinheit. Um doch noch ein Mädchen als Christkindel zu finden, bat der Görlitzer Kulturservice kurzfristig auch MDR SACHSEN um Hilfe. "Danach meldeten sich sechs oder sieben Bewerberinnen", erzählt Gerd Weise.

"Wir entschieden uns für Helene Göpp aus Görlitz." Die 14 Jahre alte Schülerin einer neunten Klasse war im vergangenen Jahr bereits als Lichtbogenträgerin beim Christkindelmarkt dabei und wird nun in diesem Jahr selbst zum Christkindel. "Helene füllt diese Aufgabe oder die Profession mit einer Würde wunderbar aus und das ist toll anzusehen", schwärmt Gerd Weise vom Kulturservice.

Jeden Tag auf der Bühne und auf dem Markt unterwegs

Weil die Schülerin einmal etwas Neues ausprobieren wollte und zudem Kinder mag, hat sie sich kurzfristig entschieden, die Rolle des Christkindels zu übernehmen. Jeden Tag eröffnet sie als Christkindel auf der Bühne den Weihnachtsmarkt. Beim ersten Mal, erzählt Helene, schlotterten ihr die Knie. Zum Glück konnte das unter ihrem weißen Mantel niemand sehen: "Ich hatte schon sehr großes Lampenfieber, aber jetzt geht es", lächelt die Schülerin.

Nach ihrem Bühnenauftritt schreitet das Christkindel täglich über den Markt und verteilt Süßigkeiten an Kinder: "Es ist so schön, zu sehen, wie sie sich freuen."

Aber nicht nur die Kinderaugen strahlen, wenn sie das Christkindel unter dem Lichterbogen sehen. Auch Erwachsene bitten oft um ein gemeinsames Foto. Nicht alle erkennen Helene als Christkindel.

Touristen bezeichnen sie gerne als Weihnachtsengel und da klärt die Schülerin die Besucher mit einem Lächeln über die Tradition in Görlitz auf. Zu ihrem Job sagt das Christkindel: "Es ist schon anstrengend mit der Schule alles unter einen Hut zu kriegen, aber es macht einen Riesenspaß."

Gemeinsam Weihnachtslieder singen

Auch ihren beiden Begleiterinnen macht es Spaß, als Lichtbogenträgerinnen das Christkindel zu unterstützen. Die drei Mädchen gehen in die gleiche Klasse im Augustum-Annen-Gymnasium. Gemeinsam singen sie auch mit den Kindern auf dem Markt Weihnachtslieder: "Meist 'Oh Tannenbaum' oder 'Schneeflöckchen'. Andere Lieder oder Weihnachtsgedichte kennt kaum noch ein Kind."

Auch deshalb wird das Christkindel mit seinen Begleiterinnen beim großen Görlitzer Adventssingen immer am Sonnabendnachmittag auf dem Untermarkt dabei sein.

Das Christkindel Helene steht sonst nicht in der Öffentlichkeit. Sie liest und zeichnet gern. Aber Helene Göpp überlegt bereits, ob sie im nächsten Jahr erneut die Rolle des Christkindels übernimmt. Gerd Weise als Cheforganisator setzt bereits darauf: "Wenn wir sehen, wie sie Kinder und Erwachsene gleichermaßen begeistert, hoffen wir, Helene im nächsten Jahr wieder begrüßen zu können."

MDR (uwa)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Bautzen | 08. Dezember 2023 | 16:30 Uhr

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