Fachkräftemangel Job-Dating in Niesky: Auf der Suche nach dem perfekten Match

18. März 2023, 05:00 Uhr

Geflüchtete aus der Ukraine suchen in der Oberlausitz Arbeit. Gleichzeitig fehlen Oberlausitzer Unternehmen die Fachkräfte. Diese Situation hat die Stadt Niesky veranlasst, ein neues Format der Jobbörse auszuprobieren.

Männer und Frauen laufen von Tisch zu Tisch, lesen Angebote, geben Bewerbungen ab und fragen nach den Anforderungen. Auf den Tischen stehen gelbe Aufsteller mit Firmennamen, sind Stellengesuche in Deutsch, Englisch und Russisch formuliert. Hier und da müssen Übersetzer helfen. Die Stadtverwaltung von Niesky hat am Donnerstagnachmittag zum Job-Dating eingeladen. Das richtet sich an Menschen aus dem Ausland und gezielt an ukrainische Kriegsgeflüchtete, weil sie direkt nach ihrer Registrierung in Deutschland arbeiten dürfen.

Unbürokratisches Kennenlernen

Initiiert hat das Format Nieskys Oberbürgermeisterin Kathrin Uhlemann (parteilos). Sie wolle Arbeitssuchende mit Migrationshintergrund und Firmen mit Fachkräftebedarf zusammenbringen, erklärt sie. Der Vorteil in einer kleinen Kommune sei, dass man die Unternehmen kenne, die Mitarbeiter suchen und dass "ein Treffen auf Zuruf" möglich ist. Uhlemann ist davon überzeugt, dass Kommunen etwas gegen den Fachkräftemangel machen können. "Das Ganze ist ein Experiment und vielleicht funktioniert es auf die Art schneller."

Das Ganze ist ein Experiment und vielleicht funktioniert es auf diese Art schneller.

Kathrin Uhlemann Oberbürgermeisterin von Niesky

Für Geflüchtete aus der Ukraine ist Sprache die einzige Hürde

Etwa 50 Leute sind gekommen, mehrheitlich Ukrainerinnen und Ukrainer. Unter ihnen ist auch das Ehepaar Maksym und Alona Us, die dringend in Niesky Arbeit suchen. Ihre Heimatstadt Lyman im Osten der Ukraine ist kriegszerstört. Sie war vor dem Krieg ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt. "Zuletzt habe ich als Ingenieur bei der Eisenbahn gearbeitet", sagt der 37 Jahre alte Maksym Us. Seine Frau war im Handel tätig. Derzeit lernen beide Deutsch, um in einen Job zu kommen.

Zuletzt habe ich als Ingenieur bei der Eisenbahn gearbeitet.

Maksym Us arbeitssuchend

Kateryna Kurochkina war in Lyman Köchin. Auch in Niesky konnte sie kurzzeitig als Köchin arbeiten, erzählt sie. In dieser Richtung sucht sie wieder eine Arbeit. Auch sie ist gerade dabei, ihr Deutsch zu verbessern. Vor allem die Sprache ist noch die Hürde. Beim Jobdating verläuft die Kommunikation mit einem Mix aus deutschen Brocken, Schulenglisch und Russisch. Manchmal muss eine Handy-App helfen.

Ohne Berufserfahrung sind Jobchancen geringer

Verständigungsschwierigkeiten hat das Ehepaar Priti und Munish Patel aus Indien weniger. Die beiden leben mit ihren zwei Kindern bereits seit sieben Jahren in Löbau. Erst seit einigen Monaten haben sie eine Arbeitserlaubnis und suchen eine Anstellung, zum Beispiel im Bereich Lager und Logistik.

Ich habe sehr viele Bewerbungen geschrieben, aber alle wollen Erfahrung.

Priti Patel arbeitssuchend

"Ich habe sehr viele Bewerbungen geschrieben, aber alle wollen Erfahrung. Doch wenn ich nicht arbeiten kann, wie soll ich dann Erfahrung haben", beschreibt die 35 Jahre alte Inderin das Dilemma. Bisher konnte sie ein Praktikum in einem Pflegeheim machen. Auch ihr Mann hatte noch keinen Erfolg bei der Arbeitssuche. "Ich habe noch keinen Führerschein, aber man muss es versuchen", sagt der 42-Jährige, der in Indien als Tischler gearbeitet hatte.

Arbeit in der Pflege erfordert staatlich anerkannte Ausbildung

Ähnlich wie bei einem privaten Date, ging es bei der Veranstaltung in Niesky darum, potentielle Treffer zu finden. So ging die Personalerin des Pflege-Unternehmens Kunze, Joanna Rynkiewicz, nicht mit unterschriebenen Arbeitsverträgen, wohl aber mit zwei Bewerbungen aus dem Schulhaus. Die Kunze GmbH beschäftige bereits Ukrainerinnen, als Reinigungskräfte in Weißwasser, berichtet die 33-Jährige. Auch Pflegehilfskräfte würden immer wieder gebraucht.

Für die Arbeit als Pflegefachkraft sei jedoch eine staatlich anerkannte Ausbildung erforderlich. Weil Abschlüsse aus Staaten außerhalb der EU nicht automatisch anerkannt werden, müssten Ausbildungsunterschiede in Kursen nachgeholt werden, so Rynkiewicz. Die dauerten mal gut ein Jahr.

Man sollte nicht nur auf das Bleiberecht gucken, wenn jemand ganz normal seine Arbeit macht und Steuern zahlt.

Joanna Rynkiewicz Kunze Pflege

Personalchefin verlangt Umdenken bei Bürokraten

Laut Rynkiewicz müssen sich Unternehmen immer wieder die Frage stellen, ob sich die Investition lohnt, wenn sie Fachkräfte aus dem Ausland einarbeiten. "Das ist das Traurige." So habe die Pflegefirma seit einigen Jahren einen tollen Mitarbeiter aus Albanien bei sich im Team. "Er hat einen unbefristeten Arbeitsvertrag, doch nun droht seine Arbeitserlaubnis zu erlöschen. Ich als Arbeitgeber sage: Lasst ihn doch in Ruhe! Man sollte nicht nur auf das Bleiberecht gucken, wenn jemand ganz normal seine Arbeit macht und Steuern zahlt", findet die Personalleiterin.

Toralph Kosian hat als Unterstützung für das Nähstübchen seiner Frau einen Maßschneider oder eine Maßschneiderin gesucht. Weil die Aufträge für eine Anstellung im Geschäft nicht reichen, brauche man jemanden, der sich selbstständig machen will und selbst ein Gewerbe anmeldet, erklärt der Nieskyer. Ein Treffer hier bei der Veranstaltung wäre wie ein Sechser im Lotto gewesen. "Aber es war ein Versuch. Wenn man nichts tut, passiert auch nichts", meint der 58-Jährige.

MDR (ama)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Bautzen | 16. März 2023 | 07:30 Uhr

Mehr aus Görlitz, Weisswasser und Zittau

Mehr aus Sachsen