Görlitz Familie wehrt sich gegen Kiesabbau am Berzdorfer See
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23. Januar 2024, 10:35 Uhr
In der sächsischen Bauindustrie stöhnt der Unternehmerverband über einen Genehmigungsstau beim Kiesabbau. Es sei wegen vieler Auflagen langwierig, beim Oberbergamt eine Genehmigung zu erhalten. Ein Fall in Görlitz ist das genaue Gegenteil. Hier hat das Amt vor einem Jahr mit der Verlängerung einer Abbaugenehmigung kurzerhand Tatsachen geschaffen - zum großen Ärger der direkten Nachbarn.
- Eine Familie mit einem Reiterhof wehrt sich gegen den verlängerten Kiesabbau.
- Das Oberbergamt schließt befürchtete Rutschungen aus.
- Eine Petition und eine Klage gegen die Abbauverlängerung laufen.
Der Kinderreiterhof "Ranch am See" in Görlitz-Hagenwerder liegt idyllisch wenige Schritte vom Berzdorfer See entfernt. Noch näher zum Pferdehof und Wohnhaus der Familie Thiel liegt aber auf der anderen Seite - eingerahmt von der B99 und dem Oder-Neiße-Radweg - eine Kiesgrube. Die schickt Abbaulärm und an trockenen Tagen Staub über den Hof.
Kiesabbau ursprünglich auf zwei Jahre befristet
Zwei Jahre lang habe die Heim-Gruppe hier Kies aus dem Boden holen wollen, berichtet die Besitzerin des Reiterhofs Marianne Thiel. Damit hätte man sich arrangiert. Doch vor einem Jahr sei der Betriebsplan vom Oberbergamt verlängert worden. Hier, wo sich doch am Berzdorfer See der Tourismus entwickeln soll.
Marianne Thiel ist beunruhigt und fühlt sich vor den Kopf gestoßen. Aus mehreren Gründen: Die Entscheidung für den Kiesabbau berufe sich auf Umweltunterlagen aus dem Jahr 2010. "Seitdem hat sich am See sehr viel verändert." Die Verlängerung des Abbaus sei ohne Beteiligung der Öffentlichkeit erlassen worden. Die Kiesfirma antworte nicht mehr auf die Fragen der Familie, obwohl man anfangs miteinander noch über die Renaturierung der Grube gesprochen hatte.
Thiel befürchtet eine Salamitaktik, dass in Hagenwerder scheibchenweise der Abbau weiter und weiter geht. Sie beobachtete außerdem, wie im Herbst am Grubenrand zur Bundesstraße B99, die Abbruchkante wegrutschte. "Wir haben Bedenken, dass, wenn der Abbau jetzt in Grundwasser geht, es die Erdmassen in Bewegung bringt." Ihr Mann Alexander Thiel nickt.
Keine Antwort vom Unternehmen, aber vom Oberbergamt
Mehrmals fragt MDR SACHSEN bei der Heim-Gruppe zu den Abbauplänen an, ohne Erfolg. Dafür lieferte das Oberbergamt (OBA) eine umfängliche Erklärung der Situation. Befürchtungen wegen der Standsicherheit seien unnötig, so OBA-Sprecher Bernhard Cramer. Die Grube befinde sich auf natürlich gewachsenem Grund und auf keinem rutschungsgefährdeten Kippenboden. Der Aushub wirke sich auch in tieferen Schichten nicht auf den Berzdorfer See und die Uferlage aus. "Die Randböschungen des benachbarten Restloches des ehemaligen Braunkohletagebaues Berzdorf wurden so gestaltet, dass sie auch nach der Flutung standsicher sind."
Der Kiessandtagebau Berzdorf-Ost ist mit einer geplanten Abbaufläche von etwa fünf Hektar und einer geplanten Tiefe von rund 13 Meter laut OBA eine nur sehr kleine Abbaustätte. "Trotzdem müssen auch dessen Böschungen standsicher angelegt werden." Das werde vom Oberbergamt überwacht, so Cramer. Fazit: "Der Kiesabbau im zugelassenen Umfang stellt keine geotechnische Gefährdung für die Nachbarschaft dar."
Der Kiesabbau stellt keine geotechnische Gefährdung für die Nachbarschaft dar.
Das OBA habe die bis Januar 2023 befristete Kiesgewinnung um zwei Jahre verlängert, weil der Abbau aus Artenschutzgründen und wegen archäologischer Untersuchungen "erheblich später als vorgesehen" begann. "Im Anschluss an die Gewinnung erfolgt die Wiedernutzbarmachung. Dabei soll das temporär freigelegte Grundwasser wieder bis über den Grundwasserstand verfüllt werden."
Petition gestartet, Klage eingereicht
Familie Thiel hat inzwischen eine Online-Petition gestartet und fordert darin, den Kiesabbau am Naherholungsgebiet Berzdorfer See zu stoppen. Beziehungsweise sollte ihrer Ansicht das ganze Verfahren noch einmal geprüft werden. "Nach der Akteneinsicht, die wir haben, fehlen viele Genehmigungen", so Marianne Thiel. "Unsere Sorge ist, dass unser Wohnhaus und die Straße nebenan gefährdet werden."
Nach der Akteneinsicht, die wir haben, fehlen viele Genehmigungen.
Im Herbst ist Familie Thiel deshalb vor Gericht gezogen: Seit Ende Oktober läuft ein Verfahren gegen das OBA am Verwaltungsgericht in Dresden. "Eine zeitnahe Entscheidung durch das Verwaltungsgericht Dresden ist denkbar und wird angestrebt", so ein Gerichtssprecher auf Nachfrage von MDR SACHSEN.
Stadtratsfraktion hakt bei Oberbürgermeister nach
Hat sich die Stadt Görlitz bezüglich der Abbauverlängerung vom Oberbergamt "ein bissel hinter die Fichte führen lassen?", wie es der Stadtrat Mike Altmann von der Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne ausdrückt. Die Fraktion stellte eine Anfrage zum Sachverhalt. Daraufhin habe sich die Stadtspitze ans OBA gewendet und Aufklärung gefordert, berichtet Altmann, der mit seiner Fraktion die Antwort abwartet. Kein Mensch wüsste, auf welcher Grundlage die Abbaugenehmigung so schnell verlängern werden konnte, sagt der Stadtrat. "Hier hätten die Träger der öffentlichen Belange vorher gefragt werden müssen."
Die Stadt Görlitz äußert sich derzeit zu dem laufenden Verfahren auf Nachfrage von MDR SACHSEN nicht.
MDR
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL | 23. Januar 2024 | 06:20 Uhr
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