Modernisierung Ab 2026 sollen Züge elektrisch bis Görlitz fahren - aber nur aus Polen
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30. Juli 2024, 10:30 Uhr
Erstmals seit 1946 sollen in Görlitz wieder elektrisch betriebene Züge fahren. Die Stromsysteme der Eisenbahn in Polen und Deutschland sind aber unterschiedlich und nicht einfach kompatibel. Dafür sollen Lösungen gefunden werden. Dabei war die Stadt Görlitz vom damaligen Schlesien schon einmal an die Oberleitung angeschlossen.
- Laut Bahn soll der Bahnhof Görlitz teilelektrifiziert werden.
- Zwischen 1923 und 1946 war die Neißestadt vom damaligen Schlesien her schon einmal an die Oberleitung der Eisenbahn angeschlossen.
- Der Fahrgastverband befürchtet fehlende Barrierefreiheit.
Im Bahnhof Görlitz sollen ab 2026 wieder Züge mit Elektroantrieb unter Oberleitung fahren können. Die Deutsche Bahn AG teilte auf Anfrage von MDR SACHSEN mit, ab Sommer kommenden Jahres sollen die Bauarbeiten dafür beginnen. Ziel sei es, dass zunächst Züge elektrisch und auf zwei Gleisen über die Staatsgrenze zwischen Deutschland und Polen rollen. Aktuell hat die polnische Bahn PKP die Oberleitung bereits bis etwa zur Mitte der Neißebrücke installiert.
Bahn spricht von "Teilelektrifizierung mit polnischem Gleichstrom"
So werde es bis Ende 2026 zunächst eine Teilelektrifizierung mit polnischem Gleichstrom im Bahnhof Görlitz geben, hieß es von der Bahn. Die übrigen Gleise im Bahnhof Görlitz sollen dann mit dem deutschen Wechselstromsystem ausgestattet werden. Die Trennstelle zwischen beiden System werde "in diesem Zusammenhang zu einem späteren Zeitpunkt geplant". Aufgrund der geringen Abstände sei "davon auszugehen, dass sich die Trennung im Bahnhof Görlitz befinden dürfte".
Moderne Loks und Triebwagen sind je nach Baureihe mehrsystemfähig und können an den Trennstellen auf die jeweils angrenzenden Stromsysteme umschalten. Das wird beispielsweise auf den Strecken Berlin - Warschau oder Dresden - Prag sowie auf der Güterzugmagistrale Horka - Węgliniec (Kohlfurt) längst praktiziert. Aktuell können zwischen Görlitz und Zgorzelec sowie weiter nach Jelenia Góra (Hirschberg) oder Zielona Gora (Grünberg) nur Dieseltriebwagen fahren. Zudem fahren derzeit Trilex-Züge von Dresden bis Zgorzelec, die bis zur Fertigstellung der Oberleitung auf polnischer Seite noch direkt bis Breslau fuhren, was den Reisenden umsteigen ersparte.
Von 1923 bis 1946 hing schon einmal Oberleitung von Schlesien aus
Der Fahrgastverband Pro Bahn verweist darauf, dass Görlitz vom damaligen Schlesien her zwischen 1923 und 1946 schon einmal an die Oberleitung der Eisenbahn angeschlossen war. Zugleich kritisiert die Fahrgastvertretung aber die bisherigen Versäumnisse. Ingo Koschenz, Referent für Osteuropaverkehre, sagte: "Der Bund hat den Ausbau der Strecken nicht nur aus Berlin, sondern auch aus Dresden nach Görlitz gegenüber der polnischen Regierung im Jahr 2003 in einem Staatsvertrag fest zugesagt."
Während in Polen schon kurz danach die Bagger rollten - die Strecke Breslau - Zgorzelec wurde bis 2019 ausgebaut und elektrifiziert - sei in Deutschland 20 Jahre nichts passiert.
Fahrgastverband befürchtet fehlende Barrierefreiheit
Nun rechnet der Fahrgastverband mit den nächsten Problemen - und zwar für Menschen mit eingeschränkter Mobilität. "Obwohl der zur vorgezogenen Elektrifizierung genutzte Bahnsteig 3/4 in Zukunft nahezu ausschließlich von polnischen Zügen angefahren werden wird, gelten nach unseren Informationen zur Herstellung der 'Barrierefreiheit' selbstverständlich die deutschen Bauvorschriften", erklärt Pro Bahn. Man gehe davon aus, dass die in Ostdeutschland gebräuchliche Nahverkehrsbahnsteighöhe von 55 Zentimeter verbaut wird. In Polen beträgt diese indessen mindestens 76 Zentimeter. Zwischen Ausstieg und Bahnsteig bliebe dann ein Höhenunterschied von gut 20 Zentimetern bestehen, der nur mit Hubgerät und vorheriger Anmeldung überwunden werden kann. Eine Bahnsprecherin bestätigte MDR SACHSEN: "Als Bahnsteighöhe sind in Görlitz 55 Zentimeter über Schienenoberkante vorgesehen."
Vergangene Woche hatten Bund, Land und Deutsche Bahn eine Finanzierungsvereinbarung für Planungen zum Ausbau der Strecke Cottbus–Görlitz unterzeichnet, die wieder ein zweites Gleis und eine Oberleitung erhalten soll. Einen Termin für die Umsetzung gibt es aber nicht.
MDR (lam)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | SACHSENSPIEGEL | 24. Juli 2024 | 19:00 Uhr