Gruppenbild mit Landrat Stephan Meyer
Was tun um Ausländern das Ankommen in Görlitz zu erleichtern? Ausländische Fachkräfte haben ihre Vorschläge beim Landrat Stephan Meyer (CDU) vorgestellt. Bildrechte: MDR/Martin Kliemank

Initiative Ausländer in Görlitz wollen Willkommenskultur fördern

05. Juni 2024, 06:00 Uhr

Die Initiatoren von "Görlitz Calling" studieren an der Hochschule Zittau-Görlitz, forschen am Zentrum für datenintensive Systemforschung (Casus) oder arbeiten für Firmen wir Siemens Energy oder Zeiss Digital Innovation. Unter ihnen sind Nepalesen, Iraner und Inder. Viele leben seit mehreren Jahren in Görlitz. Sie wollen ihre Erfahrungen beim Ankommen und bei Behördengängen teilen.

"Görlitz Calling" hat die Gruppe von acht Männern ein Papier überschrieben, das sie Landrat Stephan Meyer (CDU) überreichen. Es gehe ihnen darum, Görlitz für ausländische Talente attraktiver zu machen und die, die schon hier sind, zu halten, erklärt Gaurav Garttan. Der IT-Spezialist aus Indien lebt seit viereinhalb Jahren in Görlitz. Er managt Softwareprojekte bei Zeiss Digital Innovation. Seinen Masterabschluss hat er an der Uni in Magdeburg gemacht. Aus dem Vergleich weiß er: Görlitz hat Reserven.

Von anderen Städten lernen

Magdeburg habe verstanden: "Wenn die Stadt wirtschaftlich wachsen will, müssen ausländische Studenten in die Stadtgesellschaft integriert werden", berichtet Garttan. In Görlitz aber erlebe er wenig Interesse am Austausch. "Die Leute, die in der Stadt wohnen, kommunizieren nicht mit uns", beklagt der Inder. "Ich würde mich freuen, wenn die Leute mich auf der Straße ansprechen und fragen, was ich hier mache und warum ich hier bin. Das würde uns mehr in die Richtung eines Zusammenlebens bringen."

Da sieht auch Christoph Scholze Nachholbedarf für den Landkreis. Scholze führt ein Beratungsunternehmen für Akteure des Strukturwandels. Er hat Gaurav Garttan geholfen, Gleichgesinnte zu finden, die die Willkommenskultur in Görlitz verbessern möchten. Scholze beklagt einen unterschwelligen Rassismus in der Region. "Es sind die Blicke – einfach dieses Nicht-offen-zu-sein für Neues, für Fremdes – das ist das 'Grundrauschen', dass ich verspüre."

Christoph Scholze und Gaurav Garttan
Die Initiatoren von "Görlitz calling": Christoph Scholze und Gaurav Garttan. Bildrechte: MDR/Martin Kliemank

Görlitz' Vorzüge im Ausland bekannter machen

Umso mehr habe ihn beeindruckt, mit welcher Gelassenheit Gaurav Garttan Herausforderungen in Görlitz beschreibt und für Veränderungen sorgen will. "Dieses Konstruktive hat mich motiviert", sagt Christoph Scholze. So kommen sie inzwischen regelmäßig in einem wachsenden Kreis ausländischer Fachkräfte zusammen, um sich auszutauschen, was besser laufen könnte in ihrer neuen Heimat und was sie selbst dazu beitragen könnten.

Der Inder Gaurav Garttan sagt, er lebe gerne in Görlitz. Er schätze die Lage im Dreiländereck, dass Polen und Tschechien mit ihren kulturellen Besonderheiten quasi vor der Haustür liegen. Mit dem Berzdorfer See und dem Zittauer Gebirge gebe es Ausflugsziele und attraktive Orte zur Freizeitgestaltung ganz in der Nähe. Diese Vorteile müssten international stärker herausgestellt werden, betont Gartan. Auch dafür will er sich einsetzen. Er möchte, dass mehr Talente aus dem Ausland die Chancen dieser Stadt im Strukturwandel erkennen.

Unfreundlichkeit und Intransparenz in Behörden schrecken ab

Doch dazu müssten zum Beispiel die Behörden stärker auf die Bedürfnisse der Neuankömmlinge aus dem Ausland eingehen. Deren Verhalten sei entscheidend für die Integration, betont Garttan und spricht von zu langen Bearbeitungszeiten und intransparenten Prozessen. Das schrecke ab. "Was passiert mit meinem Antrag? Ich kriege keine Antwort, ich weiß nicht, an wen ich mich mit Nachfragen wenden kann", beschreibt er eigene Erfahrungen mit Ämtern.

"Wir wollen nicht Beschwerden loswerden", sagt Garttan. Er möchte auf Herausforderungen hinweisen, denen er in Görlitz begegnet ist und helfen diese Probleme zu beseitigen. In der Gruppe, die an diesem Donnerstagvormittag ins Landratsamt eingeladen ist, haben sie Lösungsvorschläge erarbeitet, um die Willkommenskultur in Görlitz zu fördern. Sie schlagen eine Statusanzeige für Behördenanfragen im Web vor und verständlichere Antwortbriefe. Sie sprechen sich für Fahrschul-Prüfungen in Englisch aus und dafür internationalen Technik-Studierenden dabei zu helfen, einen Teilzeit-Job im Landkreis zu finden.

Gaurav Garttan übergibt Landrat Stephan Meyer ein 10-seitiges Dokument mit Verbesserungsvorschlägen
Gaurav Garttan übergibt dem Görlitzer Landrat Stephan Meyer ein 10-seitiges Dokument mit Verbesserungsvorschlägen. Bildrechte: MDR/Martin Kliemank

Ein Willkommenssiegel für besonders geeignete Anlaufstellen

Die Gruppe selbst will ein "Welcome Label" initiieren. Einrichtungen, die Willkommenskultur besonders ausstrahlen, sollen es erhalten und so zum Anlaufpunkt für Zugezogene werden können - zum Beispiel der Supermarkt oder die Arztpraxis mit Personal, das Englisch spricht.

Landrat Stephan Meyer (CDU) zeigte sich offen für die Anregungen. "Wir brauchen mehr Menschen von außen, um unsere Wirtschaftsleistung halten zu können und weiter zu entwickeln", sagt Meyer. Und er weiß um die Schwachstellen in seiner Behörde. Bei der Anerkennung von Berufsabschlüssen dauern die Verfahren sehr lange, räumt der Landrat ein. "Da müssen wir schneller werden und die Firmen unterstützen, dass sie ihre Fachkräfte auch hier halten können." Dazu soll die Verwaltung künftig enger mit den Personalabteilungen der Firmen zusammenarbeiten, die Ausländer beschäftigen.

Ein interessierter Landrat beim Austausch mit den zugezogenen Görlitzern
Landrat Stephan Meyer zeigt großes Interesse beim Austausch mit den zugezogenen Görlitzern. Bildrechte: MDR/Martin Kliemank

Landrat will Vorschläge bei Gestaltung von Willkommenszentren berücksichtigen

Die jungen Männer um Gaurav Garttan scheinen beim Landrat einen Nerv getroffen zu haben. Meyer sagt, er beobachte auch im Handwerk und im Handel eine wachsende Offenheit, ausländische Fachkräfte einzustellen. Mit Willkommenszentren, die bei den Bürgerämtern angedockt sind, will der Landkreis den Zuzug fördern. Außerdem sei eine App geplant, die Informationen und Ansprechpartner für Ausländer im Landkreis vermittelt.

Den Austausch mit der Gruppe um Gaurav Garttan und Christoph Scholze will der Landrat verstetigen. In einem halben Jahr soll es wieder eine Runde im Landratsamt geben.

MDR (mak)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Bautzen | 03. Juni 2024 | 16:30 Uhr

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