Gegen den Fachkräftemangel Landkreis Görlitz arbeitet an Willkommenskultur
Hauptinhalt
06. Juni 2023, 05:00 Uhr
Im Landkreis Görlitz fehlen besonders viele Fachkräfte. Und der Bedarf wird weiter wachsen. Deshalb will der Kreis an Fachkräfte aus dem In- und Ausland das Signal senden, dass sie willkommen sind. Damit die Zuzügler sich wohl fühlen und bleiben, sollen beim Ankommen "Willkommenszentren" unterstützen.
- Der Fachkräftemangel ist in der Oberlausitz ein besonders großes Problem.
- Deshalb sollen in mehreren Städten Willkommenszentren entstehen.
- "Eine aktive gelebte Willkommenskultur und interkulturelle Kompetenz" hätten oberste Priorität, erklärt eine Mitarbeiterin des Landratsamtes.
Wer zurzeit auf der Zittauer Straße in die Görlitzer Südstadt fährt, sieht auf der rechten Seite ein Plakat eines großen Autohändlers, der Kfz-Mechatroniker mit einem Angebot lockt. Das scheint fast zu gut, um wahr zu sein: "4-Tage-Woche, 6 Wochen Urlaub, 0 Befristung", steht darauf. Und darunter in großen Buchstaben: "10.000 Euro Wechselprämie".
Jetzt kann der Facharbeiter sich aus 30 Betrieben einen aussuchen.
Das Beispiel zeigt, wie hart der Wettbewerb um Arbeitskräfte inzwischen geworden ist. Und es ist kein Einzelfall. Der Leiter der IHK-Geschäftsstelle Görlitz, Frank Großmann, berichtet, viele Unternehmen in der Region würden mit Prämien um Personal werben. Daniel Siegel von der Kreishandwerkerschaft Görlitz bringt die Lage auf den Punkt: "Der Wettbewerb hat sich komplett gedreht. Wir hatten Zeiten, da hat ein Betrieb 30 Bewerbungen bekommen und konnte sich den besten aussuchen. Jetzt kann sich der Facharbeiter aus 30 Betrieben einen aussuchen."
Der Fachkräftemangel im Landkreis Görlitz und der Oberlausitz in Zahlen:
- Im Kreis Görlitz blieben im Jahr 2022 offene Stellen für Fachkräfte im Durchschnitt 199 Tage lang unbesetzt, im bundesweiten Durchschnitt waren es 144 Tage.
- Künftig soll sich die Lage deutlich verschlechtern: Nach Hochrechnungen des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) geht das Erwerbspersonenpotenzial bis 2040 in der Region Oberlausitz-Niederschlesien (Kreise Görlitz und Bautzen) um 27,9 Prozent zurück.
- Innerhalb der nächsten zehn Jahre geht ein großer Anteil der Arbeitnehmer in Rente: 24.010 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte sind 55 Jahre alt oder älter. Das entspricht 27 Prozent aller Beschäftigten im Kreis.
Quelle: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
Landkreis arbeitet aktiv gegen Fachkräftemangel
Beim Landratsamt Görlitz ist man sich des Problems offenbar bewusst: Dort werden seit Jahren Ideen entwickelt, um mehr Fachkräfte anzulocken. So soll die Kampagne "Silicon Valley Görlitz" IT-Spezialisten überzeugen, in die Region zu ziehen. Der Kreis zeigt sich auf der Internetseite unbezahlbar.land von seiner besten Seite und wirbt um interessierte Arbeitskräfte.
Nun soll noch eine Aktion hinzukommen: Sogenannte Willkommenszentren sollen in Zittau, Löbau, Niesky und Weißwasser entstehen und dort in die Bürgerbüros eingefügt werden. Das sollen Anlaufstellenwerden, in denen Zuzügler alle Fragen, die damit einhergehen klären können, also Wohnungs- oder Arbeitssuche, die Suche nach einem Kita-Platz oder Behördeninformationen.
Noch ist vieles unklar, Görlitz ist bislang in der Konzeptionsphase. Noch 2023 sollen die Bürgerbüros zur Anlaufstelle für die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse werden, sagt die kommissarische Abteilungsleiterin des Bereichs Strukturwandel, Wirtschaftsförderung und Internationale Beziehungen (SWIB) beim Landratsamt, Antje Klose. Weitere Angebote sollen folgen.
Willkommenszentren nicht nur für Menschen aus dem Ausland
Dabei sollen die Willkommenszentren nicht nur für Menschen aus dem Auslang erste Anlaufstelle sein: "Dem Rückkehrer, der aus München zurückkommt, stellen sich zum Teil ähnliche Fragen wie einer Fachkraft, die aus der Ukraine oder außerhalb von Europa zu uns kommt", meint Klose.
Auch Vereine, zum Beispiel Sport-Clubs, könnten in den Zentren die Möglichkeit bekommen, Neuankömmlingen Angebote zu präsentieren. Die Idee dahinter: Nur wer auch sozial ankommt, fühlt sich wohl und bleibt. "Wir haben immer wieder erlebt, dass Menschen zwar zu uns kommen, aber nach kurzer Zeit auch wieder weiterziehen", erlärt Klose.
Willkommenskultur oberste Priorität
Deshalb soll durch die Unterstützungsangebote eine Willkommenskultur vermitteln: "Wir wollen, dass Menschen zu uns ziehen", erklärt sie. Damit die Zuzügler dauerhaft bleiben wollen, habe "eine aktiv gelebte Willkommenskultur und interkulturelle Kompetenz" oberste Priorität. Dafür solle auch die Mehrsprachigkeit in der Verwaltung gefördert werden.
Dass es im Landkreis Görlitz etwas länger dauert, als in anderen sächsischen Regionen, in denen es teils bereits Willkommenszentren gibt, erklärt sich Klose damit, dass die Pläne für Görlitz viel umfassender seien: In anderen Landkreisen gehe es ausschließlich um die Gewinnung ausländischer Arbeitskräfte, etwa durch die Anerkennung ausländischer Abschlüsse.
Viele externe Partner an Entwicklung der Zentren beteiligt
Unklar ist, wie genau die Willkommenszentren gestaltet werden. Der Landkreis sei dazu derzeit mit vielen externen Partnern im Gespräch zum Beispiel mit der IHK, der Handwerkskammer, der Bundesagentur für Arbeit sowie den Stadtverwaltungen.
Frank Großmann, der Leiter der IHK-Geschäftsstelle Görlitz, findet das Vorhaben der Willkommenszentren "grundsätzlich gut". Durch sie alleine sei das Problem zwar nicht zu lösen, "aber ohne diesen Schritt wird es noch schwieriger werden", sagt er.
Die Entwicklung in den nächsten Jahren ist so gravierend, dass man mehrere Instrumente benötigt, um dieser Herausforderung wirklich begegnen zu können.
MDR (jwi)
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/328bf1dd-8c05-4368-af7d-4e809dcbd2d5 was not found on this server.