Werk in Görlitz Alstom bestätigt offiziell Verhandlungen mit Rüstungskonzern
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19. Dezember 2024, 05:00 Uhr
Es geht um hunderte Industriearbeitsplätze in Ostsachsen: Seit Monaten laufen Verhandlungen zwischen dem Alstomkonzern und einem Rüstungsunternehmen. Doch eine Einigung ist in diesem Jahr wohl nicht mehr zu erwarten.
- Der Alstom-Konzern will sein Werk in Görlitz schließen und verkaufen.
- Doch die Verhandlungen mit dem Rüstungskonzern KNDS sind noch immer nicht abgeschlossen.
- Unklar ist auch noch, ob alle Mitarbeitenden übernommen werden.
Der Zughersteller Alstom und der Rüstungskonzern KNDS verhandeln weiter über die Übernahme des Zugwerks in Görlitz. Nach Informationen von MDR Investigativ aus dem Umfeld der Belegschaft kommen die seit Monaten laufenden Gespräche zwar voran, eine Einigung ist in diesem Jahr aber nicht mehr zu erwarten.
Ein Alstom-Sprecher bestätigte dem MDR inzwischen offiziell Gespräche mit KNDS. Es sei aktuell aber noch zu früh für Details, hieß es weiter. Anfang Oktober hatte MDR Investigativ exklusiv berichtet, dass es Verhandlungen zwischen Alstom und dem Rüstungskonzern KNDS zur Übernahme des Werks gibt. Alstom äußerte sich damals nicht konkret dazu, sondern bestätigte nur Gespräche mit einem industriellen Partner.
Im Görlitzer Alstomwerk arbeiten rund 700 Menschen – für die strukturschwache Region im Osten Sachsens ein wichtiger Arbeitgeber. Seit dem Sommer ist klar, dass der französische Alstomkonzern das Werk in Görlitz loswerden möchte. Im Herbst gab das Unternehmen bekannt, dass es die Schließung des Standorts für März 2026 plane.
Görlitzer Werk: Teile für Boxer-Panzer
Nach MDR-Informationen sollen in dem Görlitzer Werk nach einer möglichen Übernahme unter anderem Komponenten für den Boxer-Radpanzer produziert werden. Zudem ist eine Wartung der Panzer im Gespräch. Auch die Bundeswehr nutzt den Radpanzer und hat erst in diesem Jahr 150 weitere Boxer bestellt. Sie sollen künftig eine zentrale Rolle bei der Bundeswehr spielen: Die Panzer gelten wegen ihrer Bereifung als schnell verlegbar und durch eine potenzielle Bewaffnung mit dem Turm des Pumapanzers auch als kampfstark.
Allerdings: Die mögliche Übernahme des Werks durch KNDS soll offenbar noch daran hängen, dass KNDS auf weitere Aufträge wartet – und es bei diesen wegen des Endes der Ampelregierung in Berlin zu Verzögerungen kommt. Offiziell bestätigen wollte dies keine Seite.
KNDS entstand 2015 aus dem Zusammenschluss des deutschen Rüstungskonzerns KMW und des französischen Rüstungsunternehmens Nexter und hat seinen Sitz in Amsterdam. KNDS baut neben dem Boxer unter anderem die Kettenpanzer Leopard und Puma. Der Boxer selbst ist eine Gemeinschaftsproduktion von KNDS und Rheinmetall.
Übernahme würde Arbeitsplätze sichern
Für die Beschäftigen des Werks zeichnet sich mit der wahrscheinlichen Übernahme des Werks auch eine Lösung für den Erhalt der Arbeitsplätze ab – allerdings ist nach MDR-Informationen noch nicht ausverhandelt, ob alle Beschäftige übernommen werden. Verhandelt wird nach Informationen von MDR Investigativ wohl auch noch, ob KNDS das Werksgelände kauft oder zunächst anmietet. Neben den Verhandlungen zwischen Alstom und KNDS verhandeln parallel der Betriebsrat und Alstom über Sozialpläne. Diskutiert wird derzeit etwa, ob eine Beschäftigungsgesellschaft gegründet wird, in der Mitarbeitende vorübergehend unterkommen.
In Görlitz machen sich nicht nur die Beschäftigen Sorgen um ihre Arbeitsplätze. Oberbürgermeister Octavian Ursu (CDU) sagte dem MDR, er habe sich selbstverständlich gewünscht, dass die Schienenfahrzeugbau-Tradition weitergeführt werden könne. Deswegen habe man auch einen Teil des gemeinsamen Auftrages von Leipzig, Zwickau und Görlitz zur Beschaffung neuer Straßenbahnen mit einem Auftragsvolumen von über 30 Millionen Euro nach Görlitz geholt.
"Am Ende müssen wir alle genauere Informationen über den potentiellen Nachfolger bekommen und ich werde den Betriebsrat und die Kolleginnen und Kollegen im Betrieb bei der Meinungsbildung unterstützen. Ich schätze, dass für die meisten von ihnen der Erhalt von gut bezahlten Industriearbeitsplätzen mit einer verlässlichen Zukunftsperspektive höchste Priorität hat", sagte Ursu weiter.
Rechtsextreme bei Demo gegen Rüstungskonzern
In der Region versuchen inzwischen auch Rechtsextreme, die unsichere Situation um die Schließung des Werks und die mögliche Übernahme zu instrumentalisieren. Mitte November hatte das "Bündnis Oberlausitz" eine Demonstration unter dem Motto "Oberlausitz für Frieden und Abrüstung" angemeldet. Das "Bündnis Oberlausitz" fiel immer wieder mit Nähe zur rechtsextremen Kleinpartei "Freie Sachsen" auf, deren Zeichen auch auf der Demo Mitte November präsent waren.
Aufregung erzeugte die Demo allerdings vor allem dadurch, dass auch der BSW-Landtagsabgeordnete Jens Hentschel-Thöricht bei Facebook mit dem Logo des "Bündnis Sahra Wagenkencht" (BSW) zu der Veranstaltung aufrief – und dort auch selbst als Redner auftrat. Die rechtsextremen "Freien Sachsen" sprachen danach auf ihrem Telegram-Kanal von "Querfront", also einem Zusammenschluss linker und rechter politischer Akteure. Nachdem der Auftritt von Hentschel-Thöricht für einiges Aufsehen gesorgt hatte, ruderte das BSW zurück und sagte, es gebe keine Zusammenarbeit mit den “Freien Sachsen”. Die Diskussion rund um die Demo zeigte jedoch, dass das Thema neben den Folgen, die es für die Belegschaft hat, auch politisch heikel ist.
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Bautzen | 19. Dezember 2024 | 05:30 Uhr