Zugausfälle Gewerkschaften klagen über Personalprobleme bei der Deutschen Bahn

12. Juli 2023, 05:00 Uhr

In Sachsen-Anhalt sind in den vergangenen Monaten so häufig Züge ausgefallen, dass Brandbriefe an die Deutsche Bahn geschickt wurden und Verkehrsministerin Lydia Hüskens sich die Lage im Stellwerk in Thale am Donnerstag anguckt. Der Grund für die Ausfälle: Personalmangel. Und dadurch steht das noch vorhandene Personal vor immer mehr Problemen.

Die Zahlen sind besorgniserregend. Innerhalb eines Jahres hat sich der Anteil der netzbedingten Zugausfälle in Sachsen-Anhalt und den angrenzenden Bundesländern verdoppelt. Laut einer Recherche von MDR SACHSEN-ANHALT sind in den ersten fünf Monaten dieses Jahres über 1,5 Prozent der Züge nicht gefahren. Im Süden des Landes waren es sogar über acht Prozent.

Die Gründe dafür sind bekannt. Verkehrsministerin Lydia Hüskens erklärt auf Anfrage schriftlich: "Die DB AG muss mit dem schnellstmöglichen Ersatz der völlig veralteten Stellwerkstechnik durch moderne elektronische beziehungsweise digitale Stellwerke das aktuelle Problem endlich nachhaltig lösen. Ohne eine fortschreitende Digitalisierung werden vor allem die personellen Probleme an den Stellwerken nicht zu lösen sein. Fehlendes Personal ist heute schon einer der häufigsten Gründe für Zugausfälle."

Die Bahn bestreitet das nicht. Das Netz sei in Teilen zu alt, zu überlastet und zu störanfällig, heißt es dort. Dazu kämen Personalprobleme in den Stellwerken. Denn es gibt inzwischen zu wenige Spezialisten für die häufig veraltete Technik.

Stellwerke sind unterbesetzt

Ein Zustand, den Claus Weselsky scharf kritisiert. Der Chef der Eisenbahngewerkschaft GDL wirft der Bahn Missmanagement vor.

Was der Ministerin Hüskens am Donnerstag im Stellwerk in Thale begegnen wird? "Wenn die Deutsche Bahn ihr nicht irgendwelche Teamleiter oder Vorgesetzte vor die Nase setzt und tatsächlich die Menschen mit ihr sprechen können, die dort vor Ort arbeiten, dann wird sie ein Bild des Schreckens vorfinden", sagt Weselsky.

Die Personaldecke sei nicht nur knapp, man sei schlicht unterbesetzt, sagt Weselsky. Er spricht von Schluderei der zuständigen DB Netz AG, die inzwischen an vielen Stellen eingerissen sei: "Die Leute werden angehalten, mehr Leistungsstunden zu liefern. Obwohl sie einen Arbeitsvertrag haben, der im Prinzip 38 Stunden die Woche durchschnittlich abverlangt, ist die Personaldecke so knapp, dass die Anwesenden immer wieder herangezogen werden und immer wieder angebettelt oder verpflichtet werden, zusätzliche Dienste zu machen, um den Verkehr aufrechtzuerhalten."

Wer so in Anspruch genommen werde, der sei auch anfälliger für Krankheiten, sagt Weselsky. So würden die Wenigen, die da seien, auch noch verheizt.

Viele Überstunden auch bei der EVG

Die Personalprobleme sieht man bei der Konkurrenzgewerkschaft EVG auch – aber weniger dramatisch. EVG-Landeschefin Janina Pfeiffer, selbst bei der DB Netz beschäftigt, sagt: "Ja, es gibt schon Schichten, die mal über die normale Schicht hinausgehen, gerade wenn jemand krank wird. Dann müssen die anderen Kollegen dort einspringen und auch mal eine Zwölf-Stunden-Schicht machen. Aber grundsätzlich ist es so, dass wir versuchen, die Stellwerke so zu besetzen, dass das nicht passiert."

Dennoch: Es seien viele Überstunden in Sachsen-Anhalt und deutschlandweit. Die Bahn versuche Nachwuchs heranzuziehen, Quereinsteiger zu gewinnen, sagt Pfeiffer. Allerdings müsse sie als Arbeitgeber noch attraktiver werden und auch bleiben.

Die gegenwärtigen Probleme würden die Bahn aber noch länger beschäftigen, ist sich Pfeiffer sicher: "Eine schnelle Lösung dahingehend ist nicht in Sicht, weil aufgrund dessen, dass die Digitalisierung oder die Umsetzung der Digitalisierung einfach lange dauert, können wir nicht von heute auf morgen agieren."

Dennoch müsse man jetzt handeln, müssten Menschen geschult werden, um den Personalmangel auf ein Niveau zu bringen, dass die Bahn konstant unterwegs sein kann.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 12. Juli 2023 | 06:00 Uhr

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