Ein Mann mit Bart und Mütze steht vor Traktoren.
Landwirt Christian Raapke aus der Altmark beteiligt sich an den Bauernprotesten. Bildrechte: MDR/Carina Emig

Interview zu den Bauernprotesten Warum ein Landwirt aus der Altmark weiter protestieren will

von Carina Emig, MDR SACHSEN-ANHALT

11. Januar 2024, 08:48 Uhr

Sie arbeiten hart und viel, kümmern sich um Lebewesen, tragen Verantwortung für das, was jeder von uns tagtäglich verzehrt. Die Arbeit der Bauern und Landwirte ist essentiell, trotzdem kommt sie seit Jahrzehnten nicht mehr ohne Subventionen aus. Im Schnitt sind es 48.000 Euro je landwirtschaftlichem Unternehmen pro Jahr in Deutschland. Dieser Zustand zermürbt die Gemüter. Nun entlädt sich alles in den bundesweiten Bauernprotesten. Der altmärkische Landwirt Christian Raapke rechnet vor.

Christian Raapke liebt das Landleben, die frische Luft, das viele Grün. Schon als Kind träumte er davon, Landwirt zu werden. Sein Traum wurde wahr: Heute führt der 42-Jährige ein landwirtschaftliches Unternehmen in Tangeln im Altmarkkreis Salzwedel. 1.000 Hektar ist der Betrieb groß, Pflanzen werden dort produziert und Biogas.

Ein Mann mit Bart und Mütze steht vor Traktoren.
Christian Raapke wollte schon als Kind Landwirt werden. Bildrechte: MDR/Carina Emig

Seine Biogasanlage speist die angrenzende Ortschaft in der Altmark mit Bioenergie, macht Tangeln zu einem sogenannten Bioenergiedorf, einem Ort, der sich weitgehend autark mit Energie versorgt. Darauf ist Christian Raapke stolz. Er liebt seinen Beruf, engagiert sich seit Jahren ehrenamtlich im Vorstand des Kreisbauernverbandes und erklärt aus Sicht eines Betroffenen, warum die Not der Bauern so groß ist und sich zwangsläufig entladen musste.

MDR SACHSEN-ANHALT: Die KfZ-Steuerbefreiung ist doch vom Tisch und ein Kompromiss seitens der Bundesregierung. Warum demonstrieren Sie weiter?

Christian Raapke, Landwirt in der Altmark: Die KfZ-Steuerbefreiung bedeutet für uns als durchschnittlichen Betrieb im Jahr rund 10.000 Euro Ersparnis. Von der KfZ-Steuer befreit zu sein, das finden wir Bauern richtig, denn wir fahren in der Regel nicht auf Autobahnen, die mit diesem Steuergeld finanziert werden.

Doch viel schwerer ins Gewicht fällt die Sache mit der steuerlichen Agrardieselbefreiung. Die Mineralölsteuer von 45 Cent pro Liter Diesel muss jeder zahlen, doch wir Bauern konnten uns am Jahresende etwa 21 Cent davon zurückholen. Das soll nun in Zukunft entfallen.

In Frankreich zum Beispiel bezahlen die Bauern gar keine Mineralölsteuer. Die anderen europäischen Bauern haben einen Vorteil uns gegenüber. Für unseren Betrieb sind das etwa 25.000 Euro Schaden pro Jahr.

Christian Raapke Landwirt

Im europäischen Ausland, in Frankreich zum Beispiel bezahlen die Bauern gar keine Mineralölsteuer. Somit kommt es EU-weit zu einer Wettbewerbsverzerrung, da die anderen europäischen Bauern da einen Vorteil uns gegenüber haben. Für unseren durchschnittlichen Landwirtschaftsbetrieb sind das so etwa 25.000 Euro Schaden pro Jahr. Ich nenne das ganz bewusst "Schaden" und das ist ja auch nur die Spitze des Eisberges.

4 Ortseingangsschilder, an denen Gummistiefel hängen
Die Gummistiefel-Aktion soll auf die schwierige Lage der Bauern aufmerksam machen. Bildrechte: MDR Grafik

Stiller Protest mit Gummistiefeln an Ortsschildern "Stirbt der Bauer, stirbt das Land" lautet das Motto der Gummistiefelaktion, denn die Gummistiefel sind eine Art Symbol für den sterbenden Landwirt. Mit der Aktion wollen Landwirte auf ihre schwierige Situation aufmerksam machen. An vielen altmärkischen Ortsschildern hängen die Gummistiefel seit Mitte Dezember. In beiden Altmarkkreisen steckt vor allem der Bauernnachwuchs hinter dieser stillen Protestaktion.

Was genau meinen Sie mit "Spitze des Eisberges"?

Wir Bauern sagen, "viel zu viel ist zu viel". Damit meinen wir noch weitere Belastungen und Kürzungen. Zum Beispiel bekommen wir mit unserem Unternehmen Agrarsubventionen, wenn wir unter bestimmten Bedingungen unsere Ackerflächen bewirtschaften. Das waren bislang 270 Euro pro Hektar. Um dieses Geld überhaupt zu bekommen, muss man als Landwirt ganz viele Regeln und Gesetze einhalten. Diesen Satz hat man ganz stark gekürzt um 100 Euro. Für unseren 1.000 Hektar Betrieb, der exemplarisch ist für einen durchschnittlich großen Agrar-Betrieb in der Altmark, sind das rund 100.000 € weniger Geld im Jahr.

Viele Menschen bei Mahnfeuern von Landwirten.
Christian Raapke war auch bei Mahnfeuern dabei, hier bei Ahlum. Die ganze Protestwoche über finden in der gesamten Altmark weitere Mahnfeuer statt. Bildrechte: MDR/Carina Emig

Muss nicht überall gespart werden, also auch bei den Bauern?

Wir Bauern bekommen seit Jahren sukzessive immer weniger Geld, im Gegenzug aber müssen wir immer natürlicher, nachhaltiger, Ressourcen schonender, umweltschonender und sozialer werden. Wie soll das gehen? Alle Leute demonstrieren für eine 35-Stunden-Woche und wir Bauern sollen 70 Stunden arbeiten gehen und dafür immer weniger Geld bekommen. Das geht nicht mehr.

Alle Leute demonstrieren für eine 35-Stunden-Woche und wir Bauern sollen 70 Stunden arbeiten gehen und dafür immer weniger Geld bekommen.

Christian Raapke Landwirt

Das ist die Not der Bauern und deshalb haben wir einfach keine Kraft mehr, das auszuhalten, weil unsere Betriebe pleite gehen werden. Der ganze Protest ist jetzt einfach angebracht, denn irgendwo ist das ganze Fass nun übergelaufen. Das Zugeständnis der Kfz-Steuerbefreiung ist nur eine klitzekleine Sache. Unsere Schmerzen liegen einfach sehr, sehr viel tiefer.

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MDR (Carina Emig, Luise Kotulla, Annekathrin Queck) | Erstmals veröffentlicht am 09.01.2024

Dieses Thema im Programm: SACHSEN-ANHALT HEUTE | 05. Januar 2024 | 19:00 Uhr

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