Verlassene Orte Welche fünf "Lost Places" in der Altmark Potenzial haben
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05. Juli 2023, 12:32 Uhr
Romanische Backsteinbauten, historische Hansestädte, gepflegte Parks und Gärten – das alles findet sich in der Altmark. Aber es gibt auch zahlreiche Brachen, Gutshäuser und Industrieanlagen, die heute verlassen vor sich hin rotten. Immer wieder erkennen Menschen deren Potential, kämpfen in Initiativen oder Vereinen dafür, dass sie erhalten und im besten Fall revitalisiert werden. MDR-Reporterin Carina Emig hat fünf altmärkische "Lost Places" mit Potential gesucht und gefunden.
In der Altmark gibt es eine Reihe von sogenannten "Lost Places" also verlassenen Orten, die noch heute eine Geschichte erzählen. An mehreren Orten wird seit ihrer ursprünglichen Nutzung nichts mehr gemacht, an anderen versuchen Freiwillige den Verfall von Gebäuden zu verhindern und denken über eine neue Nutzung der einstigen Industriegebäude nach.
Alte Hopfendarre Salzwedel
Überwuchert, morbide, aber mit intaktem Dach: Die alte Hopfendarre in der Nicolaistraße erhitzt seit Jahren die Gemüter der Salzwedeler. Die Wohnungsbaugesellschaft will sie abreißen. Der Arbeitskreis Salzwedeler Altstadt e.V. das unbedingt verhindern. Nach dem Abriss von weiteren acht Gebäuden auf dem ehemaligen Brauerei-Gelände im Jahr 2014 steht heute nur noch der fünfgeschossige Hopfendarre-Turm.
Seit fast 200 Jahren gehört die Hopfendarre zum Salzwedeler Stadtbild. Dort wurde Hopfen für die Bierbrauerei gedörrt, die in Salzwedel eine jahrhundertelange Tradition hat. Wer über Salzwedeler Stadtentwicklung und damit auch den Abriss oder Erhalt des Salzwedeler Darre-Turms mitentscheiden möchte, hat noch bis zum 6. Juli 2023 über eine Online-Umfrage des Bauamtes Salzwedel die Möglichkeit.
Technikstützpunkt der LPG-Pflanzenproduktion in Arendsee
Seit mehr als 30 Jahren verrottet der ehemalige Technikstützpunkt der LPG-Pflanzenproduktion in Arendsee – er ist heute ein vergessener Ort. Dabei ist das Areal gut gelegen und müsste eigentlich Investoren anlocken, denn der ehemalige Technikstützpunkt befindet sich unweit des Arendsee in unmittelbarer Nähe der beliebten Strand- und Badestelle Schramper Eck.
Markant am Gebäudetrakt ist das Dach in Wellenform. Noch immer liegen Traktorenreifen herum, die Wände sind mit Graffiti besprüht, überall ist die Natur in den Gebäudekomplex eingedrungen. Der einstige Technikstützpunkt der LPG Arendsee war bis zur Abwicklung 1990 von zentraler Bedeutung. Mehr als 300 Beschäftigte zählte die LPG Arendsee zu DDR-Zeiten, die eine Vielzahl von landwirtschaftlichen Maschinen wie Traktoren und Mähdrescher entwickelte und produzierte. Diese Maschinen wurden nicht nur in der LPG Arendsee eingesetzt, sondern auch in anderen landwirtschaftlichen Betrieben der DDR.
Eisenhütten- und Emaillierwerk in Tangerhütte
Um sage und schreibe 26.000 Quadratmeter Industriedenkmal kümmert sich der gerade mal zehnköpfige Verein "Aus einem Guss". Genauer um das 1844 gegründete "Eisenhütten- und Emaillierwerk" in Tangerhütte, das schon kurz nach seiner Gründung Weltruhm erlangte. Heute ist das Eisenhüttenwerk ein Lost Place gigantischen Ausmaßes. Verzierte Eisenträger, kunstvolle Gitterfenster, bemooste Wände – die schiere Größe und einst kunstvolle Ausgestaltung der verschiedenen Industriegebäude sind beeindruckend.
Der Verein "Aus einem Guss" sucht dringend nach Investoren, sammelt Spenden und kümmert sich um Fördermittel, um das Tangerhütter Flächendenkmal vor dem weiteren Verfall zu bewahren. Die Eisengießerei hat Tangerhütte stark geprägt, ab 1844 für einen enormen Bevölkerungs- und Fachkräftezuzug gesorgt. Bis heute zählt das Flächendenkmal zu den bedeutendsten Industriedenkmälern Sachsen-Anhalts. Neben der Industrieanlage gehören auch ein Landschaftspark, zwei Schlösser, ein Mausoleum, ein Kunstgusspavillion sowie ein künstlich angelegter Wasserfall dazu und bilden zusammen ein in Deutschland einzigartiges Ensemble.
Gutshaus Weteritz
Die Weteritzer selbst nennen ihr Gutshaus liebevoll "Die weiße Perle der Altmark". In den letzten Jahrzehnten gab es dafür immer wieder Kaufinteressenten, die das schlossartige Gebäude mit riesigem angrenzendem Park in ein Hotel, eine Holzakademie oder in einen altersgerechten Wohnkomplex verwandeln wollten. Nichts klappte. Nun hat sich in 2023 ein umtriebiger Förderverein gegründet und ein neuer Eigentümer gefunden, der für das Dorf etwas erreichen will. Seither wird entkernt und gewerkelt, Dartgruppe, Dorf-Stammtisch und Tausch-Bibliothek sind bereits eingezogen.
Das Gutshaus im Gardelegener Ortsteil Weteritz erwacht also nach 30 Jahren aus seinem Dornröschenschlaf. Bis zur Wende war dort das Altenheim "Feierabendheim Wilhelm Pieck" untergebracht, wovon Küche, Sanitäranlagen, Baderaum, Zimmer und Fluchttreppe bis heute zeugen. Doch unter dem DDR-Linoleum stecken noch immer die originalen Holzfußböden. Historische Türen, Wandeltreppe und Treppenhaus aus den 1830er-Jahren, als das Gutshaus durch die Familie von Alvensleben erbaut wurde, verströmen noch ihren morbiden Charme.
Zuckerhalle Goldbeck
Die Zuckerhalle ist ein altes Industriegebäude, erbaut 1936. In ihr wurden die Zuckertüten bis unter das Dach gelagert. Sie gehörte zum riesigen Komplex der Zuckerfabrik Goldbeck, deren Grundstein am bereits 1889 gelegt wurde und von der heute nur noch die teilsanierte Zuckerhalle und das angrenzende, marode Ausbildungsheim zeugen. Auf einer Nutzfläche von circa 1.200 Quadratmetern finden in der Zuckerhalle verschiedene Kulturveranstaltungen, Märkte und Feste statt.
Fast jede Goldbecker Familie hat eine persönliche Verbindung zur Zuckerfabrik. Seit 2016 finden dort regelmäßig Arbeitseinsätze statt. Die Initiatoren sind die Gemeinde und der eigens gegründete Verein "Zuckerhalle Goldbeck e.V.", der sich um die Veranstaltungen und die Organisation kümmert. Um die Zuckerhalle wiederzubeleben, nutzte der Verein den noch vorhandenen Zucker, der in der Fabrik lag und verkaufte diesen, um Gelder für die Sanierung einzusammeln. Seitdem konnten Fördermittel genutzt werden, um die Halle für Besucher zugänglich und nutzbar zu machen. Der alte Industriecharme blieb dabei erhalten und sorgt für eine ganz besondere Atmosphäre.
MDR (Carina Emig)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 04. Juli 2023 | 07:30 Uhr
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