Gegen den Trend Zahl der Abtreibungen in Sachsen-Anhalt leicht gestiegen
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15. Februar 2023, 05:00 Uhr
In Sachsen-Anhalt wurden im vergangenen Jahr mehr Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Das spricht gegen den Trend, denn insgesamt gehen die Zahlen seit 2001 stark zurück. Eine Analyse von MDR Data zeigt, wie Sachsen-Anhalt im bundesweiten Vergleich abschneidet.
- Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Sachsen-Anhalt ist in den ersten drei Quartalen 2022 leicht gestiegen. In den vergangenen 20 Jahren ist der Trend aber rückläufig.
- Sachsen-Anhalt hat nach Bremen und Berlin die meisten Schwangerschaftsabbrüche pro Lebendgeburt aller Bundesländer.
- Die Zahlen zeigen außerdem: Immer mehr Frauen über 30 brechen ihre Schwangerschaft ab.
Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche ist 2022 in Sachsen-Anhalt leicht angestiegen. Das zeigen Zahlen des Statistischen Landesamtes. Während in der ersten Jahreshälfte fast kein Unterschied zum Vorjahr zu erkennen ist, gab es demnach im dritten Quartal des vergangenen Jahres 101 Schwangerschaftsabbrüche mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. 2022 wurden bis Oktober 2.329 Schwangerschaften abgebrochen. Die Zahlen für das Jahresende stehen noch aus.
Hohe Abbruchquoten in Sachsen-Anhalt
Insgesamt ist der Trend allerdings eher rückläufig: Seit Jahren geht die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche in Sachsen-Anhalt zurück. 2001 war Sachsen-Anhalt das Bundesland mit der dritthöchsten Abbruchquote, nach Berlin und Bremen. Seitdem hat sich die Anzahl der Abtreibungen pro 1.000 Lebendgeburten in Sachsen-Anhalt halbiert. 155 Schwangerschaftsabbrüche gab es hier im Jahr 2021 pro 1.000 Lebendgeburten. Sachsen-Anhalt nähert sich damit immer mehr dem bundesweiten Durchschnitt an: Der liegt 2021 bei 118 abgebrochenen Schwangerschaften.
Im Verhältnis zu den im Land lebenden Frauen gibt es in Sachsen-Anhalt aber immer noch deutlich mehr Abbrüche als im bundesweiten Durchschnitt. Die absolute Anzahl an Abbrüchen sinkt zwar seit Jahren, so aber auch die Zahl der Frauen in Sachsen-Anhalt. Seit Jahren bleibt das Verhältnis in etwa gleich, 2021 waren es 631 Abbrüche pro 100.000 Frauen. Das ist die dritthöchste Quote aller Bundesländer.
Eingriff war in Ostdeutschland Normalität
Neben Sachsen-Anhalt liegen auch in den übrigen neuen Bundesländern die Abbruchquoten seit der Wiedervereinigung über dem bundesweiten Durchschnitt. In der DDR war der Schwangerschaftsabbruch Teil der gynäkologischen Ausbildung, erklärte Frauenarzt Sören Funck bei MDR SACHSEN: "Wir wurden damals darauf hingewiesen: Wer Frauenarzt werden will, muss diesen Eingriff erlernen und durchführen. Heute ist es häufig so, dass man selber entscheiden kann: Das mach' ich nicht." Wichtig ist ihm dabei vor allem, dass die Betroffenen im Mittelpunkt stehen: "Eine Frau die Hilfe sucht, braucht ja auch Hilfe."
So nimmt es auch Johanna Walsch wahr. Sie ist Sexualwissenschaftlerin und leitet die Beratungstelle Eisleben von Pro Familia. Walsch sagt: "Die Gründe für einen Schwangerschaftsabbruch sind sehr individuell." Ein Problem sei beispielsweise, dass es bei einkommensschwachen Familien keine Kostenübernahme für Verhütungsmittel gebe – wohl aber für einen Schwangerschaftsabbruch. "Dann ist es manchmal einfach günstiger, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen, als zu verhüten", sagt Walsch.
In ihrer Beratungsstelle trifft sie häufig auf Frauen, die bereits Kinder haben. "Viele sagen dann: Ein weiteres Kind, das schaffe ich nicht – sei es körperlich, geistig oder finanziell", erzählt Johanna Walsch. Insbesondere Alleinerziehende oder Frauen, bei denen der Partner auf Montage unterwegs sei, seien betroffen. Und immer wieder fehlen den Betroffenen Informationen: "Das Wissen zu Verhütungsmitteln und auch Notverhütungsmitteln wie der Pille danach ist oft nicht ausreichend vorhanden. Viele haben die Familienplanung auch bereits abgeschlossen und sagen: Ich dachte eigentlich, ich kann gar nicht mehr schwanger werden."
Frauen sind bei Abtreibungen inzwischen älter
Die Frauen, die sich für den Abbruch einer Schwangerschaft entscheiden, sind in den vergangenen 20 Jahren unterdessen immer älter geworden. Insbesondere bei Frauen unter 25, die um die Jahrtausendwende den größten Anteil der Abbrüche ausmachten, kommt es heute seltener zu einem Abbruch.
In Sachsen-Anhalt ist dieser Trend besonders extrem zu beobachten: Während 2008 noch mehr als jeder dritte Abbruch bei einer Person unter 25 vorgenommen wurde, war es 2021 nicht mal jeder vierte Abbruch. Den stärksten Zuwachs gab es unter den 30- bis 35-Jährigen: Ihr Anteil hat sich in den vergangenen 15 Jahren fast verdoppelt.
Seit 2017 ist der Großteil der Frauen in Sachsen-Anhalt zum Zeitpunkt des Schwangerschaftsabbruchs 30 Jahre oder älter. 2021 lag der Anteil der Frauen über 30 Jahren bei 57,3 Prozent in Sachsen-Anhalt und bei 51,8 Prozent im bundesweiten Durchschnitt. Dazu wichtig zu wissen: Sachsen-Anhalt ist das Bundesland mit dem höchsten Durchschnittsalter. Das von Frauen liegt hier im Jahr 2021 bei 49,8 Jahren. Im gesamten Bundesgebiet sind Frauen laut dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung durchschnittlich 3,8 Jahre jünger.
Schwangerschaftsabbrüche auch Thema im Landtag
Der Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen beschäftigt auch die Landespolitik. So hat die Grünen-Fraktion im Landtag gefordert, Schwangerschaftkonfliktberatungsstellen stärker zu fördern. Außerdem soll der Eingriff nach einem verpflichtenden Beratungsgespräch Teil der Facharztausbildung werden. Kritik an dem Antrag kam von CDU und AfD.
MDR (Marie Gundlach)
Dieses Thema im Programm: MDR exactly | 13. Februar 2023 | 17:00 Uhr
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