Schulen Extremistische Vorfälle schon in fünfter und sechster Klasse
Hauptinhalt
12. Juni 2024, 10:07 Uhr
Im laufenden Schuljahr haben die Schulen in Sachsen-Anhalt bislang mehr als 60 extremistische Fälle an das Landesschulamt gemeldet. Im gesamten Schuljahr davor waren es 25. Laut einem Demokratieverein melden sich außerdem immer öfter Lehrkräfte aus unteren Klassenstufen. Bildungsminsterin Eva Feußner warnt davor, die Schülerinnen und Schüler unter Generalverdacht zu stellen.
- Die Zahl der gemeldeten extremistischen Vorfälle hat sich im laufenden Schuljahr im Vergleich zum vorherigen mehr als verdoppelt.
- Laut Bildungsministerin Eva Feußner sind aber nicht alle Vorfälle auch ein Fall für die Ermittlungsbehörden.
- Demokratierverein kritisiert: Besuche von Gedenkstätten werden zu häufig als Allheilmittel verstanden.
Hakenkreuze, Hitlergrüße, rassistische Sprüche – immer häufiger wenden sich Lehrerinnen und Lehrer wegen solcher Vorfälle an Noah Buhmann und sein Kollegium. Buhmann ist Bildungsreferent beim Verein Miteinander – Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt: "Was uns noch aufgefallen ist, ist, dass wir bereits viele Anfragen aus den Schulklassen fünf und sechs haben, was ein bisschen ungewöhnlich und auch eine neuere Entwicklung ist. Früher fing das dann erst ab einer älteren Altersstufe an."
Mehr als doppelt so viele Vorfälle als im letzten Schuljahr
Im laufenden Schuljahr 2023/24 meldeten die Schulen in Sachsen-Anhalt bis zum Mai 62 verfassungsfeindliche extremistische Fälle an das Landesschulamt. Im gesamten Schuljahr davor waren es noch 25.
Es handelt es sich dabei um Verdachtsfälle. Das heißt, manche davon entpuppten sich später als falscher Verdacht. Auch wird in der Statistik nicht zwischen Links- und Rechtsextremismus oder anderen Extremismusformen unterschieden.
Das Bildungsministerium geht aber davon aus, dass es sich in den meisten Fällen um Rechtsextremismus handelt.
Bildungsministerin warnt vor Generalverdacht
Zugleich warnt Bildungsministerin Eva Feußner davor, die Schülerinnen und Schüler unter Generalverdacht zu stellen. "Wir haben im Land knapp 211.000 Schülerinnen und Schüler. Und da liegt der Anteil dieser Vorfälle im Promillebereich bei 0,03 Prozent. Nicht jeder Vorfall, der vonseiten der Schulen gemeldet wird, ist auch ein Fall für die Ermittlungsbehörden."
Das Bildungsministerium gibt Handlungsleitfäden an Schulen heraus. Dort ist beschrieben, wie Lehrerinnen und Lehrer mit rechtsextremen Vorfällen umgehen sollten. Die Ministerin sieht die Schulen damit gut aufgestellt.
Bildungsreferent Buhmann dagegen erlebt immer wieder, dass Lehrkräfte überfordert sind: "Uns wird auch immer häufiger berichtet, dass die sozialpädagogischen Anforderungen an Lehrerinnen und Lehrer zunehmen. Aber gleichzeitig müssen sie eben auch den Fachunterricht durchbekommen. Und wenn die Schule jetzt Glück hat, hat sie natürlich auch eine Stelle für Schulsozialarbeit. Aber die sind in Sachsen-Anhalt auch meistens prekär finanziert."
Prävention: Gedenkstättenbesuche reichen nicht
Ein weiteres Problem sieht Torsten Wahl, Landesvorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung in Sachsen-Anhalt: "Man sollte insbesondere bei den jungen Lehrkräften, auch vor allem bei den Seiteneinsteigenden, Wert darauf legen, dass sie das vielleicht im Rahmen ihrer Ausbildung noch mitbekommen."
Und dann ist da noch die Prävention. Sachsen-Anhalt setzt dort unter anderem auf Besuche von Gedenkstätten, in denen die Schülerinnen und Schüler über die Verbrechen des Nationalsozialismus aufgeklärt werden. Solche Exkursionen werden voll finanziert. Laut Bildungsministerien nehmen immer mehr Schulen Gelder dafür in Anspruch.
Noah Buhmann hält Gedenkstättenbesuche für einen wichtigen Teil der Aufklärung. Zu häufig würden sie aber als Allheilmittel gegen Rechtsextremismus verstanden. "Diese Bearbeitung aktueller Vorfälle nur mit Blick auf die Geschichte des Nationalsozialismus kann dazu einladen, das Problem auf etwas Vergangenes und Abgeschlossenes zu reduzieren." Deshalb, so glaubt er, muss im Unterricht auch mehr über aktuelle Vorfälle von rechtsextremer Gewalt gesprochen werden.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 12. Juni 2024 | 06:21 Uhr