Verfassungsschutzbericht Mehr Reichsbürger in Sachsen-Anhalt aktiv
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20. Juni 2023, 19:46 Uhr
Innenministerin Zieschang hat am Dienstag den Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2022 vorgestellt. Die größte Gefahr für Sachsen-Anhalt gehe von Rechtsextremisten aus. Insbesondere sei die Szene der sogenannten Reichsbürger im vergangenen Jahr weiter gewachsen.
- Reichsbürger um Peter Fitzek haben mit massiver Öffentlichkeitsarbeit die eigene Anhängerschaft vergrößert.
- Im ländlichen Raum machen sich völkische Siedler "Weda Elysia" breit.
- Linksextremisten und Islamisten sind weniger dominant in Sachsen-Anhalt.
Die Zahl der sogenannten Reichsbürger in Sachsen-Anhalt ist binnen drei Jahren um fast ein Drittel angewachsen. Das geht aus dem neuen Verfassungsschutzbericht hervor, den Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) und Verfassungsschutzchef Jochen Hollmann am Dienstag in Magdeburg vorgestellt haben. Der Verfassungsschutz rechnete der Reichsbürgerszene demnach noch im Jahr 2022 insgesamt 650 Anhänger zu, nach 600 im Jahr 2021 und 500 im Jahr 2020.
Vor dem Hintergrund der Coronapandemie und dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine habe die Szene erfolgreich neue Anhänger rekrutieren können und nutze dabei verschwörungsideologische Erzählungen.
Größter Reichsbürgerkreis um selbsternannten "König" Peter Fitzek
Das sogenannte "Königreich Deutschland" um dessen Gründer Peter Fitzek ist demnach weiterhin der größte und aktivste Personenzusammenschluss der Reichsbürgerszene in Sachsen-Anhalt mit dem Ziel, ein von der Bundesrepublik Deutschland unabhängiges Staatswesen zu errichten. Der Gruppe sei es auch 2022 durch massive Öffentlichkeitsarbeit gelungen, ihre Anhängerschaft zu vergrößern und räumlich zu expandieren.
Um Gewerbetreibende werbe die Gruppierung mit einer vermeintlichen Aussicht auf ein "steuerfreies Wirtschaftssystem" oder ein "zinsfreies Geldsystem". Zudem versuche der Zusammenschluss, großflächige Immobilien zu kaufen, um eigene Dorfprojekte aufzubauen. Für Kommunen sei es oft schwierig, hinter Tarnvereinen Kaufinteressenten mit Verbindung zum selbsternannten "Königreich Deutschland" zu erkennen.
Völkische Siedler "Weda Elysia" im Harz "gesichert rechtsextrem"
Hinzu kämen sogenannte völkische Siedler. Diese Gruppierungen siedelten sich in ländlichen Regionen an, um dort Rückzugsräume für ein ungestörtes Praktizieren ihrer völkischen Lebensweise zu schaffen und ihre Umgebung ideologisch zu vereinnahmen, führte der Verfassungsschutzchef aus. Als Beispiel nannte Hollmann den Verein "Weda Elysia" in Blankenburg im Harz. Der Verein sei einer antisemitischen Bewegung zuzurechnen und habe enge Verbindungen zu anderen rechtsextremistischen Akteuren wie dem neonazistischen Verein "Artgemeinschaft". Der Verfassungsschutz hat den Verein als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung" eingestuft.
Vom Rechtsextremismus geht unter dem Strich nach Aussagen von Innenministerin Zieschang die größte Gefahr für Sachsen-Anhalt aus. Das Gewaltpotenzial bleibe hoch. Die Verfassungsschützer schätzen, dass aktuell etwa 1.270 Menschen der Szene angehören, was ungefähr auf dem Niveau des Vorjahres liegt. Ein großer Teil des Personenpotenzials wird vom Verfassungsschutz als gewaltbereit eingestuft.
Zulauf durch Corona- und Energiepreis-Proteste
Extremisten aus verschiedenen Bereichen versuchten laut Verfassungsschutzbericht im vergangenen Jahr insbesondere, Proteste und Demos für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Demnach nutzten Rechtsextremisten, "Reichsbürger", Angehörige der sogenannten Deligitimierer-Szene und Linksextremisten aktuelle Krisensituationen, um ihre Ideologie zu verbreiten und Misstrauen gegen den Staat zu säen, hieß es. Dies sei im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit den Protesten rund um den Angriffskrieg auf die Ukraine, der Inflation sowie den steigenden Energiepreisen erfolgt.
Was sich hinter den Begriffen Reichsbürger und Deligitimierer verbirgt
"Reichsbürger" bestreiten die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und erkennen deren Rechtsordnung nicht an. Im Zuge der Proteste gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie hatte der Verfassungsschutz zudem verfassungsfeindliche Bestrebungen erfasst, bei denen die Protagonisten nicht den klassischen Bereichen Rechts- oder Linksextremismus zugerechnet werden können. Die Behörde hat deshalb den Bereich "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" eingerichtet.
Dem Bereich des Linksextremismus rechnet Sachsen-Anhalts Verfassungsschutz gegenwärtig 600 Menschen zu. Etwas weniger als die Hälfte davon seien gewaltorientiert. Dem Bereich Islamismus rechnet die Behörde 400 Personen zu.
afp, dpa, MDR (Daniel Salpius)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 20. Juni 2023 | 15:00 Uhr
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