Probleme mit Android "Hosentaschenanrufe" beschäftigen Notruf-Leitstellen
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10. Juli 2023, 10:11 Uhr
Bei Sachsen-Anhalts Polizei-Leitstellen gehen immer mehr sogenannte "Hosentaschenanrufe" ein. So berichten zum Beispiel Disponenten aus Stendal, dass in einigen Schichten gefühlt jeder dritte Anruf ein Fehlanruf sei. Die Fehlanrufe binden Zeit und Energie der Disponenten, die eigentlich Menschen in Not helfen wollen. Wahrscheinlich ist eine Android-Funktion dafür verantwortlich, dass der Notruf oft versehentlich gewählt wird.
- In Sachsen-Anhalt gehen immer mehr Anrufe in Leitstellen ein, die aus Versehen getätigt wurden. Wahrscheinlich gehen sie auf eine technische Neuerung in Handys zurück.
- In Leitstellen, zum Beispiel in Stendal und im Burgenlandkreis, hat die Zahl der "Hosentaschenanrufe" in den vergangenen Monaten spürbar zugenommen.
- Android-Nutzerinnen und -Nutzer können ihr Smartphone bereits updaten, um Hosentaschen-Notrufe zu vermeiden.
Polizei und Feuerwehr in Sachsen-Anhalt haben zunehmend mit versehentlich gewählten Notrufen zu kämpfen. Bei den sogenannten "Hosentaschenanrufen" wählt das Smartphone von alleine den Notruf – und besetzt dabei die Notruf-Leitung für andere Menschen, die tatsächlich Hilfe brauchen.
Wahrscheinlich hat ein neues Update das Smartphone-Betriebssystem Android dafür gesorgt, dass "Hosentaschenanrufe" schneller passieren. Davon gehen Fachleute aus. Die englische Rundfunkanstalt BBC berichtet, dass die neue SOS-Funktion ausgelöst wird, wenn man die Anschalt-Taste fünfmal oder noch häufiger hintereinander drückt.
Demnach hat das Update Nutzenden zwar erleichtern sollen, in Notsituationen den Notruf zu wählen. Gleichzeitig sind auf diese Art ungewollte Anrufe offenbar leichter passiert. Android ist das mit Abstand meistgenutzte Betriebssystem für Smartphones in Deutschland.
Stendal: Gefühlt jeder dritte Anruf aus der Hosentasche
Die Polizeiinspektion Stendal gab auf Nachfrage von MDR SACHSEN-ANHALT bekannt, dass das Phänomen subjektiv betrachtet spürbar zugenommen habe. Disponenten berichteten, dass in einigen Schichten gefühlt jeder dritte Anruf ein Hosentaschen- bzw. Fehlanruf sei.
Bis zum 23. Juni seien im Jahr 2023 insgesamt 1.892 Fehlanrufe erfasst worden. Zwar seien nur 325 davon als sogenannte "Hosentaschenanrufe" eingestuft worden. Allerdings sei es nicht vorgeschrieben, die Anrufe zu klassifizieren, so dass der tatsächliche Anteil der "Hosentaschenanrufe" in der Gruppe der Fehlanrufe eher höher sei.
Burgenlandkreis: Mehr als 4.000 Fehlanrufe
In der Leitstelle des Burgenlandkreises seien in diesem Jahr bislang mehr als 4.000 Fehlanrufe eingegangen, teilte die Pressestelle des Landkreises bereits vor einigen Wochen mit. Besonders in den vergangenen zweieinhalb Monaten seien viele davon "Hosentaschenanrufe" gewesen, hieß es.
Auch die Polizeiinspektion Dessau-Roßlau teilte MDR SACHSEN-ANHALT mit, seit geraumer Zeit gingen immer mehr Notrufe ein, die sich als Fehlanrufe herausstellten. Ob es einen Zusammenhang mit Android gebe, sei unklar. Wie viele Fehlanrufe in den vergangenen Wochen in der Leitstelle in Dessau-Roßlau eingegangen sind, kann die Polizei eigenen Angaben zufolge aber nicht beziffern.
Fehlanrufe führen zu längeren Bearbeitungszeiten
Schwierig für die Disponenten in der Leitstelle sei, dass jeder Anruf als Einzelfall betrachtet werden müsse. "Nicht jeder Fehlanruf oder jede Fehlbedienung kann ad hoc als solche auch erkannt werden", schreibt die Polizeiinspektion Dessau-Roßlau auf MDR-Anfrage. Mitunter führten derartig eingehende Notrufe daher auch zu einer längeren Bearbeitungszeit für die Menschen im Lage- und Führungszentrum, wo die Anrufe ankommen.
Nicht jeder Fehlanruf, jede Fehlbedienung kann ad hoc als solche auch erkannt werden. Mitunter führen derartig eingehende Notrufe daher auch zu einer längeren Bearbeitungszeit.
Höchste Konzentration gefordert
Ähnlich formuliert es die Leitstelle im Burgenlandkreis: "Erreicht ein solches Telefonat die Leitstelle, ist von den Disponenten höchste Konzentration gefordert. Denn sie müssen aus den Geräuschen am anderen Ende genau heraushören, ob ein Unglück oder nur ein unbeabsichtigter Anruf vorliegt. Schließlich kann es auch sein, dass der Anrufer nicht mehr in der Lage ist, deutlich zu sprechen." Die Fehlanrufe kosteten so wertvolle Zeit.
Erreicht ein solches Telefonat die Leitstelle, ist von den Disponenten höchste Konzentration gefordert. Sie müssen aus den Geräuschen heraushören, ob ein Unglück oder nur ein unbeabsichtigter Anruf vorliegt.
Fehler in neuem Android-Update behoben
Auch die sächsische Polizei gibt auf Nachfrage von MDR SACHSEN-ANHALT an, eine steigende Tendenz von ungewollten Anrufen in den Polizeidirektionen festgestellt zu haben. Die Pressestelle schreibt zu den Anrufen: "Das bindet Arbeitszeit, in der die Sachbearbeitenden nicht für Notruf-Annahmen oder Einsatz-Betreuungen zur Verfügung stehen können." Gehe ein solcher Fehlanruf ein, könnten die Mitarbeitenden nur sichergehen, dass es wirklich keinen Notfall gibt, indem sie zurückrufen, bis sie den Anrufer erreichen.
Android hat den Fehler in seinem neuesten Update bereits behoben. Die Leitstelle des Burgenlandkreises appelliert deswegen an alle Handy-Besitzer mit Android-Betriebssystem, das bereitgestellte neue Update zu installieren. "Nur so können wir die Zahl der Fehlanrufe in der Leitstelle reduzieren", betont David Abram, Disponent in der Leitstelle des Burgenlandkreises.
MDR (Alisa Sonntag, Max Fürstenberg, Andreas Manke)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 10. Juli 2023 | 07:00 Uhr
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