Rundgang mit dem Oberbürgermeister Warum Barrierefreiheit in der Welterbestadt Quedlinburg so schwierig ist
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27. September 2024, 17:52 Uhr
Quedlinburg ist Mittelalter pur mit seinem uralten Straßenpflaster und den verwinkelten und engen Gassen. Trotzdem macht sich die Welterbe-Stadt seit Jahren Gedanken, wie sie barrierefreier werden kann. Der Bürgermeister veranstaltet jedes Jahr einen Rundgang mit Behindertenvertretern. Diesmal stand der zehnte an. Zeit, Bilanz zu ziehen.
- Der Oberbürgermeister von Quedlinburg veranstaltet jedes Jahr einen Rundgang, bei dem auf die Barrieren in der Stadt aufmerksam gemacht werden soll.
- So konnten in den letzten zehn Jahren schon einige Hindernisse aus dem Weg geräumt werden.
- Doch es gibt noch einiges zu tun, bis die Welterbestadt komplett barrierefrei ist.
Es holpert und poltert. Mühsam bahnt sich Klaus Stegmann mit seinem Rollstuhl einen Weg über Quedlinburgs Straßenpflaster. Er ist ganz in der Nähe des ältesten Fachwerkhauses der Stadt unterwegs, einem Ständerbau aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Dann will Klaus Stegmann in einen kleinen Weg einbiegen. Dorthin geht es nur über einen Bordstein. Mit dem Vorderrad seines dreirädrigen Rollstuhls schafft er es noch, dann steckt er fest. "Das wird jetzt nichts", resigniert er.
Ein alltägliches Hindernis für den 66-Jährige, der sich in der Arbeitsgruppe "Barrierefreie Welterbestadt Quedlinburg" engagiert. Er ist seit 24 Jahren querschnittsgelähmt und nun wieder mal mit seinem Oberbürgermeister unterwegs.
Oberbürgermeister freut sich über Hinweise
Rathauschef Frank Ruch (CDU) möchte auf solche Problemstellen aufmerksam gemacht werden, wenn er seinen jährlichen Rundgang mit Behinderten startet. Der sei ein Wahlversprechen von ihm gewesen, erinnert sich der 63-Jährige. Ruch hatte vor seiner Wahl vor vier Jahren versprochen, sich einmal in die Situation eines Gehbehinderten zu versetzen und mit einem Rollstuhl durch die Stadt zu fahren. Daraus wurde eine Tradition.
Er habe damals gesagt, er wolle sich um die Barrieren in seiner Stadt kümmern. Er und auch die Betroffenen wüssten, dass eine historische Stadt wie Quedlinburg nie ganz barrierefrei sein könne, aber es gebe immer Möglichkeiten, in diesem Bereich etwas zu verbessern, sagt Ruch. Außerdem müsse das Thema Barrierefreiheit stärker in die Öffentlichkeit und in die Verwaltungen gebracht werden. Nach seiner Wahl im Jahr 2015 startete Ruch einen ersten Rundgang mit Behindertenvertretern.
Bordsteinkanten, Schlaglöcher und Schilder auf dem Gehweg nicht barrierefrei
Dieses Mal – beim zehnten Rundgang begleiten den Oberbürgermeister rund 30 Personen – Frauen und Männer in Rollstühlen und mit Rollatoren, Sehbehinderte, Angehörige, Behördenmitarbeiter. Plötzlich steht auf dem Fußweg ein Baustellenschild. Ute Kittel verheddert sich mit ihrem Rollstuhl an der Engstelle. Sie habe da regelrecht festgehangen und ein bisschen Panik bekommen.
Bordsteinkanten, Schlaglöcher, Schilder auf dem Gehweg – die Problemstellen werden von Mitarbeitern der Stadtverwaltung notiert. Jedes Mal gibt es eine Mängelliste. Jedes Mal stehen zwischen fünf und fünfzehn Positionen darauf. Und was wurde davon umgesetzt? Mit der Bilanz nach zehn Rundgängen sei er ganz zufrieden, sagt der Oberbürgermeister. Etwa 100 Hindernisse seien in der Zeit beseitigt worden, so Ruch.
Einige Hindnernisse wurden schon aus dem Weg geräumt
So erhielten die Kircheneingänge flachere und damit besser nutzbare Rampen. Es wurden etliche Schlaglöcher beseitigt, lose Pflastersteine eingesetzt, Gehwegplatten ausgewechselt und Bordsteine abgesenkt. Größeren Aufgaben wie etwa eine glattere Rollispur einrichten oder Straßenbeläge erneuern, könnten meist erst im Zuge von kompletten Straßensanierungen erfolgen, so Ruch. Und das dauere.
Auch einen Bordstein absenken oder einen im Weg stehenden Laternenpfahl umsetzen, sei nicht so einfach. So etwas koste einige tausend Euro – Geld, das eine Stadt wie Quedlinburg eigentlich nicht habe.
Barrieren sichtbar machen – auch für Touristen
Dabei könnte auch kostengünstig noch einiges verbessert werden. Sichtbarkeit ist für Klaus Stegmann ein großes Thema. Er kenne sich aus, wisse, welchen Umweg er fahren müsse, um zum Beispiel Rampen oder abgesenkte Bordsteine nutzen zu können. "Doch die Touristen?", fragt sich Stegmann und zeigt ein Beispiel.
An der Kulturkirche St. Blasii sind an der Straßenseite eine unscheinbare Klingel und ein kleines Schild angebracht, das sinnbildlich zeigt, dass sich auf der Rückseite ein rollstuhlgerechter Zugang befindet. Dort im Innenhof befindet sich eine breite Rampe vor einer verschlossenen Eingangstür. Warum hier keine Klingel sei, fragt Klaus Stegmann.
Dokumentierte Mängel sollen nach und nach beseitigt werden
Es ist ein langer Weg hin zu mehr Barrierefreiheit. Trotzdem kommt die Aktion gut an, auch weil es um mehr als nur Bordsteine und Schlaglöcher geht, um Verständnis nämlich für die Probleme Behinderter. "Eigentlich hat es sich gelohnt", sagt Stegmann. Er findet, dass diese Rundgänge eine gute Idee seien. In den nächsten Wochen wird er ein Protokoll und eine Mängelliste des Rundgangs erhalten und dann schauen, was davon in den nächsten Monaten abgearbeitet werden kann. Im nächsten Jahr wird er wieder dabei sein beim dann elften Behinderten-Rundgang des Quedlinburger Oberbürgermeisters.
MDR (Carsten Reuß, Fabienne von der Eltz)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 27. September 2024 | 09:30 Uhr
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