Lebensmittel aus Mülltonnen "Containern" ist in Sachsen-Anhalt vorerst weiter strafbar

22. Januar 2023, 08:28 Uhr

Lebensmittel aus Mülltonnen von Supermärkten zu "containern" könnte künftig straffrei sein – wenn die Bundesländer sich dafür entscheiden. In Sachsen-Anhalt ist das bisher nicht geplant. Das Land will Lebensmittelverschwendung mit anderen Mitteln bekämpfen. Das hatte der Landtag bereits im Mai 2022 gefordert. Seitdem gab es dazu aber nur eine Videokonferenz im Landwirtschaftsministerium. Eine Kampagne soll im Herbst folgen.

Bild einer jungen Frau
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Dass das "Containern", also Lebensmittel aus Mülltonnen von beispielsweise Supermärkten zu holen, straffrei werden könnte, ist in Sachsen-Anhalt bislang nicht angekündigt worden. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hatten zuletzt bei den Bundesländern dafür geworben, Menschen nicht mehr zu bestrafen, die noch genießbare Lebensmittel aus Müllcontainern holen. Voraussetzung dafür sei, dass diese dabei keine anderen Straftaten begehen, etwa Hausfriedensbruch, indem sie hohe Zäune überwinden, oder Sachbeschädigung durch das Aufbrechen von Schlössern.

"Die Justizministerinnen und Justizminister der Länder haben sich bereits 2019 mit dem Thema 'Lebensmittelverschwendung bekämpfen' befasst und seinerzeit beschlossen, dass Lebensmittelverschwendung und Lebensmittelvernichtung möglichst von vornherein vermieden werden sollte", erklärte der Sprecher von Sachsen-Anhalts Justizministerium, Danilo Weiser, auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT. Ein Antrag, Containern zu entkriminalisieren, war damals abgelehnt worden. Mit Blick auf die damaligen Beschlüsse prüfe das Ministerium nun den Vorstoß von Buschmann und Özdemir, sagte Weiser.

Darum ist es strafbar, Lebensmittel aus Mülltonnen zu holen

Ein Supermarkt ist auch dann Eigentümer von Lebensmitteln, wenn diese bereits im Abfall sind. So begründete das Bundesverfassungsgericht im Sommer 2020 sein Urteil, laut dem Containern eine Straftat ist. Schließlich plane der Markt, die Abfälle an ein Entsorgungsunternehmen zu übergeben. Befinde sich der Müll auf dem Gelände des Supermarktes und sei der Container verschlossen, sei das ein weiterer Beleg dafür, dass nicht einfach jemand anders die Lebensmittel entnehmen soll.

Anlass war die Verfassungsbeschwerde zweier Frauen, die verurteilt worden waren, nachdem sie Lebensmittel aus dem verschlossenen Müllcontainer eines Supermarktes geholt hatten.

Straffreies Containern in Sachsen-Anhalt schon zuvor gescheitert

In Sachsen-Anhalt war zuletzt im Mai vergangenen Jahres ein Antrag der Linken gescheitert, in dem die Fraktion von der Landesregierung forderte, dass "das sogenannte Containern von der Strafverfolgung ausgeschlossen wird".

Wie häufig solche Fälle in Sachsen-Anhalt angezeigt, verfolgt und geahndet werden, dazu liegen keine Daten vor. Justizministeriumssprecher Weiser erklärte, Straftaten würden als Delikte nach Strafgesetzbuch aufgenommen, also beispielsweise als "Diebstahl". Eine konkretere Unterteilung oder eine Zusatzangabe "Containern" gebe es in der Statistik nicht.

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Haushalte werfen mehr Lebensmittel weg als Supermärkte

Laut Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir kann straffreies Containern dazu beitragen, dass weniger Lebensmittel verschwendet werden. Welchen Effekt eine solche Richtlinie tatsächlich hätte, ist umstritten.

Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass im Handel nur ein geringer Teil der Lebensmittelabfälle entsteht. Im Jahr 2020 waren es demnach mit 800.000 Tonnen knapp sieben Prozent der Lebensmittel, die in Deutschland weggeworfen worden sind. Der mit Abstand größte Teil von 59 Prozent (6,5 Millionen Tonnen) falle in privaten Haushalten an. Jeder Mensch in Deutschland habe also rund 78 Kilogramm Lebensmittel weggeworfen.

Zu Lebensmittelabfällen in Sachsen-Anhalt liegen keine genauen Zahlen vor. Daten des Statistischen Landesamtes zeigen lediglich, wie viel Müll in den Biotonnen privater Haushalte landet. Demnach hat jeder Sachsen-Anhalter im Jahr 2021 im Schnitt etwa 477 Kilogramm Müll entsorgt, davon knapp 127 Kilogramm in der Biotonne. Dabei sei allerdings nicht berücksichtigt, was im Biomüll entsorgt wird und wie viele Bioabfälle in anderen Tonnen landen.

Videokonferenz gegen Lebensmittelverschwendung

Dass grundsätzlich weniger Lebensmittel im Müll landen sollten, darin waren sich die Abgeordneten in Sachsen-Anhalts Landtag im Mai 2022 einig. Ein Änderungsantrag der Koalition für "verantwortungsvolle[n] Umgang mit Lebensmitteln" wurde angenommen. Darin wird die Landesregierung unter anderem aufgefordert, Konzepte zu entwickeln, wie sowohl Verbraucherinnen und Verbraucher als auch Produzenten und Händler Lebensmittelabfälle verringern können.

Um das umzusetzen, hat laut Antwort des Landwirtschaftsministeriums auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT bislang eine Videokonferenz stattgefunden. An dieser hätten unter anderem auch das Umwelt- und das Gesundheitsministerium teilgenommen, die Landesvereinigung für Gesundheit, die Agrarmarketinggesellschaft und die Verbraucherzentrale. Diesen Austausch wolle man fortsetzen.

"Die Landesregierung ist in diesem Bereich bisher kaum aktiv geworden", kritisiert die Linken-Fraktionsvorsitzende Eva von Angern. Die Fraktion bleibe dabei, dass Containern nicht mehr unter Strafe stehen sollte. Zudem sollten Hersteller und Supermärkte zu verpflichtet werden, Lebensmittel an Tafeln oder andere soziale Einrichtungen abzugeben. Dafür wolle man sich im Landtag weiter einsetzen.

Kampagne gegen Lebensmittelverschwendung im Herbst geplant

Auch das Landwirtschaftsministerium wird sich nach eigenen Angaben weiterhin damit beschäftigen, Lebensmittelverschwendung zu verringern: "Minister Sven Schulze misst diesem Thema eine besondere Bedeutung bei", heißt es.

Im Zeitraum der bundesweiten Aktionswoche "Deutschland rettet Lebensmittel" wolle man in diesem Jahr eine landeseigene Kampagne auf die Beine stellen. Bislang sei in der Aktionswoche im Herbst beispielsweise Obst an Kitas und Schulen verteilt worden, Erntedankfeste und Bauernmärkte hätten stattgefunden und gelbe Bänder an Obstbäumen hätten markiert, wo Früchte gepflückt werden können. Was das Land in diesem Jahr plant, erklärte das Ministerium nicht.

MDR (Maren Wilczek)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 22. Januar 0023 | 09:06 Uhr

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