Nach Vorwürfen Rundfunkdebatte im Landtag: Weitere Reformen gewünscht
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10. September 2022, 12:50 Uhr
Im Landtag von Sachsen-Anhalt sorgen die Vorgänge bei rbb, NDR und MDR für Unmut. Die Kritik verbindet sich mit Rufen nach weitergehenden Reformen. Uneins ist man sich über den Weg dahin. Die CDU-Fraktion hofft, dass der bereits vorliegende Medienänderungsstaatsvertrag noch einmal nachverhandelt werden kann.
Sachsen-Anhalts CDU-Medienpolitiker Markus Kurze hat die Leitungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu schnellen Veränderungen aufgefordert. "Wenn die Intendanten und Anstalten jetzt nicht reagieren, dann droht ein Komplettversagen", sagte Kurze am Donnerstag vor dem Landtag. Schon jetzt gebe es in der Bevölkerung keine Mehrheit mehr für die Erhebung des Rundfunkbeitrags.
Unter anderem angesichts aktueller Vorwürfe der Vetternwirtschaft beim rbb und der politischen Einflussnahme beim NDR hatte die CDU-Fraktion eine Debatte zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk beantragt. Kurze warf den Anstalten in dieser Situation einen "intransparenten Umgang" und vereinzelte "Selbstbedienungsmentatlität" vor.
MDR: "Erwarten lückenlose Aufklärung"
Gegenüber dieser Redaktion bezeichnete ein MDR-Sprecher die Vorwürfe gegen den RBB als "schwerwiegend". Man erwarte lückenlose Aufklärung und Konsequenzen. Auch im MDR würden einzelne Themen und Sachverhalte noch einmal genauer angesehen – unter anderem Dienstwagen (Konditionen, Modelle, Ausstattungspakete). Zudem würden die Compliance-Regeln stetig weiterentwickelt.
"Maßgebliche Prinzipien, wie das Vier-Augen-Prinzip bei der Verwendung von Mitteln und die Trennung von Bedarf und Beschaffung sind seit Jahren ausdifferenziert und stringent umgesetzt", so der Sprecher.
CDU sieht Redebarf bei aktuellem Reformentwurf für Medienstaatsvertrag
Thema war auch der demnächst zur Abstimmung stehende Medienänderungsstaatsvertrag. Die darin von der Politik vorgelegten Reformen beim Auftrag und Struktur des Rundfunks gehen der CDU nicht weit genug. Ein kategorisches Nein zum Staatsvertrag kündigte Kurze nicht an, sagte aber: "Vielleicht gibt es noch die Option, ihn an der ein oder anderen Stelle noch zu verändern." In diesem Fall müsste die Runde der Ministerpräsidenten und -präsidentinnen das Papier neu aushandeln.
Das ist der Medienänderungsstaatsvertrag
Die Politik gibt in Staatsverträgen die Rahmenbedingungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vor – etwa welche Hörfunk und TV-Angebote ein Sender wie der MDR produzieren muss.
Medienminister Rainer Robra (ebenfalls CDU) verteidigte die geplante Reform dann auch nur teilweise. "Er ist in der Tat nicht der große Wurf", sagte Robra. Die von ihm geforderte Stärkung der Aufsichtsgremien sei allerdings wichtig. Insgesamt handle es sich um "einen Kompromiss, den man nicht blockieren sollte". Weitere Reformen sollen folgen.
Wie weitere Reformen aussehen könnten, hatte CDU-Fraktionschef Guido Heuer bereits Anfang der Woche gesagt: mehr Prüfrechte für Landesrechnungshöfe bei den einzelnen Sendeanstalten, gedeckelte Intendantengehälter und eine Reduktion des ARD-internen Finanzausgleichs. Eine Möglichkeit für Letzteres, so Heuer, wäre die Verschmelzung der kleinen Sender Radio Bremen und Saarländischer Rundfunk mit größeren Anstalten. Heuer will sich mit SPD und FDP auf einen gemeinsamen Änderungsvorschlag verständigen.
Idee des "Ostrundfunks" im Landtag ohne Mehrheit
Einen solchen hat Linken-Medienpolitiker Stefan Gebhardt mit der Neugründung einer ostdeutschen Sendeanstalt auf dem Gebiet von MDR, rbb und NDR Mecklenburg-Vorpormmern bereits vorgelegt. Dadurch könnte der Osten "Vorreiter für Strukturreformen" werden, sagte Gebhardt vor dem Parlament. "Das würde auch den Reformdruck auf westdeutsche Anstalten bringen."
Im Landtag traf das auf Ablehnung. Dorothea Frederking (Grüne) warnte vor einem "Rückfall in ein Ost-West-Denken". Frederking lobte rbb und NDR für die derzeitige Berichterstattung in eigener Sache. Sie stellten eine "kritische Öffentlichkeit" selbst her. Der CDU warf sie vor, bei vorangegangenen Diskussionen um eine Reform der Gehaltsstruktur der Sender nicht mitgezogen zu haben.
Auch SPD und FDP für weitere Reformen
Die SPD wirbt für eine Zustimmung zum aktuellen Reformpapier, hält es aber auch für nicht ausreichend. Eine Situation wie 2020 wolle er dennoch "Parlament und dem Ministerpräsidenten nicht zumuten", sagte Holger Hövelmann. Für weitere Reformen müssten neben der Landesregierung auch Sachsen-Anhalts Abgeordnete "auf unsere Kollegen in den anderen Ländern zugehen".
MDR-Mitarbeitende fordern mehr Teilhabe in Offenem Brief
Zwei Vorgänge mit MDR-Bezug wurden am Rande der Debatte erwähnt: der überraschende Rücktritt der ehemaligen Landesfunkhausdirektorin in Sachsen-Anhalt, Ines Hoge-Lorenz, und die Gutachtertätigkeit des ehemaligen Landesrechnungshofspräsidenten und KEF-Mitglieds Ralf Seibicke für den MDR in den Jahren 2016 und 2017. In letzterer Angelegenheit erwägen Abgeordnete mehrerer Fraktionen derzeit die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Seibicke und die MDR-Leitung verteidigen die Vergabe als korrekt und im Einklang mit damals geltenden Richtlinien.
Am Mittwoch hatten sich 75 feste und freie Beschäftigte des MDR in Sachsen-Anhalt an die Intendantin Karola Wille gewandt. In einem Offenen Brief fordern sie mehr Teilhabe an zukünftigen Personalentscheidungen und eine "neue Form der Kommunikation bei MDR-kritischen Themen".
Von einem MDR-Sprecher hieß es dazu am Donnerstag, man verstehe die Verunsicherung im Funkhaus Sachsen-Anhalt. Zwischenzeitlich seien "sehr viele Fragen" in zwei Mitarbeiterversammlung beantwortet worden.
Der FDP-Medienpolitiker Guido Kosmehl verwies auf die für 2023 anstehende Änderung des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag. Da müsse dann Druck beim Finanzausgleich gemacht werden, so Kosmehl. "Wenn wir denen immer nachgeben, werden die pro forma immer überleben können", sagte er in Richtung Saarland und Bremen und ihrer Sendeanstalten. Zudem müssten Aufsichtsgremien wie Rundfunk- und Verwaltungsräte schon jetzt mehr tun, um eine eigenständige "Programmausweitung durch die Anstalten" zu überwachen.
Die AfD erneuerte ihre inhaltliche Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Tobias Rausch warf "den Medien" vor, in der Migrationskrise, der Corona-Pandemie und in der Energiekrise tendenziös berichtet zu haben. In der Folge habe eine breite Masse der Bevölkerung "einen Vertrauensverlust erlitten". Angesichts der Gehälter-Debatte um die Führungsebene der Sender sagte Rausch, diese hätte in keinem Fall eine Auswirkung auf die Höhe des Rundfunkbeitrags.
Anmerkung der Redaktion: Während der Landtagsdebatte wurden zwei Reporter des MDR von AfD-Fraktionschef Oliver Kirchner verbal angegriffen. Über den Vorfall und die Reaktionen berichten wir aufgrund journalistischer Trennung gesondert in dem Beitrag "Scharfe Kritik an AfD-Fraktionschef Kirchner nach verbalen Angriffen auf Journalisten".
MDR (Thomas Vorreyer, Roland Jäger, Engin Haupt)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 08. September 2022 | 19:00 Uhr
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