Wasser, Wirtschaft, Umwelt Warum Sachsen-Anhalt ein Wassermanagement braucht

05. Juli 2020, 15:49 Uhr

Der Mensch besteht bis zu 70 Prozent aus Wasser. Auch sonst spielt Wasser eine zentrale Rolle auf diesem Planeten. Dass also in Zukunft auch Kriege um Wasser geführt werden, ist zumindest vorstellbar. Davon ist Sachsen-Anhalt zwar weit entfernt, dennoch zeichnet sich ein künftiger Wassermangel ab, denn die Grundwasserspiegel sinken seit Jahren. Die Verteilung von Wasser muss neu geregelt werden.

Portrait-Bild von Uli Wittstock
Bildrechte: Uli Wittstock/Matthias Piekacz

"Der Landkreis Jerichower Land bittet die Bevölkerung, sparsam und bewusst mit dem Wasser aus Seen und Flüssen sowie mit dem Grundwasser aus eigenen Brunnen und dem Trinkwasser umzugehen. Die Bewässerung beziehungsweise Beregnung von Pflanzen sollte in die späten Abend-, Nacht- und frühen Morgenstunden verlegt werden, da die Verdunstung zu diesen Zeiten am geringsten ist."

Diese Meldung ist zehn Tage alt und zeigt, dass auch das Jahr 2020 alles andere als ein regenreiches ist. Im Umweltministerium in Magdeburg verfolgt man diese Entwicklung seit Jahren, doch Umweltministerin Claudia Dalbert (Die Grünen) warnt vor allzu voreiligen Schlüssen. 

Zwar warnt Dalberts Partei seit Jahren vor den Folgen des Klimawandels. Aber diese Folgen seien eben derzeit noch gar nicht so klar zu bemessen, so die Ministerin: "Wenn sie ein paar Jahre zurück denken, da beschäftigte sich der Landtag mit der Vernässung der Felder. Jetzt ist im dritten Jahr in Folge die Dürre das Thema. Also das zeigt schon, dass Langzeitprognosen auch immer wieder angepasst werden müssen." Dass Sachsen-Anhalt derzeit vor einem echten Wassermangel stehe, schließt Dalbert jedenfalls aus.

Debatte um Wassernutzung wird eine größere Rolle spielen

TWM – diese drei Buchstaben stehen für die Trinkwasserversorgung Magdeburg GmbH. Das Unternehmen versorgt rund 760.000 Sachsen-Anhalter mit Trinkwasser. Deshalb blickt das Unternehmen sehr genau auf die Grundwasserspiegel im Land. Die Kernaussage der Ministerin kann TWM-Geschäftsführer Alexander Ruhland bestätigen: "Derzeit gibt es genügend Wasser für Bürgerinnen und Bürger zur Versorgung. Wir haben aber in den letzten beiden Jahren gesehen, dass die Pegel nach unten gegangen sind."

Unsere Prognosen sagen auch, dass in Folge des Klimawandels sich deutlich weniger Grundwasser neu bilden wird. Deshalb müssen wir uns heute schon Gedanken machen, wie die Trinkwasserversorgung zukünftig gesichert werden kann.

TWM-Geschäftsführer Alexander Ruhland

Landwirtschaft, Naturschutz, Trinkwasser – alle wollen Ohre-Wasser

Verhältnisse wie in der Süd-Sahara erwartet in Sachsen-Anhalt niemand, aber ein zunehmender Konflikt um die Wassernutzung zeichnet sich bereits jetzt ab. Bespielhaft zeigt sich das am Fluss Ohre.

Die Ohre ist immerhin rund einhundert Kilometer lang, hat ihre Quelle im niedersächsischen Landkreis Gifhorn, fließt durch das Landschaftsschutzgebiet Drömling und mündet schließlich bei Rogätz in die Elbe. In Niedersachsen nutzen die Landwirte das Wasser der Ohre zur Beregnung ihrer Felder, im Drömling soll mit ihrem Wasser die alte Moorlandschaft wieder in ihren natürlichen Zustand versetzt werden. Bei Colbitz wird das Wasser der Ohre verrieselt, um die Trinkwasserversorgung von rund 500.000 Menschen zu sichern.

Stand-Up-Paddler auf der Ohre.
Stand-Up-Paddler auf der Ohre (Archivbild) Bildrechte: MDR/Holger Berg

Für so ein kleines Flüsschen sind das ziemlich viele Begehrlichkeiten, die sich aber nur schwer unter ein gemeinsames Interesse zwingen lassen, zumal die Ohre auch noch durch eine Landesgrenze geteilt wird. Für TWM-Geschäftsführer Ruhland ist die Situation an der Ohre nur der Vorgriff auf Debatten, die sich bei schwindendem Wasservorrat auch anderswo im Land ergeben können. "Hier sind eindeutig die Politik und Behörden gefragt, einen Ausgleich zu finden, um das Wasser zu verteilen. Im Moment reicht es ja noch für alle, aber das wird nicht so bleiben", so Ruhland.

Landkreise regeln Wasserverteilung

Ministerin Dalbert kennt diese Erwartungen – und zeigt dennoch wenig Lust, sich in die Pflicht nehmen zu lassen. Denn mit dem Wasser ist es wie mit dem Geld: Gibt es darum Streit, endet jede Freundschaft. Und eigentlich ist die Wasserentnahme ja auch schon jetzt geregelt, durch sogenannte Wasserrechte. Die legen fest, wer wann wieviel Wasser mit einem eigenen Brunnen entnehmen darf.

Doch es gibt ein Problem, sagt Ministerin Dalbert: "Die Wasserrechte wurden bislang unbefristet vergeben. Sollte der Trend der letzten Jahre anhalten, dann müssen wir davon ausgehen, dass die Zahl der Interessenten wächst, um auf das Grundwasser zuzugreifen. Das kann dann natürlich zu Konflikten führen."

Überblick über Wassernutzung fehlt

Von diesen Konflikten würde die Ministerin ihr Haus gerne unbehelligt sehen. Derzeit entscheiden die Landkreise über die Vergabe von Wasserrechten. Doch Grundwasservorkommen enden ja nicht an Kreisgrenzen. Bei den Wasserversorgern wie TWM wächst nun eine Befürchtung: Wenn nämlich die Landkreise die Wasserentnahme in ihrem Zuständigkeitsbereich regeln, dann fehlt der Überblick über das gesamte Wasservorkommen.

Ministerin Dalbert versteht diesen Einwand, schlägt aber vor, die Probleme vor Ort zu klären: "Es könnten ja Wasser- oder Bodenverbände gegründet werden, die dann den Umgang mit dem Wasser regeln. Bereits jetzt haben wir ja die sogenannten Unterhaltungsverbände, die sich um die Pflege der kleinen Flüsse und Bäche kümmern. Auch die könnten das Wassermanagement übernehmen."  

Die gute Nachricht ist, dass noch zwanzig bis dreißig Jahre Zeit bleiben, bis der Wassermangel ein größeres Problem wird. Insofern ist noch ausreichend Zeit für ein Umsteuern.

Portrait-Bild von Uli Wittstock
Bildrechte: Uli Wittstock/Matthias Piekacz

Über den Autor Geboren ist Uli Wittstock 1962 in Lutherstadt Wittenberg, aufgewachsen in Magdeburg. Nach dem Abitur hat er einen dreijährigen Ausflug ins Herz des Proletariats unternommen: Arbeit als Stahlschmelzer im VEB Schwermaschinenbaukombinat Ernst Thälmann. Anschließend studierte er evangelische Theologie. Nach der Wende hat er sich dem Journalismus zugewendet und ist seit 1992 beim MDR-Hörfunk. 2016 erschien sein Roman "Weißes Rauschen oder die sieben Tage von Bardorf" im Mitteldeutschen Verlag Halle.

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Quelle: MDR/mh

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