Kommentar Führt "Balkonaffäre" um Landtagspräsidenten zur Koalitionskrise?
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01. September 2023, 18:05 Uhr
"Warum hast du nicht Nein gesagt?" Der Hit von Roland Kaiser scheint wie der Soundtrack für die "Balkonaffäre" von Landtagspräsident Schellenberger. Nachdem der ranghöchste Politiker des Landes ein Kaiser-Konzert gratis vom Landtagsbalkon verfolgte, verstrickt er sich immer weiter in seinen Aussagen. Jetzt verliert er auch noch den Zuspruch einer dritten Fraktion. Ein Kommentar von MDR-SACHSEN-ANHALT-Politikreporter Lars Frohmüller.
- Die Statements von Landtagspräsident Schellenberger zur "Balkonaffäre" werfen immer mehr Fragen auf.
- Das Amt des Landtagspräsidenten ist durch den Vorfall und Schellenbergers Umgang damit beschädigt.
- Schellenbergers Verhalten sorgt innerhalb der CDU-Fraktion und in der Koalition für Uneinigkeit.
Landtagspräsident Gunnar Schellenberger macht es schwer, zu sagen: "Schwamm drüber, dumm gelaufen." Statt einer ehrlichen, reumütigen Antwort gibt es mit jedem neuen Statement des Landtagspräsidenten zum vom Landtagsbalkon verfolgten Roland-Kaiser-Konzert weitere Fragen. Schellenberger spricht von einem Essen ab 19:30 Uhr im Landtag, aber wo genau soll ein Essen stattgefunden haben? Er sagt weiter, ab 20:15 Uhr sei kein Gespräch mehr möglich gewesen: zu laut und stickig!
Aber der Landtag ist groß. Wenn nicht der Landtagspräsident, wer sonst sollte Alternativräume kennen, die nicht ausgerechnet in Richtung Roland-Kaiser-Konzert zeigen? In seinem Büro gibt es jederzeit Sekt und Wein? Ist das in jedem Landtagsbüro der Fall? Und vor allem: Was war das für ein obskurer Termin, der unbedingt am Samstagabend stattfinden musste, der aber fast drei Wochen später, nach dem Abbruch wegen Lärm und Hitze, nicht wiederholt wurde?
Es stellen sich viele, viele Fragen
Wie der Präsident selbst zugibt, ging es um eine Veranstaltung des Max-Planck-Instituts, von dem das Institut selbst nichts wusste. Und wie kann es bei nur sechs Personen darunter mindestens einen Gast geben, die der Landtagspräsident nicht kennt? Jeder Besucher im Landtag muss sich an der Wache melden. Ein Lichtbildausweis wird als Pfand einbehalten. Und dann stellt sich der Besuch nicht vor? Und der Landtagspräsident fragt auch nicht nach? Und warum ist einer der Gäste Schellenbergers Frau, der andere sein ehemaliger Büroleiter? Dass dieser auch der Büroleiter des wegen einer Plagiatsaffäre zurückgetretenen Verteidigungsministers Guttenberg war, ist in diesem Zusammenhang fast schon ein Treppenwitz.
Amt des Landtagspräsidenten beschädigt
Vieles am Statement von Gunnar Schellenberger ist unglaubwürdig. Das fällt mir schon als Journalist auf. Aber im Ältestenrat sitzen auch Volljuristen. Was würde vor Gericht geschehen, wenn man an einen Anwalt geraten würde, der solche einfachen Widersprüche bei der Aussage der Gegenseite nicht erkennen würde? Dann hätte man wohl Pech gehabt.
So wie das Amt des Landtagspräsidenten ebenfalls Pech mit seinem Inhaber hat. Schellenbergers Glück ist es zwar, dass all diese Verstrickungen wie es scheint wohl keine Konsequenzen haben werden. Er darf sogar die 600 Euro behalten, die er als nachträglicher Konzerteintritt an den Kinderschutzbund spenden wollte: Der Verein will das Geld vom Präsidenten nicht annehmen.
Aber das Amt ist nun dauerhaft mit seinem Inhaber beschädigt. An jedem Ordnungsruf haftet das Manko, dass sein Inhaber im Zweifel nicht fest bei der Wahrheit steht. Und jede Rede mit Bezug auf unsere Werte, zu denen man auch Ehrlichkeit zählen darf, wird nun einen Beigeschmack haben. Außerdem ist Schellenberger seit heute nur noch der Landtagspräsident für den halben Landtag. Nach den Linken und den Grünen hat nun auch die SPD dem Präsidenten das Vertrauen entzogen.
In CDU-Fraktion und Koalition grummelt es
Und der Rest? Für die FDP ist das Maß voll. Es darf keine weitere Eskapade geben, sonst wird die Partei wohl auch Schellenbergers Rücktritt fordern. Für die CDU wird zumindest nach außen Einigkeit kommentiert. Innen rumort es. Nicht nur in Richtung Schellenberger, sondern auch in Richtung des CDU-Fraktionsvorsitzenden Guido Heuer. Es scheint: Schellenberger und er haben eine Art Symbiose. Aus der Partei hört man: Fällt Schellenberger, fällt Guido Heuer. Und fällt Heuer, könnte die Fraktion weiter auseinanderbrechen. "Das Gefüge der Fraktion ist in Gefahr", hört man es aus der Fraktion grollen.
Aber auch in der Koalition grummelt es. Darum wahrscheinlich auch die lange Bedenkzeit und das Zögern der SPD zur Landespressekonferenz am Donnerstag. Ist die Krise überhaupt noch im Landtag zu lösen? Müssten nicht der Regierungschef oder der Parteichef eingreifen? Beide halten sich bedeckt. Und der Landtag ist nun erneut geteilt. In das Team Schellenberger, getragen von AfD, CDU und FDP – und den Rest, der nicht mehr hinter dem Präsidenten steht.
MDR (Lars Frohmüller)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 01. September 2023 | 19:00 Uhr
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