Studie zu Schutzräumen für Gewaltopfer Frauenhaus in Halle: "Momentan sind wir voll"

10. März 2023, 05:00 Uhr

Frauen, die Opfer von häuslicher Gewalt werden, finden in Sachsen-Anhalt meist unkompliziert Platz in einem Schutzhaus. Damit unterscheidet sich das Land vor allem von Westdeutschland. Dort müssen Frauen oft lange auf ein Bett in einem Frauenschutzhaus warten. Das zeigt eine aktuelle Studie.

MDR SACHSEN-ANHALT-Autor Hannes Leonard steht im Profil vor einer Wand
Bildrechte: MDR/Hannes Leonard

"Im Moment sind wir komplett belegt", sagt Katja Kaiser im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT. Sie arbeitet in Halle im städtischen Frauenschutzhaus als Traumaberaterin und Sozialpädagogin. Sie kennt sich aus. Neben ihrer praktischen Arbeit in Halle ist Kaiser auch eine der Sprecherinnen der Landesarbeitsgemeinschaft Frauenhäuser in Sachsen-Anhalt. "Generell sind die Frauenhäuser in den Großstädten in Sachsen-Anhalt sehr gut belegt", erläutert Kaiser.

Das kann im Einzelfall auch ganz konkret bedeuten: Frauen, die dort Schutz suchen, können nicht aufgenommen werden und müssen in einer anderen Stadt untergebracht werden. "Für die Frauen ist das dann natürlich nicht so schön, weil das soziale Umfeld komplett wegbricht", erklärt Kaiser. Ein weiteres Problem: Unterstützungsnetzwerke der betroffenen Frauen sind dann auch weit weg.

Platzangebot in Sachsen-Anhalt

Trotzdem ist das Platzangebot in den 19 Frauenschutzhäusern in Sachsen-Anhalt noch vergleichsweise gut, zeigt auch eine Datenanalyse von "Correctiv Lokal", einem Netzwerk für Lokaljournalismus. Demnach meldeten die ausgewerteten Frauenhäuser in Deutschland im Jahr 2022 im Durchschnitt an 303 Tagen, dass keine Aufnahme mehr möglich war.

 Datenauswertung von "Correctiv Lokal" "Correctiv" erfasste im Jahr 2022 auf der Internetseite Frauenhaus-Suche.de täglich, wie oft Frauenhäuser in Deutschland belegt waren.

Diese Website ist seit Mai 2021 online, damit Frauen schnell sehen, welche Häuser einen Platz frei haben. Sie wird von der Zentralen Informationsstelle der Autonomen Frauenhäuser (ZIF) betrieben.

In die Auswertung flossen Daten von 200 Frauenhäusern aus 13 Bundesländern aus dem Jahr 2022 ein. Insgesamt gibt es in Deutschland rund 400 Frauenhäuser und Schutzwohnungen mit knapp 8.100 Plätzen.

In Sachsen-Anhalt waren die Plätze in rund 70 Prozent der Fälle belegt (Thüringen 73 Prozent, Sachsen 47 Prozent). "Trotzdem schaffen wir es immer, einer Frau, die Schutz braucht, einen Platz anzubieten", stellt Kaiser klar. Dagegen war die Situation in Hessen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein 2022 besonders dramatisch. Dort hatten die Frauenschutzhäuser der Studie zufolge eine durchschnittliche Belegungsquote von mehr als 90 Prozent.

Mit knappen Frauenhauskapazitäten verstößt die Bundesrepublik Deutschland sogar gegen internationale Vereinbarungen. In der 2018 in Kraft getretenen Istanbul-Konvention des Europarates verpflichtet sich Deutschland, Gewalt gegen Frauen zu verhüten und zu beseitigen.

Verstoß gegen Verträge

Dazu zähle auch, Opfern von Gewalt ausreichende und leicht zugängliche Schutzplätze zur Verfügung zu stellen, stellt die Fachgruppe für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (GREVIO) in ihrem Bericht für den Europarat im Jahr 2022 fest. Vor allem der Schutz für besonders vulnerable Gruppen wie Frauen mit Behinderungen und Frauen ohne sicheren Aufenthaltsstatus müsse in Deutschland ausgebaut werden. "Wir brauchen einen Rechtsanspruch auf Schutz ohne Nachweispflicht der Frauen", fordert Kaiser in dem Zusammenhang.

"Auch in Halle haben wir einen hohen Anteil von Ausländerinnen oder Asylbewerberinnen, die bei uns Schutz suchen", sagt Kaiser. Meist kämen diese Frauen aus Syrien, Afghanistan oder der Ukraine. "Da müssen auch endlich die Kosten für Übersetzer besser berücksichtigt werden", macht Kaiser klar. Insgesamt habe das hallesche Schutzhaus im Jahr 2022 45 Frauen und 60 Kinder aufgenommen.

Keine einheitliche Finanzierung der Frauenhäuser

Ein existenzieller Punkt für alle Frauenhäuser in Deutschland sei die Finanzierung der Arbeit. Es fehle ein bundeseinheitliches Gesetz, das den Unterhalt von Frauenhäusern regelt. "Das große Problem ist, dass die Frauenschutzhäuser freiwillige Aufgaben der Kommunen sind", erläutert Sprecherin Kaiser, "und wenn gespart wird, wird an freiwilligen Aufgaben gespart." Trotzdem sei die Situation der Frauenhäuser in Sachsen-Anhalt relativ gut.

Ein gutes Beispiel sei der aktuelle Koalitionsvertrag der Landesregierung, sagt Kaiser. Dort sei erstmals genau definiert, wie Frauenhäuser im Land unterstützt werden.

Sie sind auf der Suche nach einem Frauenhaus, einer Frauenberatungsstelle oder einem Frauenzentrum? Hier geht es direkt zu den richtigen Anlaufstellen.

Mehr zum Thema: Hilfe und Schutz bei Gewalt gegen Frauen

MDR (Hannes Leonard), dpa

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 10. März 2023 | 06:30 Uhr

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