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Kräfteverhältnisse umgedreht AfD-Ergebnisse in Sachsen-Anhalt: Steht der CDU 2026 Landtagswahl-Debakel bevor?
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25. Februar 2025, 19:15 Uhr
Nach der Bundestagswahl befindet sich die AfD in Sachsen-Anhalt im Höhenflug. Bei der CDU hingegen herrscht Katerstimmung. Für die Landtagswahl im Jahr 2026 kann das als Fingerzeig gelesen werden. Die Parteibasis fordert Konzepte, doch die Landespartei sieht die Verantwortung beim Bund.
- Die Stimmung drehen bis zur Landtagswahl: Die CDU-Parteibasis fragt sich, wie das gelingen kann.
- Politikwissenschaftler sieht Schlüssel in mehr Partizipation und Umdenken bei der CDU.
- Ministerpräsident Reiner Haseloff besorgt, ob Regierungsbildung aus der demokratischen Mitte künftig noch möglich sein wird.
Nach der Bundestagswahl am Sonntag wird die CDU in Sachsen-Anhalt dem Titel "Volkspartei" nur noch mit Mühe gerecht. Sehr leicht fällt dies dagegen nun der AfD, die die Union hierzulande mit 37,1 Prozent der Zweitstimmen förmlich deklassierte und mit Blick auf die Landtagswahlen 2026 sogar auf einen Wahlsieg hoffen kann.
Zwar sind Bundes- und Landtagswahlen personell wie inhaltlich nur bedingt vergleichbar. Dass die in Sachsen-Anhalt vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestufte AfD am Sonntag exakt so viele Prozente holte wie die CDU bei der letzten Landtagswahl im Jahr 2021, kommt dennoch einem Fingerzeig gleich.
Um ein mögliches Wahl-Debakel abzuwenden, müssten die bei der Bundestagswahl auf 19,2 Prozent abgerutschten Christdemokraten aus Sachsen-Anhalt bis 2026 eine Trendwende hinlegen.
CDU-Parteibasis blickt mit Sorgen auf 2026
Die Parteibasis blickt wohl vielerorts mit Sorge in die Zukunft – so zum Beispiel im CDU-Kreisverband von Dessau-Roßlau. Hier im Wahlkreis Anhalt-Dessau-Wittenberg sind die Stimmenverhältnisse ganz ähnliche wie auf Landesebene. "Wir sind geschockt, mit einem so krassen Ergebnis haben wir nicht gerechnet", sagte der CDU Kreisvorsitzende und Stadtrat Uwe Groneberg MDR SACHSEN-ANHALT und meint den großen Vorsprung der AfD.
Wie seine Landespartei das Ruder bis zur Landtagswahl herumreißen soll, der 65-Jährige kann es auf die Schnelle auch nicht sagen. "Auf jeden Fall müssen wir unsere eigenen Themen hervorheben." Der Lokalpolitiker nennt vor allem Bildung und speziell für Dessau-Roßlau die Rettung des Städtischen Klinikums sowie die Finanzierung des Anhaltischen Theaters als drängende Aufgaben. "Denn da hängen hier bei uns Arbeitsplätze dran."
Dabei ist ihm allerdings klar, dass mit Migration, Ukraine-Krieg und Bürgergeld auch bei den Dessau-Roßlauern klar die Bundesthemen dominieren. Die wiederum sind weder lokal noch auf Landesebene zu lösen. "Deshalb kommt es jetzt auf Friedrich Merz an. Wenn im Bund nicht irgendwelche Pflöcke eingeschlagen werden in nächster Zeit, wird es passieren, dass wir dann auch nächstes Jahr bei der Landtagswahl Probleme bekommen – gewaltige Probleme", so Groneberg, der seit 23 Jahren CDU-Mitglied ist. Seitdem habe sich die Union zu sehr in die Mitte bewegt, findet er und damit erst Platz gemacht für die AfD.
"Zu sehr mit der AfD beschäftigt"
Ein junges Gesicht der Dessau-Roßlauer CDU ist Florian Kellner. Der 37-jährige dreifache Familienvater und Stadtrat war selbst schon Kreisvorsitzender, stolperte dann aber über die Wahl eines AfD-Stadtrates in einen Ausschussvorsitz. Kellners Stimme gab den Auschlag. "Ich kenne den Mann seit meiner Kindheit, er ist konservativ, aber kein Antisemit", kommentiert er den Vorfall. Mit Rechtsextremen rede er dagegen nicht.
Für Kellner sind die Parteien der Mitte einschließlich der CDU am guten Abschneiden der AfD mit Schuld. "Sie haben sich zu sehr mit der AfD statt mit den Menschen und den Sachthemen beschäftigt." Die Linken hätten sich dagegen auf ihr Kernthema soziale Gerechtigkeit konzentriert und damit auch Erfolg gehabt.
"Für mich ist aber auch das Modell des Berufspolitikers veraltet", so Kellner. Es brauche Amtszeitbegrenzungen und gute Kandidaten, die aus der Praxis kämen und dementsprechend auch anders auf die Themen blickten. Generell müssten die Menschen stärker an der Demokratie beteiligt werden.
Politikwissenschaftler: Demokratie braucht Reform
Eine Einschätzung, die der Politikwissenschaftler Benjamin Höhne teilt. Er interpretiert den Bundestagswahl-Erfolg der AfD in den ostdeutschen Ländern als Auftrag, die Demokratie zu verändern. Der Professor an der TU Chemnitz sagte MDR SACHSEN-ANHALT, die repräsentative Demokratie müsse mehr Beteiligung ermöglichen: "Insbesondere im Osten haben ja viele Menschen nicht das Gefühl der politischen Selbstwirksamkeit. Also auch an dieser Baustelle muss man ansetzen."
Höhne wies darauf hin, dass insbesondere die mitteldeutschen Länder viele Jahre von der CDU regiert worden sind. Trotzdem hätten CDU und AfD bei der Bundestagswahl die Plätze getauscht: "Ich würde das auch so interpretieren, dass sich Menschen von der Demokratie, wie wir sie kannten, abgewendet haben, wenn sie AfD wählen."
Die CDU könne aber nicht gewinnen, wenn sie der AfD hinterherlaufe. Sie müsse bei sich bleiben und mit ihren Konzepten an den Start gehen. In diesem Zusammenhang verwies Höhne auf die gemeinsame Abstimmung von Union und FDP mit der AfD im Bundestag vor kurzem. Das sei ein Experiment gewesen und habe der CDU mit Blick auf die Wahlergebnisse im Osten nicht geholfen.
CDU-Landrat: Müssen über neue Ausrichtung diskutieren
Auch aus der Riege der CDU-Landräte kommen Appelle, jetzt schnell zu handeln. "Ich denke CDU, SPD und FDP, die noch in Sachsen-Anhalt in der Verantwortung sind, müssen jetzt pragmatische und glaubhafte Politik für die Menschen vor Ort machen", sagte der CDU-Landrat im Kreis Börde, Martin Stichnoth, MDR SACHSEN-ANHALT. "Wir müssen uns so schnell wie möglich an einen Tisch setzen und beraten, wie die neue Ausrichtung aussieht, damit die CDU hier nicht weiter an Stimmen verliert."
Haseloff: "Das ist eine Sorge, die wir haben"
Die Landes-CDU steht nun vor der Aufgabe, Stimmen von der AfD zurückzuholen. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) treibt dabei die bange Frage um, ob eine Regierungsbildung aus der demokratischen Mitte 2026 überhaupt noch möglich sein wird. "Das ist eine Sorge, die wir haben, das ist richtig", sagte er MDR SACHSEN-ANHALT am Dienstag. "Wir sind aber trotzdem optimistisch – nicht nur, weil wir noch etwas Zeit haben, sondern weil ich glaube, dass die Bürgerinnen und Bürger schon unterscheiden. Und jetzt war die Botschaft an den Bund, dass es so nicht weiter geht."
Haseloff lobte zugleich die Arbeit seiner Landesregierung aus CDU, SPD und FDP. "Wir sind nicht Berlin", unterstrich er: Seine Koalition unterscheide sich ganz gravierend bezüglich der politischen Kultur, die sie pflege. Ob er bei der kommenden Landtagswahl nochmals antreten will, ließ er offen. Auch mit welchen Themen und Strategien er den politischen Trend bis zur Landtagswahl umkehren will, dazu äußerte sich Haseloff am Dienstag nicht.
Landes-CDU sieht Bund in der Verantwortung
Sachsen-Anhalts CDU-Chef Sven Schulze sieht die Verantwortung zunächst beim Bund. Nötig sei aus Berlin ein stärkerer Fokus auf Ostdeutschland, inhaltlich und personell. Der CDU-Landeschef sagte, das AfD-Ergebnis sei "ein großer Schock" gewesen.
Dass es so stark ausgefallen sei, habe viele Gründe. Es sollte aber zu denken geben, dass Menschen bei großer Wahlbeteiligung ganz bewusst die AfD gewählt hätten. Ziel müsse es sein, den Menschen in Ostdeutschland das Gefühl zu geben, dass außerhalb der AfD Parteien in der Lage seien, sie richtig zu vertreten. Das könne nur die CDU sein.
MDR (Christoph Dziedo, Max Hensch, Daniel Salpius), epd, dpa
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 25. Februar 2025 | 19:00 Uhr
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