Interview KI-Experte: Künstliche Intelligenz wird in Landwirtschaft größere Rolle spielen
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17. Februar 2024, 17:59 Uhr
In Sachsen-Anhalt wird Künstliche Intelligenz in der Landwirtschaft bisher nur wenig genutzt. Das wird sich in den nächsten Jahren ändern, sagt KI-Experte Uwe Knauer von der Hochschule Anhalt. Im Interview mit MDR SACHSEN-ANHALT erklärt er, wo KI Landwirte bei ihrer Arbeit unterstützen kann und welche Chancen und Risiken die neue Technologie hat.
MDR SACHSEN-ANHALT: Digitale Landwirtschaft wird schon länger betrieben. Wo liegen die Unterschiede zur Künstlichen Intelligenz?
Prof. Dr. Uwe Knauer, Hochschule Anhalt: Digitale Landwirtschaft befindet sich schon seit Einführung der Elektronik und der Datenverarbeitung im Ausbau und der Schritt KI, also Künstliche Intelligenz, einzusetzen, passiert an der Stelle, wo man diese Daten zusammenführen möchte, um bessere Entscheidungen zu treffen.
Ein gutes Beispiel ist: Daten, die im Prozess entstehen – also aufgezeichnet werden, wenn auf dem Feld gearbeitet wird – zu nutzen, um später Düngemaßnahmen oder später stattfindende Prozesse wie die Bodenbearbeitung im nächsten Jahr optimal zu gestalten – besonders, wenn es komplexe Daten sind.
Prof. Dr. Uwe Knauer Uwe Knauer arbeitet an der Hochschule Anhalt im Bereich "Digitale Technologien in der Pflanzenproduktion". Darüber hinaus ist er an mehreren Forschungsprojekten beteiligt und betreut den KI-Studiengang "AI Engineering".
Da bietet KI die Chance, sehr viele Daten beherrschbar zu machen. Aber das ist noch nicht in allen Bereichen geübte Praxis, weil es schwer ist, dem Computer "die Wahrheit" beizubringen. "Maschinelles Lernen" heißt ja auch immer, dem Computer etwas beibringen. Das macht er aber nicht selber, sondern man muss ihm einen Goldstandard oder eine Referenz geben und dann hofft man, dass es der Computer verallgemeinern und auf unbekannte Situation übertragen kann.
Welche Aufgaben kann KI aktuell in der Landwirtschaft übernehmen?
Wo man es, glaube ich, recht deutlich sieht, ist bei der Bildverarbeitung. Denn mit dem Aufkommen der Feld-Robotik und autonom arbeitenden Systeme wird diese Umgebungswahrnehmung immer wichtiger. Autonom kann so ein System nur agieren, wenn es selbständig alles erfassen kann. Also zum Beispiel beim kameragestützten Hacken sitzt eine Kamera hinten auf dem Anbaugerät, das mechanisch Unkraut bekämpft. Die Kamera mit der Bildverarbeitung hilft zu unterscheiden: Ist es ein Unkraut oder ist es kein Unkraut?
Und bei dieser Verarbeitung der Bilddaten kommen jetzt zunehmend Algorithmen zum Einsatz, die KI-basiert sind. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass das enorm leistungsfähig ist und es spezialisierte Anbieter gibt, die da auch schon sehr gute Lösung entwickeln.
Wo könnte KI künftig eingesetzt werden?
Ich würde jetzt nochmal kurz in die Gegenwart gucken, weil es Bereiche gibt, die schon weiter sind und Bereiche, die noch ein bisschen zurückliegen. Wenn man sich zum Beispiel in der Tierproduktion umschaut, wo es oft um Tierwohl und bessere Bedingungen der Produktion der fleischlichen Nahrungsmittel geht, da ist der Stall heute schon oft viel automatisierter oder es gibt Lösungen, wie es viel automatisierter sein könnte. Da hängen Kameras und es gibt Tierwohl-Indikatoren: also wie bewegen die Tiere sich, wie ist die Körperhaltung, wie ist der Zustand der Tiere.
Im Stall ist man schon weiter. Dort hat man aber oft auch kontrollierte Bedingungen – also in einem Stall ist die Variabilität nicht ganz so groß wie draußen unter Freilicht-Bedingungen. Da ist dieser ganze Prozess viel kontrollierter, da kommen aus ganz verschiedenen Quellen Sensordaten, während es draußen auf dem Feld eher einzelne Module sind, die Daten liefern.
Und wenn ich jetzt in die Zukunft denke, dann sehe ich, dass die heute anfallenden Daten, die oft gar nicht genutzt werden, die einfach nur entstehen, stärker in Lösungen eingebunden werden. Also, dass irgendwo alle Daten, die in der Landwirtschaft entstehen auch eine App oder ein Modul in einem Farm-Management-System hintendran haben. Und dass diese einem Informationen liefern, die wieder den Prozess besser verstehbar, besser auswertbar und dann auch besser steuerbar machen.
Forschungsprojekt "Transform" zur Zukunft der Landwirtschaft
Das Forschungsprojekt "Tranform" beschäftigt sich unter der Leitung von Uwe Knauer mit der Digitalisierung der landwirtschaftlichen Betriebe in Mitteldeutschland. An zwei Standorten in Magdeburg und Bernburg soll in sogenannten Smart Transformation Labs (STL) Wissen an Landwirte vermittelt und digitale Technologien in der Landwirtschaft erlebbar gemacht werden.
Den Landwirten soll außerdem ein Digitaler Check-Up zur Verfügung gestellt werden, der zeigt, wie der Betrieb weiter digitalisiert werden kann.
Das Forschungprojekt wird mit Fördermitteln aus dem Programm "Zukunftsbetriebe und Zukunftsregionen" des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft finanziert. Das Projekt läuft seit Juli 2023 und endet am 31. Dezember 2025.
Einzigartiger KI-Studiengang in Sachsen-Anhalt: "AI Engineering"
Der in Deutschland einzigartige Studiengang "AI Engineering" beschäftigt sich mit Künstlicher Intelligenz in den Ingenieurwissenschaften. Das Besondere: Für dieses Angebot haben sich fünf Hochschulen in Sachsen-Anhalt zusammengeschlossen und obwohl es sich um einen Bachelor-Studiengang handelt, gibt es einen hohen Praxisanteil. Studierende können sich nach einem Grundlagenstudium an der Universität Magdeburg zum Beispiel auf den Bereich Landwirtschaft spezialisieren. "Die Idee ist, Spezialisten auszubilden, die sowohl die Anwendungsdomäne KI verstehen, als auch die Systeme bauen können", erklärt Uwe Knauer. Die Hoffnung sei, dass man mit dem Studiengang Experten ausbilden könne, die den Einsatz von KI in der Landwirtschaft voranbrächten.
Welche Chancen und Risiken gehen mit dem Einsatz von KI in der Landwirtschaft einher?
Ich würde immer dieses Zusammenspiel sehen: also Digitalisierung und Künstliche Intelligenz als das I-Tüpfelchen obendrauf, immer dort, wo es uns Arbeitserleichterung verschafft. Das ist für die Landwirte klar im Bereich der Dokumentation, weil es immer mehr Verpflichtungen gibt.
Es wird eher komplizierter als einfacher, wenn so viel zu beachten ist. Es gibt Auflagen bei der Düngung, Auflagen beim Pflanzenschutz und das muss alles gut dokumentiert sein. Hier kann eine intelligente Auswertung helfen, das alles auf Knopfdruck zu erledigen oder es könnten durch KI-Plausibilitätschecks schneller Fehler gefunden werden.
Großes Potenzial sehe ich auch bei den Herausforderungen, die wir als Gesellschaft haben, also ökologische Probleme, wo der Sektor Landwirtschaft für einige mehr und für andere weniger verantwortlich ist. Da hilft es zum Beispiel die Auswertung von Satellitendaten auf einer regionalen oder Bundesebene zu verstehen, wie sich die Ökosystem verändern und ob eine politisch gewollte und dann durch Landwirte umgesetzte Maßnahme Erfolg hat oder ob irgendeine Änderung nötig ist.
Das Risiko, was ich sehe, ist blindes Vertrauen, weil die Erwartungen an eine Künstliche Intelligenz – wenn man sich nicht lange damit beschäftigt hat – oft ist, dass es irgendwie besser ist als natürliche Intelligenz, mehr kann, zuverlässiger und reproduzierbarer ist. Davon sind wir natürlich noch ein Stück weit entfernt.
Auch wenn es diese Künstliche Intelligenz gibt, die aus all unseren Sensordaten einen Vorschlag macht oder eine Entscheidung trifft, muss die nicht gut sein. Es besteht die Gefahr, dass man sich immer mehr darauf verlässt und gar nicht mehr kritisch hinterfragt: Ist das jetzt eine gute Entscheidung? Dünge ich jetzt im richtigen Moment in der richtigen Menge? Oder ist das irgendein Klassifikations-Fehler von meiner KI und ich nehme das einfach so hin? Das heißt, es wird sicher so sein, dass es immer erstmal noch Vorschläge bleiben, die so eine KI unterbreitet und am Ende ein Mensch darüber guckt und entscheidet, ob er das nutzt oder nicht.
Ansonsten ist auch die Datenhoheit ein Risiko, das ist generell in der Digitalisierung ein Thema, nicht nur bei der Künstlichen Intelligenz. Man versteht immer weniger, wie die Daten fließen, wie auch der Mensch im Prozess überwacht wird und wo diese Daten eigentlich landen. Das sind ethische Probleme auf der einen Seite und auf der anderen Seite eben auch Sicherheitsrisiken, weil man sich von der Technik abhängig macht. Und wir nehmen ja wahr, dass es Cyberangriffe und Ausfälle der IT-Infrastruktur gibt. Das ist es natürlich kritisch, wenn man nur bestimmte Feld-Arbeitstage hat und die dann nicht nutzen kann, weil das Modul nicht funktioniert.
Wie wichtig ist KI für die Zukunft der Landwirtschaft? Welche Rolle könnte die Technologie dabei spielen?
Gesamtgesellschaftlich ist es nicht mehr wegzudenken. Es gibt ganz viele kleine Lösungen, auf die man nicht mehr verzichten möchte. Für einen Landwirt ist das vielleicht die App, mit der er mit seinem Handy Unkraut klassifizieren kann oder – das ist jetzt eher Digitalisierung – die Verbindung zu seinem Fahrmanagementsystem, mit dem er direkt auf dem Feld die Informationen bekommt, die ihn gerade interessieren. Die Landwirtschaft wird davon profitieren, dass der Zugriff auf Informationen durch KI besser wird und es auch eine bessere Beratung gibt, weil KI einfach mehr Datenquellen einbeziehen kann.
ChatGPT ist ein schönes Beispiel – auch wenn das manchmal Unsinn produziert – zeigt es den Weg, dass man also auf große Datenbestände auch anders als durch Google zugreifen kann, dass man sich Zusammenfassung geben lassen und sehr gezielt im Dialog Informationen gewinnen kann. Ich glaube, dass ist auch ein Teil Zukunft der Landwirtschaft. Also, dass sich auch ein Landwirt über entsprechende Tools informieren kann und hoffentlich gut beraten wird.
Dann hat natürlich der ganze Bereich der autonomem Landtechnik ein enormes Potenzial, weil wir gerade in der Landwirtschaft ein Arbeitskräfteproblem haben. In dem Moment, wo das zuverlässig funktioniert, hat das ja ein hohes ökonomisches Potential, weil es die Nacht durcharbeiten kann, weil man nicht von Krankheiten oder Fehltagen abhängig ist und weil die qualifizierten Leute knapp sind. Das alles geht gar nicht ohne KI.
Wenn wir uns heute Feldroboter anschauen, fahren die einfach stupide einen Plan ab und wenn ein Stein im Weg liegt, erkennen sie den und halten an. Aber das autonome Fahren geht ja eigentlich noch weiter – also so, dass der Roboter den Stein umfährt und eine Entscheidung trifft, dass er, wenn er ausfällt, dafür sorgt, dass er ein Ersatzteil kriegt.
Auch der logistische Bereich, zum Beispiel bei der Ernte, kann anteilig von KI profitieren. Es wird in den nächsten Jahren selten so sein, dass alles vollautomatisiert ist, aber so ein bisschen Assistenz wünschen wir uns glaube ich alle. Und die Landwirte auch.
Die Fragen stellte Annekathrin Queck für MDR SACHSEN-ANHALT.
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 16. Februar 2024 | 16:30 Uhr