Ablösung fürs Fax KI in Sachsen-Anhalt: Kleine Unternehmen könnten profitieren, zögern aber oft
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22. Juli 2024, 10:08 Uhr
Künstliche Intelligenz, kurz KI, wird ein immer größeres Thema – auch in Sachsen-Anhalt. Wirtschaftlich könnten gerade die kleinen Unternehmen im Land davon profitieren, meinen Forscher und Entwickler. Doch die zögern oft, auch angesichts der Digitalisierung, die nur schleppend voran kommt. Welche Hindernisse und Chancen es gibt und wie in Magdeburg ein kleiner Roboter Überzeugungsarbeit leisten soll: ein Überblick.
- Derzeit wird auch in Sachsen-Anhalt viel diskutiert, wie künstliche Intelligenz das Leben verändern wird.
- Die Mitarbeiter des Mittelstand-Digital Zentrum in Magdeburg wollen Firmenbesitzern helfen, die Potentiale der neuen Technik auszunutzen.
- Erste Firmen im Land nutzen bereits mit großem Erfolg künstliche Intelligenz und es werden mehr werden, davon sind Experten überzeugt.
Pepper ist so eine Art Gartenzwerg der digitalen Welt. Der Roboter ist kaum größer als ein Erstklässler, hat Kulleraugen und bewegt sich wie R2-D2, der berühmte Blechkollege aus dem Star-Wars-Universum. In der experimentellen Fabrik in Magdeburg empfängt Pepper die Besucher zu einem KI-Seminar.
Eingeladen hat die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung, etwa 20 Interessierte sind gekommen, um sich in das Thema einführen zu lassen. Es ist für die meisten wohl kein wirklicher Erstkontakt, denn das Thema KI sorgt seit einiger Zeit immer wieder für Schlagzeilen.
Roboter Pepper soll Menschen mit KI in Kontakt bringen
So wie der Roboter Pepper die Vorurteile gegenüber neuen Technologien abbauen soll, so ist es auch die Aufgabe von Fabian Kowitzke, Menschen mit dem Themenfeld KI in Kontakt zu bringen, um Hemmschwellen abzubauen. Dabei geht es vor allem um die vielen kleinen Unternehmen im Land. Deshalb fördert das Bundeswirtschaftsministerium das Mittelstand-Digital Zentrum in Magdeburg, in welchem sich nun die Gäste der Adenauer-Stiftung über KI in Sachsen-Anhalts Firmen informieren.
Nach zwei Stunden ist das Treffen vorbei, denn die Fragerunde fiel kürzer aus als gedacht. Überhaupt wird das Zentrum nicht gerade von Anfragen überrannt, bestätigt Fabian Kowitzke: "Ich glaube, es gibt einen Wust an Informationen. Also muss man auch da gucken, dass man sich durchsetzt. Aber ich denke schon, dass wir viele erreichen."
KI statt Fax: Hemmschwellen bei Unternehmen in Sachsen-Anhalt senken
Es gibt eine Kooperation mit der Handwerkskammer Magdeburg. Nun wird es in absehbarer Zeit sicherlich keine KI zum Fliesenlegen geben. Dass aber Ausschreibungen, Abrechnungen oder Materialbestellungen in Zukunft durch KI erfolgen werden, ist auch für das Handwerk von Interesse.
Dort wird zwar gerne noch auf das gute alte Fax zurückgegriffen, doch die Tage dieser Technologie sind gezählt. Weil es aber in den kleinen und mittelständischen Unternehmen Sachsen-Anhalts nur sehr selten Software-Abteilungen gibt, übernimmt nun das Mittelstandszentrum die Beratung der Firmen.
KI-Trainerin: Am Anfang sind oft Ängste da
Juliane Höbel-Müller ist KI-Trainerin, hat an der Otto von Guericke Universität in Magdeburg studiert und berät die Firmen im Auftrag des Mittelstandszentrums. Auch sie bestätigt, dass zunächst die Ängste überwiegen: "Aber nur im ersten Moment. Im zweiten Moment zeigen wir eben die Vorteile, beispielsweise KI bei der Personaleinsatzplanung. Die ist dadurch effizienter und kann auch Familie und Beruf besser miteinander verknüpfen."
Die Nachfrage steige, so Juliane Höbel-Müller, auch weil es in Chefsesseln einen Führungswechsel gibt. Jüngere Chefs seien viel eher bereit, alte Strukturen in den Unternehmen zu modernisieren.
Unternehmen in Magdeburg: Vom Spiel zum Ernst der Logistik
Eines der Unternehmen, das mit dem Mittelstandszentrum zusammenarbeitet, ist die Firma Polarith. Von der Dachterrasse des Unternehmens in der Magdeburger Innenstadt kann man die Gebäude der Universität sehen. Die räumliche Nähe ist kein Zufall, denn die Gründer haben dort studiert. "Wir wollten intelligente Computerspiele mit KI machen, wo der Programmierer, ähnlich wie einem Lego-Baukasten, einfach nur noch sagt, wie ein Auto fahren muss", so erinnert sich einer der Gründer, Martin Kirst.
Das war im Jahr 2016. Bereits früh hat man sich an der Magdeburger Universität mit dem Thema maschinelles Lernen beschäftigt. Polarith programmiert inzwischen nicht mehr Computerspiele, sondern Laufkräne für die Häfen in Wilhelmshaven, Bremerhaven oder Aarhus. 14 Mitarbeiter beschäftigt Polarith – für solche komplexen Aufgaben hätten Großfirmen wie Siemens vor Jahren noch mehrere Abteilungen beschäftigt. "Das lösen wir jetzt schneller und besser mit KI", sagt Martin Kirst. "Wir testen einfach mit virtuellen Kränen."
KI als Chance für Sachsen-Anhalt
Zwar sind derzeit vor allem die bekannten US-Firmen im Blick, wenn es um das Thema künstliche Intelligenz geht, doch ein wichtiges Bindeglied sei der deutsche Mittelstand, so Martin Kirst: "Die großen KI-Modelle sind ja sehr allgemein in ihrer Anwendung. Und damit die konkret funktionieren, muss man sie anpassen. Das können wir."
Mit "wir" meint Martin Kirst nicht nur Polarith, sondern eine Vielzahl von deutschen Firmen, die im Schatten der Schlagzeilen gute Geschäfte machen. Die Ansiedlungspläne von Intel in Sachsen-Anhalt dürften für einen zusätzlichen Aufschwung in der Region sorgen, so Kirst.
Arbeitskräftemangel oder Jobverlust
Aktuell arbeitet Polarith an einem Auftrag für einen großen Logistikanbieter. Das Ziel ist hier ganz klar, Arbeitskräfte einzusparen, allerdings Arbeitskräfte, die es ohnehin nicht gibt. Denn der Beruf des Kranfahrers sei ein extrem unattraktiver Job, erklärt Martin Kirst: "Man sitzt da in einer Gondel, kann es nicht auf Toilette und du musst dich an Pläne halten. Und mit den richtigen Algorithmen und der richtigen Technik kann man auch die Kräne aus der Ferne steuern."
So wird aus dem Kranfahrer ein Bürojob, der um einiges angenehmer ist. Gerade in einem Bundesland wie Sachsen-Anhalt, in dem der Arbeitskräftemangel deutlich steigen wird, müssen solche Lösungen schneller umgesetzt werden als anderswo. Auch KI-Trainerin Juliane Höbel-Müller, die im selben Fachbereich studiert hat wie Martin Kirst, sieht eine besondere Entwicklung im Land: "Es gibt auch ja Studierende der Otto-von-Guericke-Universität, die ganz bewusst in der Region bleiben, um hier etwas zu bewegen, auch in kleineren Betrieben."
Die Digitalisierung ist ein Teil des Lebens. Man kommt nicht daran vorbei. Und man kann überlegen, ob man sich dieser Herausforderung stellt oder zusammengekauert in der Ecke sitzt und dort ausharrt.
Jenseits der Leuchttürme: Sachsen-Anhalt schneidet bei Digitalisierung schlecht ab
Doch im aktuellen Länderranking des Verbandes Bitkom, eine Lobbyeinrichtung der deutschen Digital- und Telekommunikationswirtschaft landet Sachsen-Anhalt aktuell auf dem vorletzten Platz. Besonders schlecht schneidet Sachsen-Anhalt bei den Themen Digitalunterricht in den Schulen ab, sowie bei IT-Fachkräften und der Gründung von neuen IT-Unternehmen. Auch die Glasfaserversorgung liegt weit unter dem bundesdeutschen Durchschnitt. Und selbst die Handynutzung ist in Sachsen-Anhalt noch immer nicht überall gewährleistet.
Juliane Höbel-Müller, die neben ihrer Arbeit als KI-Trainerin an der Magdeburger Universität promoviert, kommentiert das so: "Die Digitalisierung ist ein Teil des Lebens. Man kommt nicht daran vorbei. Und man kann überlegen, ob man sich dieser Herausforderung stellt oder zusammengekauert in der Ecke sitzt und dort ausharrt."
MDR (Uli Wittstock) | Erstmals veröffentlicht am 21.07.2024
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 20. Juli 2024 | 12:00 Uhr
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