Hochansteckend Warum sich die Anzahl der Keuchhustenfälle in Sachsen-Anhalt verdreifacht hat
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20. Dezember 2024, 16:42 Uhr
Keuchhustenfälle steigen in Sachsen-Anhalt stark an: Die Fallzahl hat sich im Vergleich zu den letzten Jahren verdreifacht. Besonders betroffen sind Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 19 Jahren. Experten weisen auf die hohe Zahl an Erkältungsinfektionen im Land hin, die zu vermehrten Testungen führt. Nachholeffekte der Corona Pandemie und unvollständige Impfungen stellen weitere mögliche Ursachen dar.
- In Sachsen-Anhalt haben sich die Keuchhustenfälle 2024 im Vergleich zum Durchschnitt der letzten Jahre verdreifacht.
- Experten nennen einen Nachholeffekt seit der Corona-Pandemie sowie einen generellen Anstieg der Erkältungsinfektionen als Erklärung.
- Sinkende Impfquoten und unvollständige Impfserien tragen zur Ausbreitung von Keuchhusten insbesondere bei Jugendlichen bei.
Immer wiederkehrende und trockene Hustenattacken über mehrere Wochen – so äußert sich eine Keuchhusteninfektion. Aktuelle Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) zeigen: Die Zahl der Menschen, die sich in Sachsen-Anhalt mit Keuchhusten infiziert haben, liegt weit über dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre: Dreimal so viele Menschen sind dieses Jahr an dem Atemwegsinfekt erkrankt. Während der Herbstmonate waren es im Schnitt beinahe sechsmal mehr Fälle als in den Herbstmonaten der letzten Jahre.
Keuchhusten: Auch deutschlandweit hohe Fallzahlen
Die steigenden Fallzahlen in Sachsen-Anhalt spiegeln sich auch in ganz Deutschland wieder: Rund 24.376 laborbestätigte Fälle von Keuchhusteninfektionen sind bislang an das Robert Koch-Institut (RKI) gemeldet worden (Stand 17. Dezember). Damit sind deutlich mehr Menschen als gewöhnlich in Deutschland an dem Atemwegsinfekt erkrankt.
"Dieses Jahr liegt deutlich außerhalb der normalen Schwankungen", sagte der Direktor der Infektiologie der Berliner Charité Leif Erik Sander. Die meisten gab es in den vergangenen Jahren zuletzt 2017 mit rund 16.829 gemeldeten Fällen. Im Jahr 2023 wurden laut RKI zum Beispiel nur rund 3.430 Fälle registriert.
Keuchhusten: Das sind die Symptome
- Keuchhusten ist eine bakterielle Infektion, die wir durch Tröpfchen leicht auf andere übertragen. Das kann beim Niesen, Husten oder Sprechen geschehen.
- Zu Beginn kann Keuchhusten grippeähnliche Symptome wie Fieber und Halsschmerzen aufweisen. Bei Erwachsenen führt die Erkrankung zu lange anhaltenden trockenen Hustenanfällen.
- Säuglinge sind besonders gefährdet: Für sie kann die Erkrankung lebensbedrohlich sein.
Teenager stecken sich in Sachsen-Anhalt besonders häufig an
Im Hinblick auf die Bevölkerung in Sachsen-Anhalt gibt es besonders viele Keuchhusten-Fälle bei Kindern und Jugendlichen. Vor allem in der Altersgruppe der 10- bis 19-Jährigen erkranken viele. Deutschlandweit ist die Verteilung ähnlich. Allerdings ist die Krankheitslast in Sachsen-Anhalt in allen Altersgruppen deutlich höher: Demnach war die Inzidenz – also die Anzahl der neu auftretenden Erkrankungen – in der Altersgruppe der 14- bis 19-Jährigen in den letzten vier Wochen etwa sechsmal so hoch wie bei Jugendlichen bundesweit.
Warum es so viele Infektionen mit Keuchhusten gibt
Keuchhusten birgt, wie alle Erkältungskrankheiten, eine hohe Ansteckungsgefahr. Ursachen für die hohen Fallzahlen könne laut RKI auch ein sogenannter Nachholeffekt der Corona-Pandemie sein. Jens Schreiber, Direktor der Universitätsklinik für Pneumologie (KPNE) in Magdeburg erklärt: "In Zeiten der Pandemie hatten wir auf Grund der Isolationsmaßnahmen sehr wenige Krankheitsfälle. Eine Theorie ist, dass der hochinfektiöse Keuchhusten nun auf Menschen trifft, die bisher keinen Kontakt zu dem Erreger hatten."
Schreiber weist jedoch auch darauf hin, dass die Erkrankungszeit bei Keuchhusten im Allgemeinen eine bestimmte Rhythmik aufweise. "Alle drei bis sechs Jahre kommt es zu erhöhten Fallzahlen", sagt Jens Schreiber.
Thomas Dörrer, Vizepräsident der Ärztekammer Sachsen-Anhalt und praktizierender Hausarzt, betont außerdem: "Wir haben insgesamt eine höhere Anzahl an Erkältungserkrankungen in unserem Land, das betrifft jegliche Erreger, sei es Grippeviren oder Coronaviren, aber eben auch Erreger des Keuchhustens." Aus der Sicht von Thomas Dörrer gebe es prozentual gesehen keinen auffälligen Anstieg von Keuchhusteninfektionen im Vergleich zu anderen Erkältungsinfektionen.
Impfschema erklärt hohe Inzidenz bei Teenagern
Die hohe Inzidenz bei 10- bis 19-Jährigen in Sachsen-Anhalt lässt sich laut Thomas Dörrer, Vizepräsident der Ärztekammer und Hausarzt in Sachsen-Anhalt durch das Impfschema gegen Keuchhusten erklären: "Wir impfen Keuchhusten gemeinsam mit Tetanus, das alle zehn Jahre verimpft wird. Wir wissen aber, dass die Immunität gegen Keuchhusten bereits nach fünf Jahren rasant abnimmt". Demnach befänden sich die Teenager gerade in der zweiten Hälfte, in der die Infektionsgefahr deutlich steige, so Dörrer. Eine Änderung des Impfschemas sei jedoch schwierig, da es bisher keine einzelne Keuchhusten-Impfung gebe.
Wir impfen Keuchhusten gemeinsam mit Tetanus, das alle zehn Jahre verimpft wird. Wir wissen aber, dass die Immunität gegen Keuchhusten bereits nach fünf Jahren rasant abnimmt
Was hilft gegen Keuchhusten (Pertussis)?
- Präventiv wird von der ständigen Impfkommission (STIKO) des RKI eine Schutzimpfung für Säuglinge und Schwangere empfohlen.
- Um Andere vor einer Ansteckung zu schützen gelten die Regeln des Infektionsschutzgesetzes.
- Wenn Sie an Keuchhusten erkrankt sind, kann der Einsatz von Antibiotika nach Absprache mit einem Hausarzt sinnvoll sein .
- Ansonsten gilt: in Ruhe auskurieren und viel Wasser gegen den Husten trinken.
Impfschutz gegen Keuchhusten häufig unvollständig
Immunität gegen Keuchhusten besteht nur, wenn mehrere Impfungen, ähnlich wie bei Diphterie oder Tetanus, in zeitlichem Abstand durchgeführt werden. Zwar liegt die Impfquote bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland gegen Keuchhusten grundsätzlich auf einem hohen Niveau. Doch Auswertungen der Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Vereinigungen durch das Robert-Koch-Institut (RKI) zeigen auch: Die Impfquote ist in den letzten Jahren gesunken.
In Sachsen-Anhalt ist die Pertussis-Impfquote der Einschulungsjahrgänge 2004 bis 2023 im Mittel um 5,5 Prozent gesunken, wie aus dem Impfbericht des Landesamtes für Verbraucherschutz hervor geht.
Zudem würden laut RKI sogenannten Impfserien häufig erst später als empfohlen oder gar nicht abgeschlossen. Vielen Kindern fehle somit auch der vollständige Impfschutz vor Keuchhusten. Der Zusammenhang mit einer steigenden Impfskepsis seit Corona kann nicht ausgeschlossen werden.
Auf Nachfrage von MDR-SACHSEN-ANHALT teilt Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) mit, man wolle die Gesundheitsämter im Land bei Projekten zur Schließung von Impflücken auf kommunaler Ebene unterstützen.
MDR (Leonhard Eckwert, Chiara Swenson)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 20. Dezember 2024 | 05:00 Uhr
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