Ein älterer Mann sitzt in seiner Wohnung und telefoniert
Bei einem Schockanruf geben Betrüger sich oft als Polizisten oder Verwandte aus. Ein Rentner aus Querfurt konnte den Betrugsversuch durch ganz genaues Hinhören entlarven. (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO/Fotostand

Bei Anruf: Schock! Wie sich ein Rentner aus Querfurt gegen einen Schockanruf gewehrt hat

05. Mai 2023, 17:02 Uhr

Bei einem Schockanruf täuschen Betrüger am Telefon vor, dass sich Angehörige in einer Notlage befinden würden. Opfer dieser Betrugsmasche sind vor allem Senioren. In den vergangenen Wochen kam es im Süden von Sachsen-Anhalt immer wieder zu solchen Anrufen. MDR-Reporterin Cornelia Müller hat mit einem Betroffenen gesprochen. Die Polizei warnt und gibt Tipps, wie Sie sich vor den Neppern schützen können.

Die Masche mit dem sogenannten Schockanruf ist in Sachsen-Anhalt bei vielen Menschen ein Gesprächsthema. So ist es Betrügern Mitte April gelungen, von einer Rentnerin aus Zwintschöna im Saalekreis 200.000 Euro Bargeld zu erbeuten. Das Geld hatte sie einem unbekannten Mann in Halle übergeben.

Mehr Glück und Wachsamkeit hatte ein Senior aus Querfurt im Saalekreis. Er bekam einen Anruf über einen vermeintlichen Unfall seiner Tochter und deren Ehemann. MDR SACHSEN-ANHALT schildert er seine Erlebnisse, möchte andere warnen.

Bei jedem dritten, vierten Wort hat er das Wort 'Polizei' erwähnt, und wenn man hört, dass Suizid-Gefährdung vorliegt und meine Tochter dann ins Gefängnis muss, dann wird man schon unruhig, und wir waren beide fix und fertig.

Rentner aus Querfurt, Betroffener eines Schockanrufs

Schockanruf: "Ihre Tochter hat einen schweren Verkehrsunfall verursacht:"

Albert F. (Name von der Redaktion geändert) lebt in einer Doppelhaushälfte in einer kleinen Siedlung in Querfurt. Gemeinsam mit seiner Frau verbringt der 85-Jährige hier seinen Lebensabend. Beide sind gesundheitlich angeschlagen, einen Herzinfarkt vor einigen Monaten hat Albert F. hinter sich. An einem Vormittag im April, gegen 11 Uhr, klingelt das Telefon. Ein Mann spricht in bestem Hochdeutsch, ohne Dialekt oder Akzent. Er melde sich vom Polizeiamt Halle.

Der Rentner, der einen Sohn und eine Tochter hat, schildert: "Ihre Tochter hat einen schweren Verkehrsunfall verursacht, sie ist bei Rot über den Fußgängerüberweg gefahren und hat eine Familie, eine Frau mit einem Kind angefahren. Das Kind ist so verletzt worden, dass es sofort gestorben wäre und die Mutter wäre schwer verletzt ins Krankenhaus gekommen." Auch sein Schwiegersohn sei verletzt im Krankenhaus. Und, erzählt der vermeintliche Polizist weiter, die Tochter sei bereits in Halle im Gefängnis und habe Selbstmordgedanken. Deshalb solle die Familie sie lieber nach Hause holen, das ginge nur gegen eine Kaution.

"Bei jedem dritten, vierten Wort hat er das Wort 'Polizei' erwähnt, und wenn man hört, dass Suizid-Gefährdung vorliegt und meine Tochter dann ins Gefängnis muss, dann wird man schon unruhig, und wir waren beide fix und fertig", erinnert sich der 85-Jährige.

Seltsame Anweisungen und Kinderstimmen entlarven Betrüger

60.000 Euro solle Albert F. übergeben. Als dieser entgegnet, soviel habe er nicht, verhandeln die Betrüger über 25.000 Euro. Der Rentner solle seine Handynummer angeben, damit er für eine Geldübergabe erreichbar sei. Der Anrufer instruiert weiter, wenn er Geld von der Bank holt, soll er nicht sagen, dass er das Bargeld für eine Kaution braucht, sondern für einen Küchenkauf.

In dem Moment war für mich klar, dass es ein Betrüger ist, einmal das Kindergeschrei und dann diese unsinnige, richtig dumme Bemerkung mit den Wertgegenständen.

Rentner aus Querfurt über den Schockanruf

Zwei Dinge lassen den Senior dann doch stutzig werden. Während des Telefonats hört er Kinderstimmen im Hintergrund. Darauf angesprochen erwidert der Anrufer, dass seien Funkstörungen. Hellhörig wird Albert F. auch bei diesem Satz: "Und im Übrigen, wenn sie das Geld nicht kriegen. Sie haben doch sicher einiges an Schmuck und Wertgegenständen. Können wir auch im Polizeisafe bunkern."

Hier dämmert es dem Querfurter: "In dem Moment war für mich klar, dass es ein Betrüger ist, einmal das Kindergeschrei und dann diese unsinnige, richtig dumme Bemerkung mit den Wertgegenständen." Er legt sofort auf. Zum Glück. Anschließend ruft mit dem Handy seiner Frau den Schwiegersohn an. Der meldet sich und ist wohlauf. Gemeinsam informiert die Familie die Polizei.

Auf einen Blick: Das rät die Polizei bei einem Schockanruf

  • Sprechen Sie in solchen Fällen immer mit der örtlichen Polizei, lassen Sie sich nicht durch die Anrufer unter Druck setzen. Sprechen oder rufen Sie die betroffenen Angehörigen an, vergewissern Sie sich wie es den angeblich Betroffenen Personen geht.
  • Halten Sie nach einem Anruf mit finanziellen Forderungen mit weiteren Familienangehörigen Rücksprache beziehungsweise kontaktieren Sie die Person, als die sich ausgegeben wird. Und das ausschließlich unter der altbekannten Telefonnummer.
  • Die Polizei fordert niemals zur Herausgabe von Bargeld oder Wertgegenständen auf. Schon gar nicht am Telefon.
  • Übergeben Sie nichts an unbekannte Personen und lassen Sie diese auch nicht in die Wohnung!
  • Seien Sie stets misstrauisch gegenüber Ihnen unbekannten Personen! Legen Sie im Zweifel sofort auf und rufen Sie bei der Polizei an! Lieber einmal zu viel, als zu wenig.
  • Geben Sie am Telefon keine Auskünfte über Ihre persönlichen oder finanziellen Verhältnisse!
  • Lassen Sie sich von Polizeibeamten stets einen Dienstausweis zeigen und prüfen Sie diesen sorgfältig! Falls Sie Zweifel haben, sollte der Zutritt "fremder Personen" in Ihre Wohnung auch in solchen Fällen verwehrt bleiben. Informieren Sie bitte sofort die Polizei, wenn Ihnen eine Kontaktaufnahme verdächtig vorkommt!

Gut 1.000 Betrugsversuche per Telefon im Süden von Sachsen-Anhalt registriert

Im Zuständigkeitsbereich der Polizeiinspektion Halle gab es im Jahr 2022 insgesamt 999 versuchte betrügerische Anrufe. Die geforderten Geldbeträge hätten sich dabei auf über 850.000 Euro belaufen. Die Dunkelziffer liegt sicher weit höher, da nicht jeder Betrugsversuch gemeldet wird.

In 318 Fällen waren die Täter erfolgreich, Geld wurde übergeben oder überwiesen. Dabei sind Schäden von insgesamt mehr als 750.000 Euro entstanden, sagt Polizeisprecher Alexander Junghans. Im Süden Sachsen-Anhalts wurden im Jahr 2022 insgesamt 1.317 Fälle angezeigt. Diese Fälle umfassen den "Trickbetrug" am Telefon insgesamt. Die Aufklärungsquote liegt im unteren zweistelligen Bereich.

Täter agieren oft vom Ausland aus

An die Täter zu gelangen sei sehr schwierig, da sie zumeist aus Callcentern im Ausland agieren würden, oft aus Polen oder der Türkei. Umso wichtiger sei es, Vorsicht walten zu lassen, so Polizeisprecher Alexander Junghans. Wenn eine Übergabe oder eine Überweisung erfolgt ist, dann ist das Geld weg. Unwiederbringlich.

Die "Abholer" sind Junghans zufolge meist freundlich, höflich und gut gekleidet. Die Täter dieser Betrugsmaschen seien bestens in der Gesprächsführung geschult und würden mit viel Raffinesse versuchen, an das Geld ihrer Opfer zu kommen. Die Menschen werden demnach häufig aufgefordert, auf ein ausländischen Konto Geld zu überweisen. Wenn man Geld auf ein ausländisches Konto überweist, ist es kaum noch möglich, diese Überweisungen zu stoppen.

Polizei fordert weder Kaution noch Bargeld oder Wertgegenstände

Ein gesundes Misstrauen am Telefon ist laut Junghans deswegen ratsam. Auch sollte man sofort auflegen, wenn dem Angerufenen etwas komisch vorkommt. Wenn ein "Enkel" anruft, sollte man beispielsweise nach den Geburtsdaten der Eltern fragen. Kann diese Frage nicht beantwortet werden, sei klar, dass Betrüger am Werk sind. 

Die Maschen wechseln ständig und werden immer raffinierter, aber dass die Polizei Wertgegenstände oder Bargeld am Telefon fordert, ist völlig unmöglich.

Alexander Junghans, Sprecher Polizeiinspektion Halle

Die Polizei im Süden Sachsen-Anhalts setzt auf Prävention und hat dafür Seniorensicherheitsberater eingesetzt. Diese sind bereits im Ruhestand, bringen viele Erfahrungen mit und beraten Senioren auf Augenhöhe. In Veranstaltungen klären sie über die verschiedenen Betrugsmaschen auf. Denn auch, wenn es davon viele gibt, ist laut Junghans klar: "Die Maschen wechseln ständig und werden immer raffinierter, aber dass die Polizei Wertgegenstände oder Bargeld am Telefon fordert, ist völlig unmöglich."

Fällt das Wort "Kaution", sollten Angerufene ebenfalls alarmiert sein. In Deutschland wird keine Kaution verlangt, in Schadensfällen erscheint die Polizei persönlich und weist sich mit einem Dienstausweis aus.

In all diesen Fällen sollte man sich nicht durch die Anrufer unter Druck setzen lassen. Stattdessen: Mit der örtlichen Polizei sprechen, die angeblich betroffenen Angehörigen anrufen und sich vergewissern, wie es ihnen geht.

MDR (Cornelia Müller, Maren Wilczek)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 05. Mai 2023 | 11:30 Uhr

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