Sachsen-Anhalt Die AfD und ihre engen Verbindungen nach Schnellroda

15. Oktober 2021, 05:00 Uhr

Björn Höcke, Alexander Gauland, Alice Weidel – auch diese AfD-Politiker waren bereits zu Gast im "Institut für Staatspolitik". Diesen Verein hat der Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt nun als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Der Kopf dahinter – Götz Kubitschek – gilt als zentraler Netzwerker der "Neuen Rechten". Doch wie eng sind die Kontakte zwischen ihm und der AfD?

Hinter den hohen Mauern eines ehemaligen Rittergutes in Schnellroda hat das selbsternannte "Institut für Staatspolitik" (IfS) seinen Sitz. Dieser Verein ist im nun veröffentlichten aktuellen Jahresbericht des Verfassungsschutzes Sachsen-Anhalt als gesichert rechtsextremistisch eingestuft worden. Darin heißt es: Das "Institut für Staatspolitik" vertrete "rassistische und biologistische Sichtweisen" und richte sich damit "gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung". Außerdem unterhalte es als "think tank der Neuen Rechten” eine "Vielzahl von Kontakten und Beziehungen zu Gruppen und Personen" der Szene. Doch wer gehört genau dazu?

Das IfS hat seit 2003 seinen Sitz in dem Rittergut im Süden von Sachsen-Anhalt. Auf demselben Gelände ist auch der Verlag "Antaios" ansässig. Der Kopf hinter Verlag und IfS heißt Götz Kubitschek. Der ehemalige Bundeswehrsoldat gilt als zentraler Netzwerker der sogenannten Neuen Rechten.

Kubitschek und Elsässer sinnierten über Sturz des Systems

Götz Kubitschek
Er gilt als zentraler Netzwerker und Ideengeber der Neuen Rechten: Götz Kubitschek. Bildrechte: IMAGO / Chris Emil Janßen

Kubitschek präsentiert sich auch auf der Bühne mit dem rechtsextremen Publizisten Jürgen Elsässer. Auf der Leipziger Buchmesse 2018 sinnierten die Beiden über den Sturz des Systems. "Ich sage, Aufgabe der oppositionellen Medien ist es zum Sturz des Regimes beizutragen. Und da gehen wir Schulter an Schulter", sagte Elsässer. "Also ich würde von der Sprache diesen Gestus auf eine ganz andere Art sehen. Ich würde sagen, ich meine in manchem dasselbe und drücke es anders aus", antwortete Kubitschek.

Was ist mit solchen Worten gemeint? "Er hat einmal gesagt, wenn ich das zitieren darf: Es gehe um 'einen Drahtseilakt zwischen notwendiger Offenheit und taktischer Maskierung'", sagt der Politikwissenschaftler Armin Pfahl-Traughber. Der Professor befasst sich schon seit Jahren mit dem "Institut für Staatspolitik" und der politischen Strategien von Götz Kubitschek.

Armin Pfahl-Traughber rechnet Kubitschek und das IfS der sogenannten Neuen Rechten zu – einer Strömung des Rechtsextremismus: "Das ist ein Kreis von Intellektuellen, die sich ich auf die Ideen der konservativen Revolution der Weimarer Republik stützen. Und die waren damals schon gegen die Normen und Regeln des demokratischen Verfassungsstaates. [...] Das macht aus der Neuen Rechten eben auch einen rechtsextremistischen intellektuellen Kreis."

Problematische Theorien hinter dem Institut?

Der sachsen-anhaltische Verfassungsschutz stellt in seinem Bericht fest, das IfS vertrete "rassistische und biologistische Sichtweisen". Aber was meint der Nachrichtendienst damit? Experten verweisen etwa auf die Autorin Caroline Sommerfeld. In einem Artikel in der Zeitschrift des "Instituts für Staatspolitik", der "Sezession", schreibt Sommerfeld: "Der Passdeutsche ist und bleibt vom Abstammungsdeutschen unterscheidbar, auch wenn er […] ebenfalls 'Deutscher' genannt werden muss." Laut Sommerfeld müssten "größere Zahlen von Ausländern" – auch Menschen, die schon in zweiter und dritter Generation in Deutschland leben – das Land verlassen, um "das demographische Ende der Abstammungsdeutschen abzuwenden".

Ein anderer Autor ist Martin Semlitsch, der unter dem Künstlernamen "Lichtmesz", agiert. Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter verbreitete er einen Post in dem über einen deutschen Journalisten mit indisch-pakistanischen Eltern schreibt: "Vortreffliches Beispiel, dass ein Pass aus einer Kuh kein Pferd macht, nur weil sie in einem Pferdestall geboren wird."

Für den Politikwissenschaftler Armin Pfahl-Traughber ist das problematisch. Vertreter der Neuen Rechten würden immer wieder die Staatsbürgerschaft eines Menschen an "etwas ethnisch Deutsches binden". Dabei würde nie genau definiert, was genau das ist. "Das bedeutet in der Konsequenz, zu Ende gedacht, natürlich auch, dass ein nicht-ethnisch Deutscher auch kein deutscher Staatsbürger werden dürfte", so Pfahl-Traughber.

Kubitschek hat viele Verbündete am rechten Rand der AfD

Götz Kubitschek und das IfS ziehen immer wieder auch AfD-Politiker nach Schnellroda. Etwa als sich Juni 2018 Anhänger des mittlerweile formal aufgelösten rechtsextremen Flügels der Partei treffen. Welche Rolle die AfD für ihn spielt, machte Kubitschek bereits einige Monate zuvor auf einer Demonstration in Cottbus klar: "Seit die AfD mit über 90 Abgeordneten im deutschen Bundestag vertreten ist, gibt es wieder eine Opposition [...] und eine ehemalige Volkspartei. [...] Diese Leute sind der Gegner. Sie sind noch immer unfassbar mächtig, aber sie hören den Rammbock an dem Tor, das sie schützt."

Besonders am rechten Rand der Partei hat Kubitschek viele Verbündete. Zu ihnen zählt auch Hans-Thomas Tillschneider. Der AfD-Landtagsabgeordnete in Sachsen-Anhalt erklärte MDR exakt, das seit Jahren zur AfD und extremen Rechten recherchiert, auf einem Treffen in Schnellroda im Jahr 2018: "Götz Kubitschek ist ein Geistesverwandter dieser Strömung, die in der AfD Ausdruck findet, die in Pegida Ausdruck gefunden hat. [...] Wir rezipieren natürlich das, was aus Schnellroda kommt. Wir schreiben nicht ab, aber wir rezipieren die Werke. Schon lange bevor es die AfD gab, wurde hier eine Kritik des herrschenden politischen Diskurses geliefert, auf die wir zurückgreifen.

Ein weiteres Beispiel für die engen Verbindungen zwischen Partei und Institut ist Erik Lehnert. Er ist Geschäftsführer des IfS und arbeitet gleichzeitig für den AfD-Bundestagsabgeordneten Harald Weyel.

Redner und Gäste am IfS: Höcke, Gauland, Weidel und Meuthen

Auch Björn Höcke ist ein regelmäßiger Gast in Schnellroda. Nach dessen eigener Aussage verbinde ihn eine lange Freundschaft mit Götz Kubitschek. Höcke hielt 2015 eine schlagzeilenträchtige, rassistische Rede bei einer IfS-Veranstaltung: "Im 21. Jahrhundert trifft der lebensbejahende afrikanische Ausbreitungstyp auf den selbstverneinenden europäischen Platzhaltertyp."

"In Schnellroda war nicht nur Björn Höcke", erklärt Professor Armin Pfahl-Traughber. Auch Alexander Gauland hat in diesem Institut schon einen Vortrag gehalten, auch Alice Weidel war dort zu Gast. "Das macht deutlich, dass es hier sehr enge Beziehungen gibt. Und die Neue Rechte beziehungsweise das 'Institut für Staatspolitik' sucht einen politischen Akteur der ihre Ideologie politisch umzusetzen soll." Auch der amtierende Parteisprecher Jörg Meuthen stand schon in Schnellroda am Rednerpult.

Was sagt die AfD dazu, dass IfS nun als rechtsextremistisch eingestuft worden ist und wie will die Partei damit künftig umgehen? Auf die Anfrage von MDR exakt heißt es vom AfD-Bundesvorstand: "Die Änderung der Bewertung dieses Institutes beziehungsweise Vereins durch eine einzelne Landesbehörde in Sachsen-Anhalt [...] stellt für den Bundesvorstand der AfD keinen hinreichenden Anlass dar, sich kommentierend oder gar beurteilend zu äußern."

Auch Götz Kubitschek und Erik Lehnert vom IfS hat MDR exakt um ein Interview gebeten. Auf die schriftliche Anfrage hat das MDR-Magazin keine Antwort bekommen. Dass die Kontakte zwischen Partei und IfS keine Einzelfälle sind, zeigt Recherche: MDR exakt konnte bei knapp 70 AfD-Funktionären und -Politikern Bezüge zu Kubitscheks Denkfabrik feststellen.

Quelle: MDR exakt

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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR exakt | 13. Oktober 2021 | 20:15 Uhr

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