Kinderbetreuung Kita-Gebühren in Eisleben: Warum sie sich so stark unterscheiden

16. August 2023, 18:58 Uhr

Fast überall in Sachsen-Anhalt sind die Kita-Gebühren innerhalb einer Stadt oder Gemeinde einheitlich. Anders in der Lutherstadt Eisleben im Landkreis Mansfeld-Südharz: Hier gibt es Unterschiede von mehr als 100 Euro im Monat. Eltern und Betreiber plädieren für einheitliche Preise. Und die Stadt? Hüllt sich in Schweigen.

Bunte Wimpel flattern über dem Eingang der Kita "Zwergenland" in Bischofrode, auf der Wiese vor dem Gebäude stehen Schaukeln, Wippen und ein mit Flatterband abgesperrtes Piratenschiff aus Holz. Das "Zwergenland" ist die einzige Kita in dem Eisleber Stadtteil mit seinen rund 600 Einwohnern. 23 Kinder werden hier derzeit von drei Mitarbeiterinnen und einem Azubi betreut, Platz wäre für deutlich mehr.

Kosten für Kita-Platz im "Zwergenland": rund 260 Euro monatlich

Eine gewöhnliche Kita, – für die Eltern allerdings ungewöhnlich hohe Beiträge zahlen müssen: Ein Kindergartenplatz für zehn Stunden am Tag kostet sie hier rund 262 Euro im Monat, in der Kinderkrippe sind es rund 331 Euro.

Das "Zwergenland" gehört für Eltern damit zu den teuersten Kitas in Sachsen-Anhalt. Jessica Klehm bringt ihre Kinder Spyros und Zoe täglich für acht Stunden in die Kita und ist trotz der hohen Kosten zufrieden mit dem "Zwergenland". "Für mich waren vor allem der gute Ruf der Kita und die gute Ausstattung entscheidend", sagt sie. "Außerdem wohnen wir selbst hier vor Ort." Allerdings, sagt Klehm, die sich auch im Kuratorium der Kita engagiert, liege die geringe Auslastung der Kita wohl auch an den hohen Kosten.

Halber Preis nur zehn Minuten entfernt

Rund zehn Autominuten entfernt in der Eisleber Wilhelm-Pieck-Siedlung sieht die Preissituation ganz anders aus. Versteckt hinter Wohnblöcken liegt in einem Flachbau mit großem Garten die Kita "Kleine Bergmänner". Im Vergleich zum "Zwergenland" in Bischofrode zahlen Eltern für die Betreuung ihrer Kinder hier teilweise weniger als die Hälfte: Ein zehnstündiger Kindergartenplatz kostet bei den "Kleinen Bergmännern" etwa 129 Euro, für einen zehnstündigen Krippenplatz sind es rund 208 Euro.

Jennifer Webers Tochter Mathilda und ihr Sohn Thore gehören zu den etwa 60 Kindern, die bei den "Kleinen Bergmännern" betreut werden. "Ich bin sehr zufrieden mit der Kita, mit dem Personal und den Kosten", sagt die junge Mutter aus Eisleben. "Es ist ein wichtiger Punkt, dass es hier im Gegensatz zum Beispiel zu den städtischen Kitas recht günstig ist."

Niedrigere Kosten, niedrigere Gebühr

Christian Heidler ist Geschäftsführer der Volkssolidarität Mansfeld-Südharz, die im Stadtgebiet von Eisleben insgesamt vier Kitas betreibt, darunter auch die günstigen "Kleinen Bergmänner". Man versuche, die Kosten so gering wie möglich zu halten, um die Eltern nicht unnötig zu belasten. Bei der Qualität der Betreuung mache sich der Preisunterschied nicht bemerkbar. "Unsere Erzieher sind voll ausgebildete Fachkräfte", sagt Heidler.

Möglich sei der günstige Preis vielmehr, weil die Volkssolidarität Mansfeld-Südharz im gesamten Kreis fast 900 Kinder betreue und sich die Kosten daher auf viele Schultern verteilten. Außerdem habe man im Vergleich zu städtischen Kitas einen anderen Tarifvertrag mit etwas niedrigeren Löhnen. Eine Folge nicht nur, aber auch der günstigen Preise: "Wir haben eine sehr gute Auslastung", sagt Heidler.

Eisleben lehnt Stellungnahme zu Sonderweg bei Kita-Beiträgen ab

Dass Eltern innerhalb des Stadtgebietes von Eisleben je nach Kita so unterschiedliche Preise zahlen, ist ein Sonderfall in Sachsen-Anhalt. In den meisten Städten und Gemeinden im Land sind die Kitapreise in den kommunalen Beitragssatzungen einheitlich festgelegt. Das heißt, Eltern zahlen innerhalb der Stadt- bzw. Gemeindegrenzen in allen Kitas denselben Preis, unabhängig vom Träger der Kita.

Die Beitragssatzung der Stadt Eisleben sieht dagegen für die 16 Kitas im Stadtgebiet 16 verschiedene Beiträge vor. Selbst die Kosten für die sechs städtischen Kitas unterscheiden sich untereinander, wenn auch nur um wenige Euro.

So setzen sich die Kita-Gebühren zusammen

Das Land Sachsen-Anhalt übernimmt für jedes betreute Kind einen festen Anteil von 522,02 Euro für Unter-Dreijährige bzw. 237,22 Euro für Über-Dreijährige. Dazu kommt eine finanzielle Beteiligung durch die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe, zum Beispiel durch die Jugendämter. Diese beträgt aktuell 145,94 Euro (U3) bzw. 86,31 Euro (Ü3). Die danach noch verbleibenden Kosten übernehmen die Gemeinden, die wiederum einen Teil davon auf Eltern und Erziehungsberechtigte umlegen können.

Nachteil für finanzschwache Eltern?

Statt sich bei der Auswahl des Kitaplatzes für ihre Kinder nach Konzept und Wohnortnähe zu richten, müssten gerade finanzschwächere Eltern deshalb Kompromisse machen, um eine weiter entfernte, aber günstigere Kita aufzusuchen. Das sagt Jessica Klehm, die Mutter aus Bischofrode: "Viele Eltern, die in Bischofrode wohnen, müssen ihre Kinder nach Eisleben bringen, weil es kostentechnisch besser ist. Das finde ich persönlich schade."

Warum sich die Stadt Eisleben für diesen Sonderweg bei der Kita-Finanzierung entschieden hat, bleibt unklar. MDR SACHSEN-ANHALT hat die Stadtverwaltung mehrmals um eine Stellungnahme gebeten. Obwohl die Stadt gesetzlich dazu verpflichtet ist, Medienanfragen zu beantworten, lehnte sie eine Erklärung ab. "Nach intensiver Beratung" habe man sich dazu entschlossen, der "Beantwortung der Fragen eine Absage (zu) erteilen", richtete ein Sprecher der Lutherstadt schriftlich aus.

Auskunftspflicht der Behörden

In Paragraf 4 des Pressegesetzes für das Land Sachsen-Anhalt heißt es: "Die Behörden sind verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen. Das Recht auf Auskunft kann gegenüber dem Behördenleiter oder dem von ihm Beauftragten geltend gemacht werden."
Auskünfte können demnach nur in sehr wenigen Ausnahmen verweigert werden, etwa wenn dadurch Vorschriften über die Geheimhaltung verletzt würden.

Betreibergesellschaft der verhältnismäßig teuren Kita "Zwergenland" im Eisleber Ortsteil Bischofrode ist die Volkssolidarität Saale-Kyffhäuser. Deren Geschäftsführer Dirk Jürgens hält das Modell der Preisgestaltung in Eisleben für nicht fair. "Es gibt Faktoren, die man nicht beeinflussen kann. Wenn zum Beispiel eine Kita mit Fördermitteln saniert wird und die andere mit Eigenmitteln, dann sind natürlich die Kosten in der zweiten Kita höher als in der ersten", sagt Jürgens.

Zudem könne man eine Kita in einem kleinen Ortsteil wie Bischofrode trotz mäßiger Auslastung nicht einfach zumachen, da es sonst vor Ort keine Kinderbetreuungsmöglichkeiten mehr gäbe. "Ich würde es begrüßen, wenn auch in Eisleben alle Kitas für die Eltern dasselbe kosten und die finanziellen Vor- oder Nachteile durch die Stadt egalisiert werden", sagt Jürgens.

Eltern und Betreiber wünschen sich einheitliche Preise

Zwar mache es für den Betreiber finanziell keinen Unterschied, ob die Kosten für die Eltern vereinheitlicht sind oder nicht. Aber: "So wäre es einfacher für die Eltern, dass sie frei entscheiden können nach den Konzepten und ihren Bedürfnissen und nicht nach möglichen finanziellen Erwägungen", argumentiert er.

Unterstützung bekommt er dabei von Christian Heidler, dem Geschäftsführer der Volkssolidarität Mansfeld-Südharz, die unter anderem die günstige Kita "Kleine Bergmänner" in Eisleben betreibt. "Für die Eltern wäre es mit Sicherheit einfacher, wenn die Kosten überall dieselben wären", sagt Heidler.

Auch Jessica Klehm aus Bischofrode wünscht sich einheitliche Kita-Preise in ganz Eisleben. "Ich wäre dafür, dass die Preise angepasst und vereinheitlicht werden, damit Eltern nicht gezwungen sind, aus Kostengründen eine andere Wahl zu treffen, obwohl sie vielleicht den Platz hier schöner finden würden", sagt sie. "Aber es liegt nicht in unserer Hand."

Denn die Beitragssatzung ändern können nicht Eltern oder Kitas, – sondern das kann nur die Stadt Eisleben.

MDR (Lucas Riemer, Katharina Michel)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 14. August 2023 | 19:00 Uhr

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