Auf dem Weg zum Erwachsenen Alternative zur Jugendweihe: Hunderte Jugendliche feiern in Halle Lebenswende
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08. Mai 2023, 14:29 Uhr
Lebenswende statt Jugendweihe heißt es für die 14-jährige Schülerin Lotta aus Halle. In der Saalestadt entscheiden sich besonders viele Jugendliche für das Angebot der katholischen Kirche. MDR SACHSEN-ANHALT hat eine Feierstunde besucht.
- In Halle haben am vergangenen Samstag viele Jugendliche ihre Lebenswende gefeiert, eine Alternative zur herkömmlichen Jugendweihe.
- Das Angebot der katholischen Kirche richtet sich an nicht-getaufte Jungen und Mädchen der achten Klasse.
- Innerhalb der Kirche werden die Feierstunden teilweise kritisiert, weil eine Konkurrenz zum eigenen Angebot befürchtet wird.
Am Ende ist es ein kleiner, nur wenige Zentimeter großer Plüsch-Pinguin, mit dem die 14-jährige Gymnasiastin Lotta aus Halle Abschied von ihrer Kindheit nimmt. "Den hab ich mit acht bekommen und seit dem begleitet er mich", erzählt sie im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT. Bei einer sogenannten Lebenswende-Feier legt sie ihn als Symbol für ihre Kindheit in eine große Weidentruhe, die vor dem Altar der Moritzkirche in Halle steht. Gemeinsam mit 21 anderen Jugendlichen feiert sie damit an diesem Samstag im Mai den Eintritt in einen neuen Lebensabschnitt.
Halle ist Zentrum für Feiern der Lebenswende
Lange konnten sich Jugendliche dabei zwischen Jugendweihe, Konfirmation oder Firmung entscheiden. Seit einiger Zeit ist die Lebenswende-Feier dazu gekommen, die von der katholischen Kirche für ungetaufte Jugendliche angeboten wird. In Halle nehmen an den ökumenischen Veranstaltungen in diesem Jahr mehr als 700 Kinder und Jugendliche teil, in ganz Sachsen-Anhalt werden es insgesamt über 800 sein.
Lebenswende-Feier
Als der heutige Erfurter Weihbischof Reinhard Hauke 1998 an einer katholischen Schule mit nicht nur christlich getauften Schülern arbeitete, kam die Idee auf: Auch für Nicht-Christen sollte es neben der Jugendweihe eine Mündigkeitsfeier geben, wie sie in der katholischen Kirche mit der Firmung oder in der evangelischen mit der Konfirmation Tradition hat.
Gesagt, getan. Bei der allerersten Lebenswendefeier nahmen damals zwölf Mädchen und Jungen teil. Inzwischen sind es jährlich zwischen 60 und 90. Und die Idee überzeugt andernorts: Auch im Bistum Magdeburg und in Dessau-Roßlau wurde die Lebenswende schon gefeiert.
Dabei erweist sich die Erfurter Idee als Exportschlager: Lebenswende-Feiern finden zudem in Berlin, Dresden und Leipzig statt.
Im Unterschied zu anderen Angeboten gestalten bei uns die Jugendlichen die Feierstunde aktiv mit.
Die Feierstunde in der prächtigen Moritzkirche mit Familie, Verwandten und Freunden, haben Lotta und ihre Mitstreiter vorab bei Treffen vorbereitet, erzählt Daniel Richter. Zusammen mit drei Kollegen und sechs ehrenamtlichen Helfern organisiert der Jugendbildungsreferent die Lebenswende-Feiern in Halle. "Im Unterschied zu anderen Angeboten gestalten bei uns die Jugendlichen die Feierstunde aktiv mit", erklärt Richter.
Aktive Vorbereitung und Mitgestaltung der Feier
In keinen Gruppen stellen sich die Jugendlichen während Feststunde in kleinen Reden gegenseitig vor, präsentieren mit teils sehr persönlichen Geschichten ihre "Schätze der Kindheit" und formulieren berührende Wünsche an die Zukunft. Lotta wird sich symbolisch von ihrem Plüsch-Pinguin verabschieden. "Den hat mir meine Mama zu einen Auswärts-Schwimm-Wettkampf hinterhergebracht, weil ich alle meine Kuscheltiere zu Hause vergessen hatte. Seitdem ist er immer bei mir", erzählt das Mädchen.
In die große Truhe werden an diesem Samstag viele Kuscheltiere gelegt, Schildkröten, Hunde, ein Affe. Aber auch Lego-Steine, ein Foto der Schwester oder ein Hühnergott von der Ostsee. "Ich wünsche mir, dass mein Berufswunsch in Erfüllung geht und ich Pilotin werde", erzählt Lotta. Andere Teilnehmer wünschen sich ebenfalls einen tollen Beruf, eine glückliche Beziehung oder eine Reise mit der ganzen Familie in die USA.
Ich find es schön, mein Kindheitsleben auf diese Weise zu verabschieden.
Angebot wird innerhalb der Kirche diskutiert
"Alles wird in drei Vorbereitungstreffen erarbeitet", erklärt Referent Richter. "Da war eine gute Stimmung", erzählt Lotta etwas aufgeregt kurz vor der Feierstunde in einem Nebenraum der Kirche, "Ich find es schön, mein Kindheitsleben auf diese Weise zu verabschieden. Die Gespräche vorab waren mir wichtig." Sie ist an diesem Samstag schon lange auf den Beinen, war früh wach. Nun soll es endlich losgehen. Schon bei ihren Geschwistern hat sie mitbekommen, wie so etwas abläuft.
"Als Christen machen wir so ein Angebot an alle Menschen", sagt Richter, "aber wir haben damit nicht die Absicht, jemanden von der Kirche zu überzeugen." Manche innerhalb der Kirche fürchten deshalb, dass sie sich zu viel um 'Fremde' kümmere und diese Menschen für Gemeinden verloren seien. "Aber auf lange Sicht können wir so zeigen, dass die Kirche damit ein positives Image bekommen kann", ist Richter überzeugt.
Als Christen machen wir so ein Angebot an alle Menschen.
Schätze werden nicht zurückgelassen
Nachdem der Organist noch "Ich wollte nie erwachsen sein" von Peter Maffay und "Forever young" (Alphaville) gespielt hat, verlassen die 22 Jugendlichen angeführt von Referent Richter die Moritzkirche. Im Hof gibt es zum Abschluss noch einen kleinen Sektempfang. Die Luft im Freien ist gefühlt sogar wärmer als in der Kirche. Langsam folgen die Gäste. Viele Fotos werden gemacht.
Lotta wird später noch mit Familie und Freunden im kleinen Kreis feiern. Ihren Pinguin wird sie aber vorher aus der Weidentruhe holen. Der soll nicht allein in der Kirche bleiben.
MDR (Hannes Leonard), dpa
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 11. Mai 2023 | 15:30 Uhr
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