Fachkräftemangel und geringe Löhne Immer weniger Floristen in Sachsen-Anhalt: "Nach dieser Zeit zu schließen, ist traurig"
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15. April 2024, 09:21 Uhr
Seit mehr als zehn Jahren geht die Zahl der Blumenläden in Sachsen-Anhalt in fast nur eine Richtung: nach unten. Ein Grund ist der Fachkräftemangel. Wegen zu niedriger Löhne und einem veralteten Lehrplan ist der Berufszweig Floristik offenbar unattraktiv geworden. Es gäbe sogar Bereitschaft, mehr als Mindestlohn zu zahlen – doch nicht alle ziehen mit.
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- Seit 2013 nimmt die Zahl der Blumenläden in Sachsen-Anhalt nahezu kontinuierlich ab.
- Der Lehrplan für Floristik-Azubis soll erstmals seit den 1990ern angepasst werden. Dabei soll die Digitalisierung eine große Rolle spielen.
- Floristen in den neuen Bundesländern erhalten Mindestlohn. Eine Angleichung an Westlöhne ist gewünscht, trifft aber auf kein Interesse bei Verbänden.
Gelb, rot, lila und weiß – inmitten von hunderten Blumen steht Erika Hanf und schaut sich um. "Ich brauche wieder etwas für den Friedhof", sagt sie. "Chrysanthemen?", fragt eine junge Floristin. Die 83-Jährige nickt: "Ja, die nehme ich heute mal."
Hanf ist schon seit Jahren Kundin bei "Beas Blütenzauber" in Zeitz. Für sie hat der Blumenladen eine perfekte Lage, um ihn zu Fuß zu erreichen. Würde es den Laden nicht mehr geben, müsste sie die Blumen für ihren verstorbenen Mann im Supermarkt kaufen. Doch sie schätze die Beratung vor Ort, wie sie MDR SACHSEN-ANHALT sagt.
Die Blumen sind geschnitten, gebunden und eingetütet. Hanf steht an der Kasse. Neben ihr prangt eines von drei Schildern im Laden. Darauf steht in großen Lettern: "Floristin gesucht".
Die Beratung, die die ältere Frau so schätzt, wird immer seltener.
Auch hier Fachkräftemangel: Immer mehr Blumenläden schließen
Der Blumenladen, in dem Hanf seit Jahren ihre Blumen kauft, gehört Bea Jäschke. Sie ist Inhaberin von mehreren Blumenläden in Zeitz und Umgebung. Dass es immer weniger Floristennachwuchs gibt, hat sie vor ein paar Jahren das erste Mal zu spüren bekommen.
Denn: Im Mai 2021 musste sie so einen ihrer vier Läden wegen fehlenden Personals schließen. "Man hat sich alles selbst aufgebaut und man kommt nicht vorwärts, weil man kein Personal hat. Das Geschäft hatte ich über elf Jahre und nach dieser Zeit zu schließen ist traurig", sagt sie. Die Schließung eines zweiten Ladens konnte Jäschke vor kurzem gerade noch so verhindern, wie sie erklärt. Doch die Floristin sucht jetzt schon seit mehr als einem Jahr nach weiteren Mitarbeitern – bis sie die gefunden hat, bleiben die Öffnungszeiten erstmal verkürzt.
Jäschke ist in Sachsen-Anhalt kein Einzelfall. Zahlen des Statistischen Landesamts verraten: In den vergangenen zehn Jahren haben in Sachsen-Anhalt knapp 180 Floristen ihre Geschäfte schließen müssen. Während es im Jahr 2013 noch 808 Blumenläden gab, sank die Zahl im Jahr 2022 auf 632. Aktuellere Zahlen gibt es noch nicht.
Lehrplan für Floristik-Azubis: erstmals seit 1990er-Jahren angepasst
Dass sich gerade so wenige junge Menschen für den Beruf Florist interessieren, hat für Kerstin Dallmann zwei Hauptgründe. Dallmann, Verbandspräsidentin des Fachverbands deutscher Floristen (FDF) in Sachsen-Anhalt erklärt, einer davon sei, dass das Berufsfeld veraltet ist. Der Lehrplan, der für die Ausbildung verwendet wird, stamme noch aus den 1990er-Jahren. Erst vor zwei Jahren sei mit der Modernisierung des Lehrplans begonnen worden, so Dallmann. "Die Digitalisierung muss mit dazu, damit man im Kundengespräch auf dem Tablet oder dem PC den Kunden genau erklären kann, was sie erwartet. Dann gibt es zum Beispiel eine dreidimensionale Darstellung, wie der Raumschmuck aussieht, wenn ich heirate", erklärt sie und hofft, dass unter anderem das das Berufsfeld wieder attraktiver macht.
Die Digitalisierung muss mit dazu, damit man im Kundengespräch auf dem Tablet oder dem PC den Kunden genau erklären kann, was sie erwartet. Dann gibt es zum Beispiel eine dreidimensionale Darstellung, wie der Raumschmuck aussieht, wenn ich heirate.
Doch der Lehrplan allein lockt noch keine neuen Azubis an, denn auch das Gehalt ist aktuell gering: "Solange das so gering ist, solange wird sich dieser Beruf auch nicht durchsetzen", glaubt Dallmann.
Floristen im Osten bekommen Mindestlohn
Zurück im Blumenladen von Bea Jäschke in Zeitz. Hinter dem Verkaufsraum verziert Mitarbeiterin Conny Penther in einer Ecke einen Urnendeckel mit gelben und roten Rosen. Mittlerweile arbeitet sie schon seit mehr als 30 Jahren als Floristin – vergütet wird ihre Arbeit mit dem Mindestlohn. Der liegt aktuell bei 12,41 Euro pro Stunde.
Die 49-Jährige findet das ungerecht, wie sie MDR SACHSEN-ANHALT sagt: "Man müsste was machen. Bei 40 Stunden Arbeit stimmt der Lohn einfach nicht. Ich muss mit meinem Mann allein klar kommen. Wir haben Haus, Hof und Tiere und da müssen wir alles zusammennehmen, was wir haben", erzählt sie. Das geringe Gehalt ist ein Grund, warum sich Penther auch demnächst beruflich umorientieren will, wie sie verrät.
Tarifverhandlungen sollen eine Ost-West-Angleichung der Löhne in der Floristikbranche erzielen
Eigentlich hätte es längst eine Anhebung der Löhne in der Floristikbranche in Sachsen-Anhalt geben sollen. Denn: Im Jahr 2022 haben sich der FDF und die Gewerkschaft IG Bau zusammengesetzt, um für die neuen und alten Bundesländer Tarifverträge zu verhandeln. Während für die alten Bundesländer eine Einigung erzielt wurde, gingen die ostdeutschen Bundeländer vor zwei Jahren leer aus.
Mitte des Jahres soll es neue Tarifverhandlungen zwischen dem FDF und der IG Bau geben. Die Gewerkschaft fordert eine Angleichung an die Löhne in den alten Bundesländern. In anderen Branchen, wie etwa der Landwirtschaft, habe das bereits stattgefunden. In der Floristik dagegen sind die Verhandlungen mehrfach gescheitert. Das liege laut der Gewerkschaft IG Bau an "schlechten Angeboten" seitens des FDF.
Laut Kerstin Dallmann von der FDF gebe es für eine Erhöhung der Löhne im Osten einfach keine Bereitschaft: "Es ist so, dass die ostdeutschen Bundesländer keine wirkliche Vertretung haben und das auch nicht wirklich wollen. Das muss man mal so ganz knallhart sagen. Selbst hier in Sachsen-Anhalt kenne ich nur ein einziges Blumenfachgeschäft, das mir als Fachverband bekannt ist, das nach Tarif handelt, zahlt und lebt. Das Interesse ist einfach sehr gering", erklärt die Landesverbandspräsidentin.
Floristin greift auf Quereinsteiger zurück
In Zeitz wäre Bea Jäschke bereit, mehr als den Mindestlohn zu zahlen. Doch momentan muss sie schauen, dass sie sich und ihre drei Blumenläden über Wasser hält. Um dem Personalmangel entgegenzuwirken, hat sie eine Quereinsteigerin eingestellt. Die gebe es sogar zu Hauf, meint die Floristin, doch sie braucht vor allem geschultes Fachpersonal. "Gerade in der Hochzeits- oder Trauerfloristik gibt es Dinge, die man wissen muss – wie drahtet man was oder wie macht man einen Brautstrauß, soll der abfließend oder rundgebunden sein. Schon die Beratung nimmt viel Zeit in Anspruch und das kann man einem Quereinsteiger vorerst nicht machen lassen", erklärt sie.
Vor zwei Jahren hat die Floristin extra einen Ausbilderschein gemacht, um eigene Lehrlinge zu fördern – doch die lassen eben auf sich warten. "Für die Zukunft wünsche ich mir Personal, das man fördern kann und das lernen möchte, um dadurch die Geschäfte weiter betreiben zu können", so Jäschke.
Sie freue sich auf den Tag, wenn die Öffnungszeiten ihrer Geschäfte wieder so seien, "wie sie sich gehören", sagt sie.
MDR (Maximilian Fürstenberg) | Erstmals veröffentlicht am 14.04.2024
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 14. April 2024 | 19:00 Uhr
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