Deutscher Nachbarschaftspreis Ausgezeichnet: Die Kinderbürgermeisterinnen aus Spora
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von Tanja Ries, MDR SACHSEN-ANHALT
08. November 2023, 19:19 Uhr
Sachsen-Anhalt hat beim Deutschen Nachbarschaftspreis überzeugt. Gleich drei Auszeichnungen gehen an Projekte aus dem Landessüden – eine nach Halle, zwei in den Burgenlandkreis. Überzeugt haben die Jury unter anderem die Kinderbürgermeisterinnen aus Spora in der Gemeinde Elsteraue. Das Projekt soll Heimatverbundenheit fördern – und stärkt zudem das Selbstbewusstsein von Jugendlichen.
- In Spora im Burgenlandkreis gestalten zwei Kinderbürgermeisterinnen aktiv das Leben im Ort mit.
- Unter anderem haben sie einen "MÄHHHkerkasten" für Ideen, Wünsche, Kritik eingeführt.
- Das Projekt aus der Elsteraue hat nun beim Deutschen Nachbarschaftspreis in der Kategorie "Generation" abgeräumt.
Wo trifft man sich am Wochenende auf dem Dorf? Na klar, auf dem Fußballplatz. Die fast zehnjährige Nele Thierfelder hatte die Idee, sich beim SV Spora zu treffen. Denn heute spielt ihre Freundin Anni, auf die sie mächtig stolz ist. Schließlich ist sie die Spielmacherin bei der E-Jugend. Frauenpower gibt es aber auch am Spielfeldrand. Denn auch Anni findet es total cool, dass ausgerechnet ihre Freundin Nele Kinderbürgermeisterin in Spora ist.
Kinder sollen mit einbezogen werden
Seit zwei Jahren gibt es das Projekt. Zunächst ging es darum, Kinder und Jugendliche nach der Pandemiezeit zu aktivieren. Die Idee hatte Ortsbürgermeisterin Katharina Oswald (parteilos): "Wir haben im Dorf Kinderbürgermeisterinnen eingeführt und möchten sie so mit einbeziehen. Jung und Alt kommen besser zusammen. Die Kinder fühlen sich verstanden und lernen, sich für ihr Dorf zu engagieren."
Auch die mittlerweile 17-jährige Anna Wendenburg ist an Neles Seite. Beide stehen an diesem warmen Herbstsamstag am Spielfeldrand zusammen mit Katharina Oswald. Gemeinsam drücken wird dem Team auf dem Platz die Daumen. Das hilft auch erstmal: Neles Freundin Anni hat ein Tor geschossen, dennoch liegt der SV Spora hinten und verliert am Ende.
Erste Amtshandlung: der MÄHHHkerkasten
Egal ob Sieg oder Niederlage, der Sportverein spielt eine wichtige Rolle in Spora. Deshalb ist auch er Teil eines neuen Graffitis am Gemeindezentrum. Dafür gab es im Spätsommer extra einen Workshop mit einem professionellen Sprayer. Alle durften sich mal ausprobieren und haben unter Anleitung die Spraydosen gezückt. Und so schmückt nun ein tolles Wandbild die Eingangsseite des Hauses. Gleich an der Tür hängt auch ein bunt angemalter Briefkasten – der "MÄHHHkerkasten" für Ideen, Wünsche, Kritik. Eine Idee der Kinderbürgermeisterinnen.
Drinnen sitzen wir nun um einen Tisch, die Mädchen haben Zettel aus dem Briefkasten vor sich und lesen die Wünsche der Kinder und Jugendlichen vor: "Im Park auf der gepflasterten Fläche ein Schachspiel." "Es fehlen Mülleimer im Dorf." "Ich wünsche mir einen Basketballkorb am Gemeindezentrum." "Im Jugendclub fehlt ein Internetanschluss sowie ein Getränke- und Snackautomat." Mehrfach wird auch eine Tischtennisplatte angeregt.
Ganz schön viele Wünsche. Nicht alle kann und wird die Ortsbürgermeisterin erfüllen können. Aber genau so wird Demokratie auch für die Jüngsten erlebbar. Man muss sich entscheiden, abstimmen und nur das, was mehrheitsfähig ist, wird dann auch gemacht. Oder man findet Kompromisse. So haben sie beispielsweise gemeinsam den Jugendclub renoviert. Frische Farbe macht schon viel aus. Regelmäßig finden hier jetzt eine Teenie-Disko statt.
Dem hauptamtlichen Bürgermeister über die Schulter geschaut
Wie die Arbeit eines hauptamtlichen Bürgermeisters aussieht, auch das durften die Kinderbürgermeisterinnen hautnah erleben. Anna und Nele verbrachten einen Tag mit Andreas Buchheim (parteilos) in der Gemeinde Elsteraue. Nicht nur im Büro. Anna erzählt, dass das für sie total spannend war. Er hat die Mädchen mitgenommen zu seinen Terminen. Dabei ging es in ein Gewerbegebiet, in dem sich eine neue Firma ansiedeln soll. Außerdem haben sie den frisch sanierten Kindergarten in Profen besucht und sich angeschaut, was da alles neu gemacht wurde.
Warum sollen die Erwachsenen entscheiden, was wir auf dem Spielplatz machen. Das müssen schon die Kinder selber wissen und sagen.
Im Gegenzug haben Anna und Nele Buchheim die Geistersiedlung von Spora gezeigt – eine verlassene Siedlung, seit Ende der 1990er leerstehend und sich selbst überlassen. Das kannte er noch nicht. An den Ortschaftsratssitzungen nehmen Anna und Nele nicht teil. Dennoch sollen sie eine Stimme haben. Ortsbürgermeisterin Katharina Oswald ist es wichtig, dass sie gehört werden und über gewisse Themen mitentscheiden dürfen: "Warum sollen die Erwachsenen entscheiden, was wir auf dem Spielplatz machen. Das müssen schon die Kinder selber wissen und sagen."
Und das haben sie gemacht. Das Resultat: eine neue Seilbahn, mit der man auf dem Spielplatz auf hundert Metern entlangsausen kann. Zum Spielplatz laufen wir mit den Kinderbürgermeisterinnen einmal durch den beschaulichen Ort. Vorbei an Pferden und Ziegen auf ihren Weiden. Die 17-jährige Anna stellt dabei ganz klar fest: "Ich bin ein Dorfkind. Nach der Schule möchte ich nicht weit weg. Am liebsten hier bleiben. Ansonsten was in der Nähe, aber definitiv nicht in die Stadt. Ich lieb das Landleben." Vielleicht ist ihr das durch ihr Engagement als Kinderbürgermeisterin in den vergangenen zwei Jahren noch klarer geworden. Ziel des Projektes ist es eben auch, die Heimatverbundenheit zu fördern und den Wegzug aus der ländlichen Region zu stoppen.
Ausgezeichnet: der Deutsche Nachbarschaftspreis in der Kategorie Generation
Und doch geht es jetzt in die große Stadt. Wenn auch nur für einen Kurztrip zur Preisverleihung nach Berlin. Denn die Kinderbürgermeisterinnen werden dort ausgezeichnet. Beim Deutschen Nachbarschaftspreis haben sie in der Kategorie "Generation" gewonnen und dürfen 5.000 Euro mit nach Hause nehmen. Bei der Preisverleihung steht Nele mit Katharina Oswald bei der Vorstellung des Projektes und der Preisübergabe auf der Bühne. Die Ortsbürgermeisterin ist so stolz auf "ihre Mädels" und deren Entwicklung: "Wenn ich gerade an Nele vor zwei Jahren denke, als wir mit dem Projekt angefangen haben, da war sie ein schüchternes, kleines Mädchen. Und jetzt wird sie zwar aufgeregt sein, aber mit viel Selbstbewusstsein auf die Bühne bei der Preisverleihung treten."
Die Preisverleihung in Berlin ist auch ein krönender Abschluss für Nele. Daran mag sie zwar noch nicht denken, aber ihre Amtszeit geht zu Ende. Darüber ist sie traurig, würde am liebsten weiter machen. Doch bei der Ortschaftsratssitzung Ende November werden die 13-jährigen Zwillinge Emma und Frieda Stephan ihre Nachfolgerinnen. Und weil sich bei Katharina Oswald mittlerweile auch einige Jungs gemeldet haben, die mitmachen wollen, wird das Projekt "KinderbürgermeisterInnen" im kommenden Jahr ausgeweitet. Ein Kinder- und Jugendbeirat soll 2024 in Spora und seine Ortschaften entstehen, um dann auch zu schauen, wo die 5.000 Euro Preisgeld investiert werden.
MDR (Tanja Ries, Cornelia Winkler)
Dieses Thema im Programm: MDR S-ANHALT | MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 08. November 2023 | 19:00 Uhr
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