Ein Feuerwehrmann trägt eine Virtual Reality-Brille (VR-Brille).
VR-Brillen unterstützen bei der Ausbildung der Feuerwehr. Sie sollen Gefahrensituationen möglich realistisch simulieren. Bildrechte: picture alliance/dpa | Philipp von Ditfurth

Brandbekämpfung 4.0 So digital ist die Feuerwehr in Sachsen-Anhalt

15. November 2023, 16:50 Uhr

Künstliche Intelligenz wird in Zukunft die Feuerwehren in Sachsen-Anhalt bei ihren Einsätzen zu unterstützen. Effektiver und schneller soll die Arbeit werden. Schon heute haben die Feuerwehren zahlreiche "digitale Helfer", die den Einsatzkräften die Arbeit erleichtern. Und auch in der Ausbildung spielt das Digitale und virtuelle Realität eine immer größere Rolle.

"In Sachen Digitalisierung hat sich bei uns in den letzten Jahren sehr viel getan", antwortet der Kreisbrandmeister des Landkreises Harz, Kai-Uwe Lohse, auf die Frage, was sich bei den Feuerwehren im Land in den letzten Jahren verändert hat. Angefangen bei den Fahrzeugen, die immer digitaler werden, über die Atemschutzüberwachung bis hin zu Tablets mit Hydrantenplänen reichten die Neuerungen. "Früher musste ich die Pläne auswendig lernen, heute habe ich alle Informationen gebündelt auf dem Tablet." Auch bei Verkehrsunfällen sei es nun möglich, schon vor dem Eintreffen an der Unfallstelle über die Kennzeichenabfrage alle wichtigen Informationen über das Fahrzeug zu erhalten.

Auch die Atemschutzkontrolle und der Flaschendruck können digital abgerufen werden, ebenso die Position der Einsatzkräfte, ergänzt Florentin Kaufmann. Er ist Mitglied im gemeinsamen Fachausschuss Digitalisierung der Arbeitsgemeinschaft der Leiterinnen und Leiter der Berufsfeuerwehren (AGBF) und des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV). "Die alltäglichen Anwendungen der Feuerwehren im ganzen Land nehmen enorm zu", sagt der Abteilungsleiter bei der Branddirektion München im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT. Selbst Projektionen auf das Visier von Schutzhelmen werde bereits genutzt, um in verrauchten Räumen klare Sicht zu haben. "Das erhöht die Sicherheit des Personals."

Ein Einsatzleitwagen fährt zu einem Brand in Mahlsdorf
Noch vor dem Erreichen des Einsatzortes bekommen die Einsatzkräfte zahlreiche Informationen über ein Tablet zur Verfügung gestellt. Bildrechte: picture alliance / Arne Bänsch/dpa | Arne Immanuel Bänsch

KI noch in den Kinderschuhen

"Beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) stehen wir aber noch ganz am Anfang", fügt er hinzu. "Funktionierende Anwendungen von KI bei den Feuerwehren in Sachsen-Anhalt sind uns nicht bekannt", sagt auch Lutz Georg Berkling, Referatsleiter für Brandschutz im Innenministerium Sachsen-Anhalt. Es sei aber sehr wahrscheinlich, dass sie in Zukunft als Unterstützung in den Feuerwehralltag Einzug halten werden.

Kaufmann erklärt, wie KI bei Einsätzen helfen kann: "Die Brauereien in München haben Ammoniakfässer. Tritt der gefährliche Stoff aus, kann man anhand der Höhe von Gebäuden, Flüssen und Bergen berechnen, wie er sich in der Stadt ausbreitet. Früher mussten wir alles von Hand ausrechnen. Künstliche Intelligenz hilft auch bei der Einsatzplanung. "Wenn es viele Verletzte gibt, können wir die Ressourcen der Krankenhäuser besser steuern", sagt Kaufmann.

Disponent in der Leitstelle vom Rettungsdienst Zweckverband Südthüringen
In den Leitstellen soll künstliche Intelligenz zukünftig die Arbeit schneller und effektiver machen. Bildrechte: imago images/ari

Mehr Übersicht für Einsatzleitung

KI sorge so für mehr Übersicht im Einsatzgeschehen, helfe der Einsatzleitung bei der Entscheidungsfindung und könne so eine bessere Versorgung gewährleisten. Allerdings müsse auch auf den Datenschutz geachtet werden. "Patienten- und andere Daten müssen ausgewertet und digitalisiert werden, um die Systeme zu trainieren", erklärt Kaufmann. Mit diesen Daten müsse sehr sorgfältig umgegangen werden.

Die Leitstelle der Zukunft

Auch in den Leitstellen wird KI beim Notruf bereits getestet. In München soll in den nächsten zwei Jahren ein sogenannter Bot im Krankentransport eingesetzt werden. Ähnliche Pläne gebe es auch in Sachsen-Anhalt, sagt Referatsleiter Berkling. Ziel sei es, den Disponenten in den Leitstellen die Arbeit zu erleichtern. Dazu gehöre auch die Spracherkennung, damit in den Leitstellen nicht mehr getippt werden müsse, ergänzt Kaufmann.

Zwei Kräfte der Feuerwehr im Blaulicht eines Einsatzwagens.
Auch der Atemschutz wird bereits digital überwacht. Bildrechte: picture alliance/dpa | Philipp von Ditfurth

Entscheidungen treffen Menschen

Bei der Auswertung der Daten mache der Einsatz von künstlicher Intelligenz durchaus Sinn, meint Berkling. Der Geschwindigkeitsvorteil sei ein großer Gewinn. Allerdings müsse die Einsatzlage auch bewertet werden, ergänzt Michael Neske, Leiter der Forschungsabteilung am Institut für Brand- und Katastrophenschutz Heyrothsberge (IBK). "Als Einsatzleiter würde ich keine Entscheidung einer KI überlassen." Als Entscheidungshilfe sei sie nützlich, "aber am Ende trägt der Entscheider die Verantwortung", betont er.

Drohnenforschung zur Früherkennung

Eine weitere nützliche Innovation, sei der Einsatz von Drohnen, sagt Neske. Aktuell testet der Landkreis Harz den Einsatz, um auch anhand von Wärmebildkameras Brände frühzeitg zu erkennen und Einsätze besser koordinieren zu können. Forschungsprojekte zu Drohnen, die auch beim Löschen helfen können, gibt es auch an der Hochschule Magdeburg Stendal. Auch am Forschungsprojekts "Peelikan", das den Einsatz ganzer Drohnenschwärme zum Löschen testet, ist die Hochschule beteiligt.

Ausbildung im virtuellen Raum

Um sich in der neuen Welt der digitalen Brandbekämpfung zurechtzufinden, muss das Personal geschult werden. Laut Neske hat eine Umfrage der IBK ergeben, dass der Bedarf an digitalen Ausbildungsinhalten groß ist. "Die Feuerwehrleute wollen sich weiterbilden", betont er. Vor allem Erklärvideos und andere E-Learning-Produkte würden verstärkt nachgefragt, müssten aber koordiniert werden, um eine einheitliche Lehrmeinung zu haben. Hier müsse in Zukunft noch nachgebessert werden.

Ein weiteres nicht mehr wegzudenkendes Ausbildungsinstrument sind VR-Brillen. Sie werde vor allem in der Gruppenführerausbildung eingesetzt, erklärt Kaufmann. "In Berlin wird mit Virtual Reality die Flugzeugbrandbekämpfung trainiert. Stress und Hitze werden nicht simuliert, aber die Komplexität eines Flugzeugs." Neske vom IBK gibt allerdings zu bedenken, dass der Einsatz auf Dauer sehr anstrengend sei und nur ergänzend und unterstützend eingesetzt werde.

Förderalismus als Hemmschuh

Auch wenn sich alle Akteure einig sind, dass die Digitalisierung der Feuerwehren weiter voranschreiten wird, gibt es noch Herausforderungen. "Der Föderalismus ist schwieriger als man denkt", sagt Referatsleiter Berkling. "Feuerwehrvorschriften haben keine Bindungswirkung, weil Feuerwehr Ländersache ist. Die Vorschriften müssten dort erst in Kraft gesetzt werden. Es habe schon mehrere Versuche gegeben, Ausbildungsinhalte zwischen den Ländern abzustimmen. Aber der Aufwand ist hoch." Das Recht in Sachsen sei beispielsweise anders als in Sachsen-Anhalt und die Vorschriften müssten dann umgeschrieben werden.

Außerdem fehle ein übergeordneter und einheitlicher Entwicklungsplan, ergänzt Neske. Wichtig sei in Zukunft auch, die Vernetzung der Daten über standardisierte Schnittstellen voranzutreiben. Auch der Ausbau ausfallsicherer Breitbandverbindungen müsse vorangetrieben werden, damit Apps und digitale Anwendungen funktionieren.

Feuerwehrmann Kai-Uwe Lohse mit Warnweste steht vor einem Einsatzfahrzeug der Feuerwehr und schaut in die Kamera.
Lohse: digitale Helfer zentral steuern Bildrechte: MDR/Lars Frohmüller

Und auch Kai-Uwe Lohse ist sich sicher: "Es wird viel Arbeit geben, die durch Gesetzgebungsverfahren begleitet werden muss." Es bringe nichts, wenn verschiedene Städte und Behörden unterschiedliche Systeme nutzten. Die Einführung der "digitalen Helferlein" müsse zentral gesteuert werden. "Wenn jeder etwas anderes nutzt, kostet die Zusammenführung viel Geld oder funktioniert gar nicht."

"Am Ende muss jemand das Ventil aufdrehen"

Auch wenn die Arbeit mit den neuen digitalen Anwendungen effizienter werde, müsse alles bedienbar sein und das Personal geschult werden. "Jeder PC ist nur so gut wie der Mensch, der ihn bedient. Und am Ende muss irgendwo noch jemand ein Ventil aufdrehen und das Wasser dorthin lenken, wo es brennt", sagt Lohse.

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 13. November 2023 | 21:45 Uhr

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