Kommentar Marcel Roth
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Kommentar Mensch-Maschine-Schule: Politik verspricht zu viel

02. März 2024, 08:37 Uhr

Es ist ein kleines Wunder: Sachsen-Anhalt testet als erstes deutsches Bundesland ein KI-Feedback-Werkzeug für Schülerinnen und Schüler. Gut gemacht, Sachsen-Anhalt! Aber wie bei jeder neuen Technologie muss man fragen: Welches Problem in Schulen soll damit eigentlich gelöst werden? Ein Kommentar.

Ein großer Mann mit Locken und Brille steht vor einer Betonwand.
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Sachsen-Anhalts Bildungsministerin Eva Feußner (CDU) klingt in der Pressemitteilung ihres Hauses begeistert, gar verzückt. Sie lässt sich mit diesen Sätzen zitieren:

Mit der Einführung von 'fiete.ai' geht Sachsen-Anhalt einen wegweisenden Schritt in Richtung moderner Bildung. Dieses innovative KI-Werkzeug wird nicht nur Lehrkräfte unterstützen und entlasten, sondern auch Schülerinnen und Schülern wertvolles Feedback bieten, um ihre Fähigkeiten zu verbessern.

Eva Feußner (CDU)

Beide Sätzen sind meiner Meinung nach ein Lehrstück dafür, was beim politischen Sprechen über digitale Tools in Deutschland falsch läuft. Faktisch falsch ist zunächst der erste Satz, denn das Tool wird eben nicht eingeführt, sondern erprobt. Ein enormer Unterschied, den sogar ChatGPT erkennt. Ich habe das Tool das Zitat der Ministerin analysieren und einen kurzen Kommentar dazu verfassen lassen.

Was mich an den beiden Sätzen aber mehr als das für eine KI Offenkundige stört, sind die Schlagworte. Was ist moderne Bildung? Welche Fähigkeiten brauchen Schülerinnen und Schüler? Solche Sätze können Bildungspolitiker sprechen, ohne dass ihnen jemand widerspricht. Denn wer ist schon gegen moderne Bildung und fähige Schüler? Geholfen ist damit niemandem, weil alle denken, es geht voran; "die Politik" kümmert sich schon.

Ein Irrtum. Nichts ist klar. Schon gar nicht in einer Zeit, in der ständig neue Tools, Anwendungen und Technologien das Licht der Welt erblicken. Aber Politik kann sich damit brüsten, ein Tool "eingeführt" zu haben – und weitermachen wie bisher, ohne die wirklich großen Fragen zu stellen. In diesem Fall: Wofür ist Schule im 21. Jahrhundert da? Bei einer Diskussion darüber sollten wir uns als Zivilgesellschaft dringend einbringen und das Feld nicht Politik, Verwaltung und US-Konzernen überlassen. Eines ist dabei klar: Schule ist auf jeden Fall nicht für die Bildungsverwaltung, nicht für die Bildungspolitik und nicht für die Lehrerinnen und Lehrer da – sondern einzig und allein für die Schülerinnen und Schüler.

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Auch wenn Politikerinnen das Futur verwenden, ist Vorsicht angebracht. Eva Feußner sagt: Fiete "wird (…) Lehrkräfte (…) entlasten". Eine Ministerin mit Glaskugel. Denn das ist nur eine Behauptung und noch lange kein Beweis. Der muss erst noch erbracht werden. Darum kümmert sich wohl das Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik in Kiel. Aber auch ohne wissenschaftlichen Nachweis zeigen heute viele digitale Technologien das glatten Gegenteil von dem, was die Ministerin in ihrer Glaskugel zu sehen behauptet.

Denn es liegt in der Natur der Dinge, dass neue Technologien zunächst absolut keine Entlastung bringen. Sie sind etwas Neues, das zum Alten hinzukommt. Und wenn etwas hinzukommt, ist das eine Belastung, so lange, bis das Alte endgültig verschwunden ist.

Wie alle Gesprächspartner im MDR SACHSEN-ANHALT-Podcast sagen: Kein Lehrer, keine Lehrerin kann all ihren Schülern gleichzeitig eine Rückmeldung zu ihren Texten geben. Fiete kann das. Und das ist toll! Aber wenn Lehrkräfte aktuell keine Zeit haben, Schülern eine Rückmeldung zu geben – verschafft ihnen das Werkzeug nicht mehr Zeit! Weder für mehr Feedback noch für andere Dinge. Aber diesen Eindruck muss man haben, wenn die Ministerin von Entlasten spricht.

Prof Matthias Ballod, Uni Halle 19 min
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MDR SACHSEN-ANHALT Mo 26.02.2024 12:40Uhr 19:25 min

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Eine Entlastung, die ich bei Fiete tatsächlich sehe: Lehrerinnen und Lehrern die Sorgen nehmen, nicht all ihren Schülern gerecht zu werden. Das ist legitim. Aber bei weitem nicht die große Erzählung von einer Technologie, die entlastet. ChatGPT erkennt das im Übrigen auch: Die Ministerin "sollte auch nicht den Eindruck erwecken, dass ‘fiete.ai’ eine Wunderwaffe ist, die alle Probleme im Bildungsbereich löst", kommentiert das Tool in meinem Versuch.

Kann Fiete die Lehrkräfte unterstützen? Das glaube ich sofort. Denn bei Fiete sehen Lehrkräfte auf einen Blick, welche ihrer Schüler vorher festgelegte Anforderungen erfüllt und welche das Feedback von Fiete eingearbeitet haben. Mit diesem Wissen können Lehrer ihren Unterricht besser gestalten und gezielt Schülerinnen und Schüler fördern, die hinterher hängen. Und was machen die anderen Schüler währenddessen? Gehen die zur bereitstehenden Zweitlehrkraft? Die kann ich in meiner Glaskugel nicht sehen.

Welches Problem löst also ChatGPT wirklich für Schulen? Ich befürchte, keines der wirklich drängenden Probleme. Das Problem, das Fiete wunderbar löst, ist eines, das Bildungsverwaltung und -politik selbst verursacht haben: Zu wenig Menschen für den Lehrerberuf begeistern und einstellen und Vorgaben für angeblich nötige Kompetenzen machen, die man mit dem Tool vermessen will.

Wie könnte also ehrliche Kommunikation für Fiete aussehen? Sie würde sich an die Schülerinnen und Schüler richten und vielleicht so klingen: "Die Landesregierung testet mit euch, ob ihr mit einem KI-Werkzeug für die von uns gestellten Aufgaben besser trainieren könnt."

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Dr. André Göbel, Präsident der FITKO
Marcel Roth spricht im Podcast mit dem amtierenden Landesdatenschützer Albert Cohaus, dem Datenschutz-Journalisten Ingo Dachwitz, mit dem MDR-Intel-Experten Dr. Sebastian Mantei und Dr. André Göbel 8im Bild), dem Präsidenten der FITKO. Bildrechte: FITKO Kathleen Friedrich

MDR (Marcel Roth)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 31. Januar 2024 | 20:00 Uhr

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