Zwei Männer sitzen auf einer Bank, im Hintergrund stehen Taxen.
Taxi-Tradition in Wittenberg: Die Familie Fricke fährt seit 1990 Kunden durch die Lutherstadt. Bildrechte: MDR/André Damm

Beispiel Wittenberg Hohe Kosten und Personalmangel: Taxi-Firmen auf dem Land unter Druck

27. August 2024, 18:59 Uhr

Zwischen den Jahren 2000 und 2020 wurde in Sachsen-Anhalt fast jeder zweite Taxi-Betrieb stillgelegt. Die Gründe dafür sind vielfältig: Es fehlt Personal, es muss in den Fuhrpark investiert werden, hohe Betriebskosten schmälern den Gewinn. Verlierer dieser Entwicklung – davon ist der Branchenverband überzeugt – werden ländliche Gegenden und mittelgroße Städte sein. Dort dürfte sich der Taxi-Service weiter ausdünnen. Eine Taxi-Unternehmerfamilie aus Wittenberg spricht über ihre Probleme.

In Wittenberg stehen Fricke-Taxis auch ein bisschen für die deutsche Wiedervereinigung. Denn es war 1990, als Werner Fricke mit seinem Taxi-Geschäft den Wittenberger Markt aufrollte. Sohn Carsten, inzwischen 60 Jahre alt, unterstützte ihn dabei. Später kam Sohn Andreas dazu. Doch das Familienunternehmen, das mittlerweile 30 Mitarbeiter zählt, fährt seit diesem Jahr nicht mehr unter eigenem Namen: Statt Fricke-Taxi heißt es jetzt Wittenberg-Taxi. Hier haben sich drei Firmen zusammengeschlossen, um besser den Problemen der Branche begegnen zu können.

Der 49-jährige Andreas Fricke schüttelt immer noch den Kopf, wenn er daran denkt: "Ich hätte nie gedacht, dass wir mal ein Personalproblem bekommen. Fachkräfte-Mangel – das kannten wir gar nicht." Doch inzwischen stellt er fest, dass es kaum Bewerbungen gibt und seine Fahrer immer älter werden. "Der jüngste ist 46, der älteste fast 80. Da stimmt doch was nicht!"

Ein leerer Taxistand in Wittenberg.
Leerer Taxistand in Wittenberg: Wenn es nicht genug Personal gibt, fahren weniger Taxen. Bildrechte: MDR/André Damm

Mindestlohn für Taxifahrer

Fricke hat 15 Taxis und fünf Busse in Betrieb, die allesamt rollen müssen, um Geld einzuspielen. Doch er weiß nicht, was er noch tun soll, um motivierte Mitarbeiter zu gewinnen. Sogar bei den Schichtzeiten komme man den Fahrern entgegen. Durch das Mindestlohngesetz wisse jeder, sagt Fricke, womit er am Monatsende rechnen könne.

Doch andererseits ist das Taxi-Fahren gefühlt jedes Jahr teurer geworden. Wenn sich die Auto-Tür öffnet, wird in Wittenberg eine Zustiegsgebühr von fünf Euro fällig. Eine Fahrt durch die Lutherstadt kostet dann etwa 20 Euro – in Dessau sieht es nicht anders aus, was viele Einwohner als zu teuer empfinden und deshalb bestenfalls sporadisch ein Taxi nutzen.

Nach der Disco ins Taxi

Ist das Fahrgastgeschäft ein schwieriges Pflaster? Fricke will nicht als Meckerer daherkommen. Sein Unternehmen habe ja viele Kunden, erzählt er, die sich von der Krankenkasse bezahlt zum Arzt oder ins Krankenhaus fahren lassen. Außerdem würden viele den Abhol-Service nutzen, wenn eine große Feier anstehe. Selbst Jugendliche ließen sich nach einem Disco-Besuch abholen.

Wenige Veranstaltungen, viele Gaststätten sind zu – wozu brauchen die dort ein Taxi?

Andreas Fricke Taxi-Unternehmer

Doch wird das auch künftig möglich sein? Fricke hat da seine Zweifel. Gerade Nachtfahrten werfen nur selten Gewinne ab. Viele Unternehmen verzichten deshalb darauf. Ohnehin muss mitunter der Service eingeschränkt werden, um kostendeckend zu bleiben. Benachteiligt werden dadurch ländliche Gebiete. "Da ist ja auch nicht mehr viel los. Wenige Veranstaltungen, viele Gaststätten sind zu – wozu brauchen die dort ein Taxi?", so Fricke. Generell gilt in der Branche die Faustregel: Je ländlicher die Gegend, desto geringer das Taxiangebot.

Wartende Taxis
In ländlichen Gegenden fahren nachts nicht genug Menschen mit dem Taxi. Bildrechte: imago images / Emmanuele Contini

Nachtschichten besonders problematisch

Martin Kammer, Hauptgeschäftsführer der Taxivereinigung LTV, die Unternehmen in Thüringen und Sachsen-Anhalt betreut, macht eine einfache Rechnung auf: "Früher haben die Taxi-Fahrer gut verdient, wenn sie viele Kunden hatten. Jetzt bekommen sie Mindestlohn und das führt zu massiven Problemen".

Kammer nennt ein Beispiel: Für eine Schicht von 18 Uhr bis 6 Uhr gibt das Unternehmen etwa 240 Euro an Personalkosten für den Fahrer aus. Da aber auch das Fahrzeug kostet, Betriebs-und Versicherungsausgaben anfallen und die Taxi-Firma Gewinn machen muss, hat der Fahrer mindestens 350 bis 400 Euro Umsatz zu machen. In Großstädten wie Magdeburg und Halle ist das möglich, in Dörfern oder Kleinstädten eher nicht.

Petition an den Landtag eingereicht

"Wir verlieren dort weiter an Substanz. Engpässe auf dem Land sind die Folge", so Martin Kammer. Die Taxivereinigung LTV hat deshalb eine Petition an den Magdeburger Landtag geschickt und um Zuschüsse geworben. Nach Kammers Worten könnten Taxis dort den Öffentlichen Personennahverkehr ergänzen. Das würde auch die Mobilität im ländlichen Raum verbessern. Eine Antwort auf den Vorstoß der Taxivereinigung steht noch aus.

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MDR (André Damm, Luise Kotulla)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 27. August 2024 | 08:30 Uhr

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