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Aus Sicht von MDR-Reporter André Damm hat der Vorsitzende Richter zu viel zugelassen. Mehr zum ersten Prozesstag im Audio. Bildrechte: MDR/André Damm - picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt
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Reichsbürger Peter Fitzek muss sich seit Montag in einem Berufungsverfahren vor dem Landgericht in Dessau verantworten. Zu Beginn äußerte er sich ausführlich.

MDR SACHSEN-ANHALT Mo 29.07.2024 12:17Uhr 03:12 min

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Kommentar Prozessauftakt gegen Fitzek: Bühne frei für den selbst ernannten "König von Deutschland"

01. August 2024, 10:12 Uhr

Dem selbst ernannten "König von Deutschland" droht wieder eine Gefängnisstrafe. Peter Fitzek aus Wittenberg muss sich seit Montag in einem Berufungsprozess vor dem Dessau-Roßlauer Landgericht wegen Körperverletzung und Beleidigung verantworten. Doch der erste Verhandlungstag entpuppte sich als Farce. Der angeklagte Möchtegern-Monarch nutzte die große Bühne. Richter und Staatsanwalt ließen es zu. Ein Kommentar.

MDR-Reporter André Damm
Bildrechte: André Damm

Was Peter Fitzek am Dessau-Roßlauer Landgericht plante, war nicht zu übersehen. Kurz vor Prozessbeginn errichtete er auf seinem Tisch einen Turm aus mehreren prallen Aktenordnern, dicken Büchern und losen Blättern. Hektisch suchte er nach bestimmten Schreiben. Der Mann mit dem langen dünnen Zopf war ständig bei der Sortierung. Ihm war es wichtig, zum Prozessauftakt seine Botschaft loszuwerden. Und die lautete: Ich bin Peter der I., oberster Souverän des Königreichs Deutschland, und kann damit von keinem deutschen Gericht verurteilt werden. Unabhängig davon, was mir vorgeworfen wird.

Worum es in dem Berufungsverfahren geht

Peter Fitzek droht in dem Prozess am Landgericht Dessau-Roßlau eine erneute Gefängnisstrafe. Ihm werden Körperverletzung und Beleidigung vorgeworfen. Fitzek geht in der Sache gegen das Urteil des Amtsgerichts Lutherstadt Wittenberg vor. Dort war gegen ihn eine Haftstrafe von acht Monaten verhängt worden – ohne Bewährung. Fitzek wurde schuldig gesprochen, im Frühjahr 2022 eine Sicherheitsmitarbeiterin getreten sowie zwei Bundeswehrangehörige beschimpft zu haben.

Auf diese Masche setzt der Wittenberger, der 2012 in einem früheren Krankenhaus sein Königreich ausgerufen hatte, seit Jahren. In zahlreichen Prozessen, bei denen er sich mal wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis oder illegaler Bank- und Versicherungsgeschäfte verantworten musste, versuchte er, die jeweiligen Gerichte als nicht zuständig abzukanzeln – ohne Erfolg. Am Dessau-Roßlauer Landgericht aber ist ihm zumindest ein Coup gelungen. Er konnte unwidersprochen über das Königreich und seine krude Weltsicht parlieren.

Fitzek hält mehrstündigen Monolog

Drei Stunden nahmen seine Ausführungen am Montag in Anspruch, die von der Herrschaft des Dritten Reichs ausgingen; der Mission des Schöpfers und seiner eigenen Weltanschauungslehre. Zwischendurch stolzierte der "oberste Souverän", der von seinem Anwalt nur als "Eure Majestät" oder "Seine Hoheit" bezeichnet wurde, unaufgefordert durch den Gerichtssaal, um dem Vorsitzenden Richter mal seinen Königreich-Reisepass oder eigene Geldscheine und Münzen zu präsentieren.

Zwischendurch stolzierte Fitzek, der von seinem Anwalt nur als "Eure Majestät" oder "Seine Hoheit" bezeichnet wurde, unaufgefordert durch den Gerichtssaal.

André Damm, MDR-Reporter

Ein deutscher Gerichtssaal als Theaterbühne für einen Mann, der der Reichsbürgerszene zugeordnet wird, der nahezu ständig mit der Justiz in Konflikt steht und bereits Haftstrafen verbüßen musste.

Seine „Identitätskarte“ zeigt „Reichsbürger“-Aktivist Peter Fitzek im Landgericht Dessau.
Fitzek und seine "Identitätskarte". Reichsbürger erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht an. Bildrechte: picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt

Richter hat zu viel zugelassen

Am Landgericht in Dessau-Roßlau hat der Vorsitzende Richter zu viel zugelassen, hat Fitzek die Freiheit eingeräumt, über seine Herrschaftsphantasien zu schwadronieren – ohne ein einziges Mal auf den konkreten Fall einzugehen, warum er eigentlich vorgeladen worden war: Der 58-Jährige hatte vor zwei Jahren im Wittenberger Landratsamt eine Frau getreten und geschlagen sowie Bundeswehrangehörige als – so wörtlich – "Faschistenschweine" beschimpft. 

Das kam am ersten Verhandlungstag nur am Rande zur Sprache. Das mag rechtlich vielleicht vertretbar sein, wirft aber die zentrale Frage auf, ob solch eine Verhandlung nicht die Autorität und damit die Würde eines Gerichts untergräbt. 

So geht es weiter mit dem Prozess Der nächste Prozesstag ist für Mittwoch angesetzt. Eigentlich war für den Tag bereits das Urteil erwartet worden – doch Peter Fitzek hatte am Montag vor dem Landgericht Dessau-Roßlau die Einstellung seines Verfahrens beantragt. Da der Antrag sich über drei Stunden hingezogen hatte, hat das Gericht laut eines Sprechers noch nicht mit der Beweisaufnahme beginnen können. Vermutlich werde die Kammer am Mittwoch über den Antrag entscheiden.

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MDR (André Damm, Kalina Bunk), epd | Erstmals veröffentlicht am 30.07.2024

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 29. Juli 2024 | 12:00 Uhr

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