Inklusion Mit Down-Syndrom zum Seepferdchen: So läuft das Schwimmtraining in Dessau
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23. März 2025, 08:07 Uhr
Eine uneingeschränkte Teilhabe in der Gesellschaft stellt für Menschen mit dem Down-Syndrom auch heute noch häufig eine große Herausforderung dar. So werden sie etwa vom Schwimmunterricht oft ausgeschlossen, wenn es an der nötigen Betreuung fehlt. In Dessau können nun Kinder mit Behinderung das Schwimmen erlernen.
- Der 9-Jährige Henning lernt im Dessauer Sportbad Schwimmen.
- Auch mit Down-Syndrom will er sein Seepferdchen schaffen.
- Physiotherapeutin Sandra Otto setzt sich geduldig für die Kinder ein.
Mutig springt Henning ins Becken. Kurz taucht der Junge unter Wasser und dann sogleich strahlend wieder auf. Der 9-Jährige mit Down-Syndrom möchte unbedingt sein Seepferdchen machen, erzählt Mama Katrin: "Im Sommer bei jedem See, wenn alle schwimmen gehen, dann will er auch. Da hat er die gleichen Ziele wie die anderen Kinder, er möchte teilhaben und schwimmen."
Henning prustet laut und nickt. Dann strampelt er kräftig mit den Beinen im Wasser – im Schwimmkurs für Kinder mit Behinderung. Der Weg dorthin war nicht einfach. "Ich hatte versucht, über andere Vereine einen Schwimmkurs für ihn zu finden. Das war unmöglich. Mein Kind ist aber total glücklich im Wasser und möchte auch Schwimmen lernen", sagt seine Mutter. Nun sei sie sehr froh, dass es diesen Kurs gibt.
Mein Kind ist total glücklich im Wasser.
Diesen Kurs ins Leben gerufen hat Sandra Otto. Sie ist Physiotherapeutin und leitet die Mädchen und Jungen im Schwimmbecken an. Otto bietet seit November speziellen Schwimmunterricht für Kinder mit Down-Syndrom – nach Alter und Vorkenntnissen aufgeteilt in kleine Gruppen. Die Nachfrage sei groß, jedoch gebe es auch Berührungsängste, sagt sie: "Andere trauen sich vielleicht nicht, viele können auch gar nicht mit den Kindern kommunizieren." Dabei sei gerade für diese Kinder Schwimmen besonders wichtig, erklärt die Expertin.
Es stärke zudem das Sicherheitsgefühl der Eltern, so Otto. Denn es passiere manchmal, dass Mädchen oder Jungen mit Behinderung im Freibad ins Wasser geschubst würden. Dann müssen sich die Kinder über Wasser halten können, sagt die Physiotherapeutin. Und das wird regelmäßig im Dessauer Sportbad geübt. "Es geht nicht nach Schema F. Jedes Kind hat seine Symptomatik, seinen eigenen Willen, einige müssen sich erst ans Wasser gewöhnen, andere springen gleich komplett rein", erklärt Otto und verteilt dabei Schwimmhilfen an die Kinder im Becken.
Was ist das Down-Syndrom?
Trisomie 21, auch Down-Syndrom genannt, geht auf eine Besonderheit in den Erbanlagen zurück: Das Chromosom 21 ist dreimal statt wie üblich nur zweimal vorhanden. Das hat Folgen sowohl für die geistige als auch die körperliche Entwicklung.
Bestimmte Krankheiten treten bei Menschen mit Down-Syndrom häufiger auf als in der Allgemeinbevölkerung. Dazu gehören angeborene Fehlbildungen, insbesondere Herzfehler. Auch weisen die Menschen eine intellektuelle Beeinträchtigung auf, die stark von Mensch zu Mensch variiert. Betroffene sind oft sozial-intelligent und einfühlsam.
Mit zunehmendem Alter der Mutter steigt die Wahrscheinlichkeit einer Trisomie 21 des Kindes. Durch Untersuchungen während der Schwangerschaft kann prognostiziert werden, ob ein Kind mit Down-Syndrom heranwächst. Nach einer solchen pränatalen Diagnose trägt ein großer Teil der werdenden Mütter das Kind nicht aus. In Deutschland gibt es kein Register für Menschen mit dem Syndrom. Schätzungen gehen von bis zu 50.000 Menschen mit Trisomie 21 in der Bundesrepublik aus.
Quelle: dpa
Sie ärgert sich oft über Vorurteile, sagt die Schwimmlehrerin. Und über Blicke, wenn sich die kleine Gruppe zum Training versammelt. "Man wird angeguckt: 'Ach, die schon wieder'." Unmöglich sei das, findet die Physiotherapeutin. An ihrem Engagement ändert das nichts.
Schwimmen lernen mit Down-Syndrom: Bronze-Abzeichen nicht ausgeschlossen
Im Kurs lernt jedes Kind Schwimmen. Ohne Druck, das ist Otto wichtig. Bei einigen dauere es länger, bei anderen wiederum ginge es schneller: "Vor drei Wochen habe ich Lina verabschiedet, sie hat nur fünf Stunden gebraucht bis zum Seepferdchen", erzählt die Schwimmlehrerin stolz. "Und vielleicht schaffen auch solche Kinder ihr Bronze-Abzeichen oder Silber."
Das bedeuten die Deutschen Schwimmabzeichen
Seepferdchen
Für das Frühschwimmerabzeichen müssen nicht nur die Baderegeln sitzen. Ein Sprung vom Beckenrand, 25 Meter schwimmen und einen Gegenstand aus schultertiefem Wasser heraufholen – das sind die weiteren Bedingungen.
Bronze
Dieses Abzeichen kennzeichnet sichere Schwimmer. Zu den Anforderungen gehören ein Kopfsprung und mindestens 200 Meter in 15 Minuten schwimmen, davon 150 Meter in Bauch- oder Rückenlage und 50 Meter in der anderen Körperlage. Zudem muss ein Gegenstand aus zwei Metern Tiefe heraufgeholt werden.
Silber
Hier beträgt die geforderte Schwimmstrecke mindestens 400 Meter in 20 Minuten. Außerdem muss zweimal tief getaucht werden und die geforderte Absprunghöhe wird auf drei Meter gesetzt.
Gold
Für das höchste Schwimmabzeichen sind mindestens 800 Meter in 30 Minuten zu schaffen, sowie spezielle Schwimmtechniken vorzuführen. Außerdem muss beim Schwimmen etwas transportiert werden.
Sandra Otto spürt große Dankbarkeit. "Die Kinder kommen, freuen sich, drücken mich. Sie sind viel, viel herzlicher", sag die Physiotherapeutin. Henning dreht unterdessen im Wasser weiter seine Runden und lacht dabei übers ganze Gesicht. Bald wird der 9-Jährige seine Seepferdchen-Prüfung ablegen – so wie jedes andere Kind. Diese Normalität würde sich Mutter Katrin für ihren Sohn auch außerhalb des Schwimmbeckens wünschen.
MDR (Martin Krause, André Plaul)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 21. März 2025 | 08:30 Uhr
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