Bedenkliche Farbe Giftige Bücher: So gehen Sachsen-Anhalts Bibliotheken mit Arsen in alten Werken um

06. April 2024, 12:17 Uhr

Giftgrüne Buchschnitte weisen auf die Gefahr hin: Die frühere Trendfarbe in der Buchherstellung des 19. Jahrhunderts enthält giftiges Arsen. Mehrere Bibliotheken in Deutschland hatten daher zuletzt ihre historischen Bestände gesperrt. Die sachsen-anhaltischen Einrichtungen wollen dagegen nicht in Aktionismus verfallen.

In der Buchherstellung des 19. Jahrhunderts war insbesondere Giftgrün populär. Der Name der Farbe kommt dabei nicht von ungefähr, denn das sogenannte "Schweinfurter Grün" enhält buchstäblich Gift, nämlich Arsen, das nicht nur giftig, sondern auch krebserregend ist. Die Trendfarbe von früher setzt Bibliotheken aktuell unter Handlungsdruck. Archive mit historischen Buchbeständen suchen derzeit nach dem richtigen Umgang mit den vielen möglicherweise belasteten Büchern – auch Bibliotheken in Sachsen-Anhalt sind davon betroffen.

Mediale Beachtung fand das in Fachkreisen schon länger diskutierte Problem, als sich die Universitätsbibliothek Bielefeld Anfang Februar öffentlichkeitswirksam entschied, vorsichtshalber sämtliche 60.000 Bücher und Zeitschriften aus dem 19. Jahrhundert für die Ausleihe und Benutzung zu sperren. Weitere Uni-Bibliotheken, darunter Siegen, Duisburg-Essen, Kiel und Saarbrücken, kündigten ebenfalls an, ihre historischen Bestände einer Prüfung unterziehen zu wollen. Um Verdachtsfälle zur Überprüfung aus den Regalen zu nehmen, schloss die Uni-Bibliothek in Düsseldorf sogar für mehrere Tage ihre Pforten.

Giftige Bücher in Sachsen-Anhalt: "Kein Aktionismus"

Und wie geht man in Sachsen-Anhalt mit dem Problem um? Von gesperrten Beständen ist in der Unibibliothek Halle, dem größten Buchbewahrer des Landes mit drei Millionen Büchern, derzeit nicht die Rede. Das Problem lasse sich ohnehin nicht eingrenzen. Zwar sei der Bestand an grün eingefärbten Werken aus dem 19. Jahrhundert gut bekannt, deshalb aber noch lange nicht die Anzahl der gefährdeten Medien. "Denn neuere Untersuchungen haben ergeben, daß es Wanderungen von Pigmenten gibt zwischen Büchern, die nebeneinander stehen. So daß wir nicht allein anhand einer bestimmten Farbe agieren können", erklärt Anke Berghaus-Sprengel von der Universitäts- und Landesbibliothek Halle.

Alle möglicherweise belasteten Bücher durchzuschauen wäre daher ein großes Problem. In Halle werde daher anlassbezogen agiert. "Ich denke, dass wir die Maßnahmen ganz gut im Griff haben", so Berghaus-Sprengel.

Das Dessauer Stadtarchiv nennt 115.000 Bände sein eigen, davon 20.000 aus dem 19. Jahrhundert. Schon personell sei ein Durchforsten der Bestände undenkbar. Archivleiter Frank Kreißler nennt aber noch einen anderen Grund. "Wenn man proaktiv jedes Buch in die Hand nimmt, würde man mehr Schaden anrichten, da wir Staubpartikel aufwirbeln würden, die an diesen Büchern haften. Wir verfallen deshalb jetzt nicht in Aktionismus."

Arsen in alten Büchern: Das sind die Schutzmaßnahmen

Wer ein belastetes Buch einsehen möchte, muss derzeit überall mit besonderen Schutzmaßnahmen rechnen, muss Handschuhe und Mundschutz tragen und bekommt einen abgetrennten Raum zugewiesen.

Inzwischen hat sich die Debatte um die giftigen Bücher etwas versachlicht. Der Deutsche Bibliotheksverband hat in einer Stellungnahme Entwarnung gegeben. "Nach ersten Untersuchungen konnte bei sachgerechtem Gebrauch bisher weder für Nutzende noch für Mitarbeitende in den Bibliotheken eine höhere Belastung festgestellt werden", heißt es in einer Stellungnahme.

"Ein solches Buch abzulecken, ist sicherlich keine gute Idee, aber das tut ja auch niemand", sagte Reinhard Altenhöner, Vize-Bundesvorsitzender des Verbandes. Wer sich dagegen an klar kommunizierte "Regeln des Kontaktmeidens" halte, könne weitgehend ungefährdet mit den historischen Beständen arbeiten.

MDR (Stefan Hellem, Daniel Salpius), dpa

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 05. April 2024 | 19:00 Uhr

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